Machtmissbrauch? Schwere Vorwürfe beim Bundesheer
Das Bundesheer kommt derzeit nicht zur Ruhe. Während des Großeinsatzes rund um die Corona-Massentests stand der Vorwurf im Raum, mehrere Soldaten hätten Frauen in Graz sexuell belästigt und gestalkt. Nur wenige Tage später landet schon der nächste Fall in den Schlagzeilen: Am Samstag gab die Landespolizeidirektion Oberösterreich bekannt, dass gegen einen Unteroffizier ermittelt wird.
Dem 32-jährigen Mann wird vorgeworfen, er habe am Fliegerhorst Vogler in Hörsching (Bezirk Linz-Land) insgesamt fünf Grundwehrdiener und Berufssoldaten sexuell belästigt und missbraucht.
Ein betroffener Rekrut erstattete am Dienstag Anzeige – unmittelbar vorher hatte er seinen Vorgesetzten beim Bundesheer informiert. So brachte er den Fall ins Rollen: Der Rekrut gab gegenüber der Polizei an, von dem Unteroffizier am 28. Jänner gegen 3.30 Uhr während des Schlafens sexuell missbraucht worden zu sein. Während der Ermittlungen wurde das Landeskriminalamt auf vier weitere Opfer aufmerksam.
Laut Bundesheer wird dem 32-Jährigen auch vorgeworfen, über einen längeren Zeitraum einzelne ihm Untergebene und auch Kameraden nach Dienstende zu sich nach Hause eingeladen zu haben und sie nach einem gemeinsamen Alkoholkonsum „unsittlich berührt“ zu haben. „Es könnte sein, dass es noch weitere Opfer gibt“, sagt Michael Babl von der Landespolizeidirektion Oberösterreich.
Interne Konsequenzen
Der Unteroffizier, der seit 2016 in Hörsching tätig ist, wurde vom Dienst freigestellt. Er selbst soll laut Polizei aber alle Vorwürfe abstreiten. Das Heer hat ein Disziplinarverfahren eingeleitet – dieses interne Verfahren wird aber erst entschieden, wenn die Ermittlungen abgeschlossen und ein etwaiges Gerichtsurteil gefällt wurden.
Das Bundesheer bedauere die Vorfälle und habe allen potenziellen Opfern psychologische Betreuung angeboten. Seit 1995 gibt es beim Bundesheer eine psychologische Helpline, die rundum die Uhr telefonisch erreichbar ist. Zudem gibt es den heerespsychologischen Dienst (HPD). Hier stünden den Opfern, aber auch Soldaten mit anderen Problemen ausgebildete „Peers“ und Psychologen zur Verfügung. 300 bis 400 Anrufe gehen hier im Jahr ein – die meisten von Rekruten.
„In allen Systemen, in welchen Macht eine Rolle spielt, kann Macht auch missbraucht werden“, sagt Christian Langer, der Leiter des HPD. So sei eben auch das Bundesheer anfällig. Er habe nicht das Gefühl, dass sich die Fälle von Missbrauch häufen würden, sie würden aber mehr Öffentlichkeit bekommen. „Es ist wichtig, dass damit jetzt transparenter umgegangen wird“, sagt Langer. Auch in Kaderschulungen sollte Prävention eine größere Rolle spielen, wünscht sich Langer.
Die Vorwürfe rund um den Massentest in Graz werden vom Bundesheer übrigens nicht mehr weiter verfolgt: Die Frauen hätten sich nicht gemeldet und die Untersuchungskommission des Militärkommandos fand bei den Soldaten keine Beweise.
Nationalratsabgeordnete der Grünen wollen nun in einer eingebrachten parlamentarischen Anfrage an das Verteidigungsministerium wissen, welche Präventionsmaßnahmen und Schulungen es für Soldaten zum Thema sexuelle Belästigung gibt.
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