Beim AUA-Hagelflug und dem tödlichen Vorfall in einer Swiss-Maschine gibt es viele Ungereimtheiten. Nun wurde eine Anzeige mit Vorwürfen gegen die Untersucher eingebracht
Es sind 28 Seiten, die es in sich haben. Penibel listet Passagier-Anwalt Wolfgang List zahlreiche Vorwürfe und Verdachtsmomente gegen die Unfall-Ermittler der Untersuchungsstelle SUB im Verkehrsministerium auf.
Bei den Ermittlungen rund um den AUA-Hagelflug im vergangenen Sommer und den Rauchvorfall einer Swiss-Maschine mit einem Toten und 14 Verletzten in Graz soll demnach nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sein.
List fordert in einer druckfrischen Anzeige von der Generalprokuratur, der obersten Staatsanwaltschaft, Ermittlungen wegen Begünstigung, Beweismittelunterdrückung und Amtsmissbrauchs. Geklärt werden soll, ob die Untersuchungen zu den beiden Fluglinien der Lufthansa-Gruppe absichtlich manipuliert werden.
Wie berichtet, war ein AUA-Airbus auf dem Rückflug von Mallorca mitten durch ein Unwetter über Hartberg geflogen. Trotz des Ausfalls mehrerer Systeme (etwa Geschwindigkeitsmessung) und einer Stall-Warnung (Strömungsabriss) wählte die Crew eine kürzere, aber gefährlichere Anflugroute über das Wiener Stadtgebiet.
Und am Tag vor Weihnachten musste ein Swiss-Jet auf dem Weg von Bukarest nach Zürich wegen dichten Rauchs an Bord in Graz landen.
Folgt man der Anzeige, dann soll bei den Untersuchungen getrickst worden sein. Da Beamte der SUB (Sicherheitsuntersuchungsstelle des Bundes) immer 24 Stunden im Dienst sind, sollen Vorfallsmeldungen und Untersuchungen so getimet worden sein, dass stets der "richtige Mann" die Ermittlungen bekommt.
So dürfte der AUA-Vorfall erst ab dem Folgetag untersucht worden sein, dafür wurden angeblich sogar zwei verschiedene Meldungen von der Fluglinie verfasst. Bei beiden Flügen wurden deshalb auch keine Untersuchungen der Piloten, etwa auf Alkohol oder Drogen, durchgeführt. Auch Sicherstellungen dürften erst verspätet angeordnet worden sein.
Doch viel wichtiger ist die Einstufung - so wurde der Hagelschlag nur als "Störung" klassifiziert, obwohl es nach internationalen Regeln sowie der Einschätzung der Justiz und des Sachverständigen zufolge eigentlich ein "Unfall" ist. Der Unterschied ist so erheblich, dass die SUB damit bis heute die Herausgabe der Aufzeichnungen des Cockit-Voice-Recorders und des Flugdatenschreibers blockiert.
Da ein Verletzter allerdings automatisch einen Unfall bedeutet, soll die SUB-Chefin Bettina Bogner der Staatsanwaltschaft sogar wochenlang verschwiegen haben, dass eine Flugbegleiterin verletzt worden war.
In einem internen Mail, das dem KURIER vorliegt, beschwert sich der Staatsanwalt jedenfalls am 9. Jänner, dass Bogner ihm schon mehrfach "die Unwahrheit" gesagt oder geschrieben hat. Und somit "die Sicherstellung verhindert hat".
Beim Qualmflug der Swiss soll die Ermittlung überhaupt erst nach einer Woche begonnen haben, als der Flugbegleiter starb. Die SUB bestreitet das, allerdings gibt es auch hier belastende Schriftstücke. Für Verwunderung sorgt außerdem, dass ausgerechnet die wichtigsten Beweisstücke von einem Ermittler mit Hilfe von Flughafen-Mitarbeitern unbeobachtet auf einem Parkplatz abgelegt wurden. Die Fluchthauben (Smokehoods) sollen auch deshalb in einem anderen Zustand sein, als es Passagiervideos zeigen.
