Leonie-Prozess: Geständnisse, die keine sind

Mahnwache vor dem Gerichtsgebäude
13-Jährige unter Drogen gesetzt und vergewaltigt: Zweiter Prozesstag gegen drei Angeklagte in Wien.

Manche Geständnisse sind das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt werden. Selbst dann, wenn sie  von zwei unterschiedlichen Personen angekündigt werden.

Im Prozess rund um den Tod der 13-jährigen Leonie passiert an Tag zwei genau das. Drei afghanische Männer sind angeklagt. Sie sollen daran schuld sein, dass Leonie unter Drogen gesetzt und mehrfach vergewaltigt wurde. Leonie starb.

Zwei von ihnen erklärten sich zu Beginn zumindest teilgeständig. Doch Schuld ist anscheinend eine Auslegungssache. Denn auch der zweite Angeklagte, der 19-jährige Ibraulhaq A., dessen Anwalt gestern ein volles Geständnis ankündigte, ist am Mittwoch im Landesgericht für Strafsachen in Wien an gar nichts schuld.

"Ich habe sie nicht vergewaltigt", sagt er. „Ich habe ihr keine Drogen gegeben.“ Im Gegenteil: "Ich habe die Rettung verständigt." Und: "Ich habe sie wiederbelebt."

Leonie starb in der Wohnung des Mannes. Wie es dazu kam – das kann er aber nicht erklären. Er habe nichts davon mitbekommen  - die Wohnung ist 43 Quadratmeter groß.

Im Ermittlungsverfahren erklärte er: "Leonie ist selber schuld. Sie war eine Schlampe." - "Es war ein Fehler, dass ich das gesagt habe. Ich war in Panik“, sagt er am Mittwoch.

Doch das kann die vorsitzende Richterin nicht nachvollziehen: "Sie waren so schockiert über ihren Tod, dass Sie sie als Schlampe bezeichnen?“ – "Der Polizist hat gesagt, dass das besser passen würde“, sagt der Angeklagte. 2Das war nicht bei der Polizei. Das war Ihre Aussage bei der Recht- und Haftschutzrichterin“, sagt die Richterin.

Widersprüche

Aber es sind nicht die einzigen Widersprüche, in die sich der junge Mann bei seiner Befragung verwickelt. Er habe Leonie nie nackt gesehen, erklärt er. Doch auf einem Video, das als Beweismittel geführt wird, ist zu sehen, wie Leonie nackt auf dem Boden liegt. Ibraulhaq A. steht daneben.

Er will niemals Sex mit Leonie gehabt haben. Doch die DNA des Mädchens fand sich auf seinem Penis.

"Leonie hat bei mir im Bett geschlafen. Wir haben uns umarmt“, versucht er zu erklären. "Es war heiß, sie hat nur ein T-Shirt und ihre Unterhose getragen.“

A.s Anwalt Thomas Nirk will seinen Mandanten bremsen und bittet um eine kurze Unterbrechung um sich mit ihm zu besprechen. "Es ist ein bekanntes Phänomen, dass Mandanten aus dem Ruder laufen.“ Doch das schmettert die Richterin ab. "Sie hatten im Vorfeld genug Zeit."  Darauf mahnt der Verteidiger seinen Mandanten: "Wenn die Rahmeneinstellungen eindeutig sind - wollen Sie Ihre Aussage nicht dahingehend ändern, dass Sie Geschlechtsverkehr hatten?"

Übelkeit

Weniger später verlässt Nirk die Verhandlung. "Frau Rat, mir ist wirklich übel." Kurzfristig springt Anwalt Michael Schnarch ein.

Auch bei der Einvernahme des dritten Verdächtigen Ali H. setzt sich das Muster der fragwürdigen (Teil-)Geständnisse fort. Ja, er fühle sich schuldig. Doch habe er Leonie weder vergewaltigt ("wir waren zusammen, hatten Sex in der Küche") noch gab er ihr die Drogen. "Ich bin eingeschlafen."

Und auch er gibt an, Leonie eine Herzdruckmassage gegeben zu haben.

"Es gibt ein Video, da knien Sie bei der nackten Leonie und wischen etwas weg", sagt die Richterin. "Dieses Video kenne ich nicht", behauptet Ali H.

Ein kurze hitzige Diskussion gibt es am zweiten Verhandlungstag noch. "Die Geschworene in der zweiten Reihe schläft", moniert einer der Anwälte. "Ich schlafe nicht", antwortet die Frau. "Ich habe nur die Augen zu." - "Es gibt auch den Einwand der Geschworenen, dass die Verteidiger ständig am Handy hängen", wirft Richterin Anna Marchart ein.

Fortsetzung der Verhandlung am Donnerstag.

 

 

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