Letzte Generation verlagert Klimaproteste in die Bundesländer

Letzte Generation verlagert Klimaproteste in die Bundesländer
Mit zwei Forderungen - Tempo 100 auf der Autobahn und Abbau-Stopp fossiler Brennstoffe - geht es in die Landeshauptstädte.

Die Protest-Aktionen in Wien sind - vorerst - vorbei. Die letzte Generation, Teil eines europaweiten Netzwerkes, hat es sich zum Ziel gesetzt, auf den Klimakollaps und den daraus resultierenden sozialen Kollaps hinzuweisen. Der Löwenzahn ziert das Logo der Letzten Generation. "Weil er durch den Asphalt bricht und sich nicht aufhalten lässt, wie wir", heißt es von den Klima-Aktivisten.

David Sonnenbaum und Martha Krumpeck

"Legale Mittel versagt"

Nun zogen Martha Krumpeck, Mastermind der Letzten Generation, und Sprecher David Sonnenbaum Bilanz: "Ziviler Widerstand, wie wir ihn betreiben, ist das letzte Mittel. Alle anderen, legalen Mittel haben leider versagt. Seit Jahrzehnten gibt es wissenschaftliche Warnungen: Vom Clube of Rome, vom Weltklimarat, aber 2022 steuern die weltweiten CO2 Emissionen auf einen Rekordwert hin."

Seit 2019 sei man mit Gruppen wie "Fridays for Future" auf der Straße, aber es gebe immer noch keine wissenschaftsorientierte Klimapolitik: "Wir lassen uns die fossile Vernichtung unserer Lebensgrundlagen nicht mehr bieten." 

Lobau-Räumung

Die Straßenblockaden haben "nach dem Befehl zur Lobau-Räumung" begonnen. 23 Straßen- und drei Kunstaktionen hat es gegeben, dazu Proteste auch vor der Wirtschaftskammer. Vor dem Bundeskanzleramt haben sich Aktivisten mit Kunst-Öl überschüttet, bei den Bregenzer Festspielen wurde ein leerer Kinderwagen angezündet. 

14 Aktionen hatten konkret das Thema "Stopp der fossilen Zerstörung und Tempo 100 auf der Autobahn" zum Inhalt. Krumpeck: "Unsere Forderungen könnte die Regierung sofort umsetzen - ohne, dass es irgendetwas kosten würde. "Wenn wir eine lebenswerte Welt für unser Kinder erhalten wollen, müssen wir jetzt die Notbremse ziehen." 

Fracking-Verbot gefordert

180 Millionen Liter Sprit würden mit diesen Maßnahmen gespart, rechnen die Aktivisten vor, 460.000 Tonnen CO2: "Dazu weniger Verkehrstote, weniger Lärm, und somit signifikant gute Auswirkungen auf die gesamte Bevölkerung." Darüber hinaus sei "jede einzelne neue Öl- und Gasbohrung Mord an unseren Kindern und Enkelkindern", deshalb wird auch ein Frackingverbot gefordert.

Sekundenkleber für Tempolimit

Die Straßenaktionen in Wien, mit Superkleber auf die Straße kleben, hätten ihr Ziel erreicht: "Wir haben massive Aufmerksamkeit bekommen, die Leute wissen, warum wir das machen." Jetzt gibt es eine Nachdenkpause in Wien für die Regierung, sagen die Aktivisten, damit sie sich wissenschaftlich mit dem Thema auseinandersetzen und die einfachsten Maßnahmen umsetzen könne. Aber für David Sonnenbaum und Martha Krumpeck ist sonnenklar: "Am 9. Jänner kommen wir wieder. Mit noch mehr Menschen, mit noch mehr Mut, mit noch mehr Engagement."

Aktivisten in den Bundesländern

In dieser Zeit werden die Aktivisten nicht untätig sein. Krumpeck: "In drei Bundesländern haben wir Gruppen, die aktiv werden wollen. In Graz, Linz und Innsbruck stehen die Aktivisten schon in den Startlöchern, andere Länder wie Salzburg und Kärnten, werden folgen." Aber auch in Wien wird es Aktionen geben. Nur eben keine Straßenblockaden - man orientiere sich da an Aktionen im Ausland, wo die Letzte Generation Teil des A22-Netzwerkes ist, ein Zusammenschluss von Klimaaktivisten.

"Halten Rettungsgasse frei"

Apropos Ausland. Gerade stehen die Aktivisten wegen eines Vorfalls in Deutschland in der Kritik. Dort sei ein Feuerwehrauto nicht rechtzeitig zu einem Einsatz wegen einer Straßenblockade gekommen. Eine Radfahrerin ist von einem Betonmischer überfahren worden. Einem Medienbericht zufolge ist die Radlerin mittlerweile im Krankenhaus verstorben.

Krumpeck: "Da wird eine Hetzjagd auf die letzte Generation veranstaltet. Ein Betonmischer hat die Radfahrerin überfahren, das ist das größte Problem. Es war ein Stau auf der Autobahn - der sollte Eisatzkräfte nicht behindern, dort müsste eine Rettungsgasse gebildet werden. Das ist nicht passiert. Und es waren Menschen auf einer Schilderbrücke - die Polizei hat die Autobahn darunter blockiert, dass niemand durchfahren konnte." 

