Lawinenabgang auf Piste könnte Fall für die Staatsanwaltschaft werden

Nach dem Lawinenabgang  auf eine Piste im Skigebiet Zürs am Arlberg wurden  bis zu zehn Verschüttete befürchtet. Das Katastrophenszenario erfüllte sich nicht
Dass es in Zürs keine Toten gab, sorgt für Aufatmen am Arlberg. Nun steht aber die Frage nach der Schuld im Fokus.

Montagmittag herrscht nach dem Lawinenunglück im Skigebiet von Lech am Arlberg vom Sonntag bei der Talstation der Trittkopfbahn am Fuße des Unglücksbergs bereits wieder reger Skibetrieb.

Während am Berg noch eine finale Sicherheitssuche stattfindet, steht unten Ronald van Hedel und blickt hinauf. „Wir sind etwa 50 Minuten vor dem Lawinenabgang selbst über diese Piste gefahren“, erzählt er.

"Ich denke, da war viel Pech dabei"

Der Niederländer macht gerade mit seiner und einer befreundeten Familie Skiurlaub am Arlberg. Sie alle wurden im Tal Augenzeugen des Großeinsatzes. Am Tag nach dem Unglück will die Gruppe zum Skifahren nach Lech ausweichen, hat nach der Beinahe-Katastrophe aber keine Sicherheitsbedenken. „Ich vertraue auf die Gründlichkeit der Menschen hier. Ich denke, da war viel Pech dabei“, sagt van Hedel.

Lawinenabgang auf Piste könnte Fall für die Staatsanwaltschaft werden

Jan de Loot und Ronald van Hedel fuhren etwa eine Stunde vor dem Lawinenabgang mit ihren Familien über die Unglückspiste

Sein Freund Jan de Loot ist da schon etwas skeptischer: „Die Menschen hier müssen im Winter Geld verdienen. Da ist es für die Autoritäten sicher eine schwierige Entscheidung, ob sie eine Piste sperren.“ Voll des Lobes sind die beiden Männer, die in ihrer Heimat als Polizisten tätig sind, für die Einsatzkräfte, die ruhig und professionell agiert hätten.

Wie konnte das im gesicherten Gebiet passieren?

Die große Frage nach dem Unglück, das in einer Katastrophe münden hätte können, ist aber: Wie konnte es passieren, dass eine Lawine solchen Ausmaßes – fast 600 Meter lang und bis zu 80 Meter breit – eine Piste im gesicherten Skiraum auf einer Länge von 230 Metern verschüttet?

Die Alpinpolizei ermittelt seit Montag. Vorerst gibt es keine Hinweise, dass ein Wintersportler im freien Gelände, wo die Lawine ihren Ausgang genommen hat, diese ausgelöst haben könnte. War es also höhere Gewalt oder war Fahrlässigkeit im Spiel?

Fest steht, dass der betroffene Hang, von dem die Lawine abgegangen ist, noch „in der Früh gesprengt worden ist“, wie Einsatzleiter Hermann Fercher, der Tourismusdirektor von Lech, versichert. Jetzt müsse evaluiert werden, warum trotzdem eine Lawine abgehen konnte.

Lawinenabgang auf Piste könnte Fall für die Staatsanwaltschaft werden

Einsatzleiter Hermann Fercher, Tourismusdirektor von Lech

Der Hang ist als problematisch bekannt. „Wenn es viel geschneit hat, ist das immer einer der Hänge, in denen gesprengt wird“, sagt Fercher. Die Beurteilung, ob die Skipiste freigegeben wird oder nicht, obliege schlussendlich der Betriebsleitung. Zur Klärung der Unfallursache steht seit Montag auch ein Sachverständiger der Staatsanwaltschaft im Einsatz.

Erhebungen könnten Tage dauern

Die will erst den Bericht der Alpinpolizei abwarten und „dann die weiteren Schritte erwägen“, wie ein Sprecher der Anklagebehörde auf Anfrage erklärt. Die Erhebungen könnten Tage dauern.

Am Arlberg war aber vorerst die Erleichterung groß, dass das Unglück noch relativ glimpflich ausgegangen ist. „Es ist natürlich sehr bedauerlich, dass es einen Schwerverletzten gegeben hat. Aber in Anbetracht des möglichen Katastrophenszenarios muss man wirklich von einem Weihnachtswunder reden.“

Das sieht auch Bürgermeister Gerhard Lucian so, der aber kein Hehl daraus macht, dass es „schon sehr ungewöhnlich ist, dass eine Lawine auf der Piste abgeht“.

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Gerhard Lucia, Bürgermeister von Lech

Die Skitouristen zeigten sich am Montag eher unbeeindruckt. „So etwas kann halt passieren. Das gehört zu den Risiken, wenn man Ski fährt“, sagt Michaela Meurer-Engler aus Deutschland, für die der Winterurlaub mit ihrer Familie gerade erst beginnt. Ob die Ermittler das auch so bewerten, wird sich zeigen.

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Am Montag unterstützte auch das Bundesheer eine finale "Sicherheitssuche"

Es sind 19 Sekunden, die zeigen, was sich am Sonntagnachmittag am Arlberg ereignet hat. Ein Augenzeuge hat mitgefilmt, wie eine Lawine mitten auf einer Piste im Skigebiet von Zürs (Gemeinde Lech) abging. Die Schneemassen donnerten regelrecht über talwärts fahrende Skifahrer hinweg.

Es ist dieses Bildmaterial, das die Einsatzkräfte nach dem Unglück gegen 15 Uhr am Sonntagnachmittag zunächst vermuten ließ, dass bis zu zehn Personen verschüttet worden sein könnten.

Ein Deutscher wurde innerhalb kürzester Zeit geborgen. Er liegt nun mit schwersten Verletzungen in der Klinik Innsbruck auf der Intensivstation. Nach den übrigen Vermissten suchten rund 200 Einsatzkräfte in dem Lawinenkegel, ehe es Entwarnung gab.

Gegen 23 Uhr war Sonntagnacht klar, dass alle anderen Vermissten selbst vom Berg abgefahren sind, wie polizeiliche Ermittlungen ergaben. Unter ihnen drei weitere Personen mit leichten Verletzungen.

Dass nicht noch mehr Skifahrer von der Lawine erfasst wurden, darf ebenfalls als glücklicher Zufall gewertet werden.

Lawinenabgang auf Piste könnte Fall für die Staatsanwaltschaft werden

Denn die betroffene Skipiste Nr. 134 (Balmen - rot) ist eine der Hauptabfahrten im Skigebiet von Zürs, die vom Trittkopf in das zu Lech gehörige Hoteldorf führt. Der betroffene Abschnitt ist am Montag gesperrt geblieben. Die obere Sektion der Trittkopfbahn war nur für die Einsatzkräfte in Betrieb.

Der Rest des Skigebiets war wie an jedem anderen Tag geöffnet.

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