Linzer Halloween-Urteil: Die bemerkenswerte Härte des Gesetzes
Böller krachen, Rauch steigt auf, in der Linzer Landstraße, immerhin zweitgrößte Einkaufsstraße Österreichs, fliegen Steine und Gegenstände auf Polizisten, auf die Straßenbahn.
200 aufgebrachte Jugendliche stehen einer Armada an Polizisten gegenüber. Es ist Halloween, Linz sollte zu „Athena“ werden. Die Bilder verstören, die Bilder empören.
Das Ergebnis: Sieben Prozesstermine, neun Angeklagte. Am Donnerstag stand der erste „Rädelsführer“ in Linz vor Gericht. Der 22-jährige unbescholtene Jungvater wurde nach einem Geständnis zu 18 Monaten Haft, sechs davon unbedingt, verurteilt.
Staatsanwaltschaft und Verteidigung verzichteten auf Rechtsmittel, das Urteil ist rechtskräftig. Ein Urteil, das auf den ersten Blick gerechtfertigt wirkt. Aber ist es auch gerecht?
Für Verteidigerin Carina Gstöttner, die die Krawallnacht als Linzerin hautnah miterlebt hat, passt das Urteil, für ihren Mandanten auch: „Die Strafe ist zwar hoch. Für meinen Mandanten ist das Urteil aber in Ordnung.“
Doch ein zweiter Blick zeigt: Das Urteil ist empfindlich härter ausgefallen als andere. „Bei geständigen Ersttätern ist eine Strafe im unteren Viertel bis Drittel des Strafrahmens normal“, sagt etwa der Wiener Rechtsanwalt Clemens Lahner.
Im konkreten Fall beträgt der Strafrahmen bei schwerer gemeinschaftlicher Gewalt drei Jahre. „Da eine teilbedingte Haftstrafe auszusprechen, ist hart“, sagt auch Rechtsanwalt Mirsad Musliu. „Speziell, wenn man bedenkt, dass der Angeklagte unbescholten war und dann auch geständig – das sind wichtige Milderungsgründe.“
Warum das Gericht die empfindliche Strafe aussprach, erklärte der Richter am Donnerstag selbst in der Urteilsbegründung: „Die Hälfte des Strafrahmens wird aus spezial- und generalpräventiven Gründen aufgrund der großen Dimension des Vorfalles ausgeschöpft.“
Umstrittene Wirkung
Doch was ist damit gemeint? Spezialpräventiv bedeutet: Wie schwer muss ich bestrafen, dass die angeklagte Person das nicht mehr macht. Generalpräventive Gründe sollen auch andere Personen davon abhalten, so eine Tat zu setzen. Doch die Wirkung ist umstritten. „Mit harten Strafen erreiche ich keine Integration“, gibt Anwalt Musliu zu bedenken.
Und Alois Birklbauer, Leiter des Instituts für Strafrechtswissenschaften an der JKU Linz, ergänzt: „Eine generalpräventive Wirkung ist empirisch nicht nachweisbar.“
Besondere Fälle
Ausgesprochen werden präventive Gründe in besonderen Fällen. „Wenn konkrete Taten überhandnehmen und die Justiz gegensteuern will“, erklärt Anwalt Lahner. Und da gibt es regionale Unterschiede. Im Burgenland etwa, wo seit einiger Zeit vermehrt Flüchtlinge aufgegriffen werden, müssen Schlepper mit hohen Strafen rechnen.
Nicht zu unterschätzen ist in Fällen wie bei der Linzer Krawallnacht auch die Außenwirkung. „Natürlich prägt in solchen Fällen auch die mediale Berichterstattung“, sagt Anwalt Lahner. Was Alois Birklbauer unterstreicht: „Die vielen Bilder und Emotionen führen dazu, dass das Strafausmaß in die Höhe geht.“ Das Urteil sei „tendenziell hoch, aber nicht unvertretbar“.
Auch wenn in der Tatnacht niemand verletzt wurde – die Bilder verbreiteten Angst. Und da können die Zahlen in den Kriminalstatistiken noch so gut sein – wenn in einer Stadt junge Burschen mit Migrationshintergrund derart auffällig werden, sieht das anders aus.
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