Für ihre Gruppe sei klar: "Wir halten prinzipiell eine Rettungsgasse frei. Mindestens eine Spur steht immer zur Verfügung, wo niemand angeklebt ist. Wir legen Blockaden so an, dass die Straße zum Beispiel über Schienen gut umfahrbar wäre. Wir lassen auch Menschen durch, die sich in erkennbaren Notlagen befinden - etwa eine Ärztin im Spital, jemand mit einem Kind im Auto, das ins Krankenhaus muss. Das funktioniert, wenn sich die Autofahrer im Stau diszipliniert verhalten und nicht selbst in diese Rettungsgasse drängen. Bei einem Protest ist es auch vorgekommen, dass die Polizei sich beim Einsatz genau in diese Spur gestellt hat." In diesem Fall sei zum Glück kein Rettungseinsatz nötig gewesen. 

Was Krumpeck auch für das größere Problem hält: "Sehr oft klagen Rettungsfahrer, dass sie vor allem wegen Falschparkern, blockierenden Fahrzeugen oder nicht gebildeten Rettungsgassen nicht schnell zum Einsatzort kommen." Die Letzte Generation wolle absolut nicht, dass jemand zu Schaden komme: "Wir würden gerne gelindere Mittel anwenden, nicht den Verkehr blockieren. Diese Maßnahmen haben wir viele Jahre versucht, es hat leider nicht gereicht."

Kunstaktionen regen auf

Einen Nerv treffen die Mitglieder der Letzten Generation europaweit mit den Aktionen in Museen. Klebeaktionen gegen Kunstwerke stehen massiv in der Kritik. Krumpeck erklärt: "Es stellt sich die Frage, wie wir es schaffen, mit möglichst wenig Aufwand möglichst viele Menschen zu erreichen." Dem Bildungsbürgertum, das gerne die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum menschengemachten Klimawandel verdränge, gehe es offenbar sehr nahe, wenn Erdäpfelpüree auf das Glas eine Kunstwerkes geschüttet werde. Sie betont: "Kein Kunstwerk wurde beschädigt, die Gemälde sind intakt. Wir bemühen uns, dass kein Schaden entsteht. Wir wollen, dass wir eben nicht die letzte Generation sind, die diese Kunstwerke erleben darf." 

Sie erinnert daran, dass die Politik dazu beitrage, dass die Meeresspiegel ansteigen, Waldbrände eskalieren und durch die Klimakatastrophe mehr und mehr Kunstwerke zerstört werden.

Wie etwa der Imerather Dom in Deutschland, der der Kohleförderung geopfert wurde. 

Selbst haben die Beteiligten an der Aktion im Naturhistorischen Museum - sie wollten sich dort an das Gestänge eines Dinosauriers ankleben, um auszudrücken, dass sie nicht wie die Dinosaurier aussterben wollen - dort Hausverbot. Gegen sie wird wegen versuchter schwerer Sachbeschädigung ermittelt. Die Mitglieder der Letzten Generation richten in diesem Zusammenhang dem Verfassungsschutz, von dem sie sich beobachtet fühlen, aus: "In Deutschland hat der Verfassungsschutz schon festgestellt, dass die Letzte Generation nicht zu beobachten sei."

Auch für Österreich gelte, was UNO-Generalsekretär Antonio Guterres, ein Verfechter rascher Klimaschutz-Maßnahmen, gesagt habe: "Die wahren Radikalen sind die Länder, die immer noch auf fossile Brennstoffe setzen."

"Fossiles Blut klebt an den Kunstwerken"

In Österreich hat Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder die Aktionen gegen Kunstwerke massiv kritisiert. Für die Letzte Generation kommt das nicht von ungefähr, betont David Sonnenbaum: "BMW ist einer der Hauptsponsoren der Albertina. Fossiles Geld, blutiges Geld aus fossilen Brennstoffen ist viel zu oft im Sponsoring von Kultureinrichtungen. Dort klebt Blut der fossilen Industrie an den Kunstwerken."

25 Aktivisten sind schon auf die Straße gegangen. Und weitere 25 engagieren sich im Hintergrund. Sie verstecken sich nicht mehr. Es könnten aber mehr sein, auch die Ergebnisse könnten besser sein, sagen Krumpeck und Sonnenbaum: "Zufrieden sind wir nicht - wir sind in Österreich säumig, wir sind bei einem Drittel der Reduzierung der Treibhausgase, die wir erreichen sollten. Je später wir anfangen, umso drastischer wird es schlussendlich werden. Wir wünschen uns, dass es schneller gehen würde. Wir haben nur mehr zwei bis drei Jahre, um die Gesellschaft auf den richtigen Pfad zu bringen, anstatt weiter buchstäblich Öl ins Feuer zu gießen. Es sollten hunderte, es sollten tausende Menschen auf der Straße sein. Das Überleben geht uns alle an."

Martha Krumpeck war im Gefängnis für ihre Überzeugung. Aus dem Polizeianhaltezentrum ist sie wieder heraußen - wie es ihr dort ergangen ist, lesen Sie hier.

Bis zum Letzten will auch Sonnenbaum gehen: "Wir fürchten uns vor der Klimakatastrophe, nicht vor der Polizei. Ich gehe nicht von der Straße, bis entweder die Forderungen umgesetzt sind, ich lebenslänglich ins Gefängnis muss oder die Todesstrafe für Klimaproteste eingeführt wird." Sie glauben daran, dass die Forderungen umgesetzt werden. Weil diese Sinn machen würden. Und weil es in Frankreich und Großbritannien tatsächlich Gruppen wie ihre waren, die Maßnahmen wie die Isolierung von Häusern in gesetzliche Maßnahmen münden ließen. 

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