In einem im Jänner erstellten Gutachen lässt der Luftsachverständige Thomas Grüner jedenfalls kein gutes Haar an den Untersuchungen. So bleibe "offen, ob das von der SUB eingesetzte Personal die entsprechend notwendigen Kenntnisse für derartige Ereignisse hatte und für die notwendigen Maßnahmen (z.B. medizinische Untersuchung der Piloten), Bilddokumentation, Erstellung eigener Befunde usw. über eine entsprechende Erfahrung verfügte, damit überhaupt ein solches Ereignis fachgerecht untersucht werden konnte."
„Die SUB hat ihre Aufgaben korrekt wahrgenommen. Die Vorwürfe entbehren jeder Grundlage.", heißt es hingegen aus dem Ressort von Leonore Gewessler (Grüne). In der Sache Notlandung Swiss wurde für Ersterhebungen und punktuelle flugbetriebliche Fragestellungen ein ehemaliger AUA-Pilot befasst, da dieser über die notwendige fliegerische Erfahrungen mit Großflugzeugen verfügt und die flugbetrieblichen Abläufe kennt. Das Dienstverhältnis des Sachverständigen mit der AUA ist seit 2023 beendet, die Tätigkeit als Pilot wurde bereits davor beendet.“
Laut einem Ministeriumssprecher gibt es mittlerweile sogar zwei Verletzte beim Hagelflug: „Die Information an die Staatsanwaltschaft, wonach bei dem Vorfall niemand verletzt wurde, resultierte aus einem internen Kommunikationsproblem der SUB.“ Die Verletzung (Prellungen) sei als zu geringfügig eingestuft worden.
Lufthansa, AUA und Swiss wollten keine Stellungnahme abgeben.
Die Vorgeschichte: Bereits drei Rechnungshofprüfungen
6,3 Millionen Euro Steuergeld sind bis 2017 verschwunden und nie wieder aufgetaucht. Abhanden gekommen ist auch Beweismaterial, sogar eine komplette Festplatte mit Unfalldaten. Letzteres stellte der Rechnungshof im Vorjahr fest und kritisierte zu teure Untersuchungen.
Rund um die Unfallermittler des Verkehrsministeriums gab es in den vergangenen 15 Jahren schon drei Mal Rechnungshofberichte, die teils skandalöse Zustände aufgedeckt haben. Mehrfach ermittelten verschiedene Staatsanwaltschaften, verurteilt wurde aber niemand.
Zahlreiche wichtige Untersuchungen wurden jahrelang verschleppt, etwa die mysteriöse Absturzserie von Kleinflugzeugen einer nö. Firma mit Dutzenden Toten vor über einem Jahrzehnt. Zum Absturz eines Hubschraubers der Flugpolizei mit vier Toten in Tirol wurde zunächst ein Vogelschlag als Ursache ermittelt, nach zwölf Jahren war klar, dass damit die wahre Absturzursache verschleiert worden wäre - der Pilot war nach wilden Flugmanövern und einem misslungenen Sturzflug in den Achensee gestürzt.
Der Bericht zum Absturz eines Helikopters im Jahr 2014 in OÖ musste zurückgezogen werden, nachdem aufgedeckt worden war, dass der entlastende Bericht in Wahrheit von zwei Mitarbeitern des Hubschrauber-Unternehmens verfasst war. Jahre zuvor war aufgeflogen, dass die ÖBB die Gehälter jener Mitarbeiter der unabhängigen Untersuchungsstelle bezahlt, die die Bahn prüfen.
Zunächst war die Bundesanstalt für Verkehr (BAV) zuständig für die Ermittlungen bei Flugzeugabstürzen und Bahnunfällen, 2017 wurde diese nach zahlreichen Skandalen aber aufgelöst.
Seither ermittelt die Sicherheitsuntersuchungsstelle des Bundes (SUB). Diese übernahm nicht nur das BAV-Personal, sondern vereinzelt auch Mitarbeiter der Privatfirma, wo die Millionen versickert sind. SUB-Chefin Bogner hat mehrfach angekündigt, die Altlasten beseitigen zu wollen.