Nach Lawine am Arlberg alle Skifahrer in Sicherheit: Video zeigt Unglück
Es sind 19 Sekunden, die zeigen, was sich wirklich am Sonntagnachmittag am Arlberg ereignet hat. Ein Skifahrer hat mitgefilmt, wie eine Lawine mitten auf der Skipiste im Skigebiet von Lech/Zürs abging und zehn Personen teilweise erfasst hat. Seit Montagfrüh ist klar: alle sind in Sicherheit.
Zu dem Unglück war es unterhalb des Trittkopfs (2.720 Meter) auf der Skipiste Nr. 134 (Balmen - rot) gekommen. Die Lawine verlegte die Piste auf einer Länge von 500 bis 600 Metern. Auf dem Video hört man Schreie, dann den Mann auf Englisch sagen: "Oh, mein Gott." Wenig später: "Lass uns nachschauen, wie es den Menschen geht."
Anruf aus Deutschland
Einsatzleiter Hermann Fercher bestätigte dem KURIER am Montagmorgen telefonisch, dass alle Personen in Sicherheit sind. Was bis Sonntag kurz vor Mitternacht unklar war: "Die letzten beiden vermissten Personen haben sich am Sonntagabend gegen 23 Uhr aus Deutschland bei der Polizei gemeldet, dass sie unverletzt sind. Wir sind alle sehr erleichtert."
200 Einsatzkräfte vor Ort
Zu dem Lawinenabgang war es am Sonntagnachmittag gegen 15 Uhr gekommen. 200 Einsatzkräfte und sieben Hubschrauber rückten zu einer gigantischen Suchaktion aus. Wenig später wurde eine teilverschüttete Person schwer verletzt von den Einsatzkräften geborgen und in die Klinik nach Innsbruck geflogen. Dort liegt der Verletzte auf der Intensivstation. Sein Zustand sei aber stabil.
Kurz vor 21 Uhr dann die nächste Entwarnung. Eine Person wurde leicht an der Schulter verletzt, begab sich jedoch noch selbst zum Arzt. Weitere sechs Personen verließen den Lawinenkegel ebenfalls selbstständig, allerdings ohne die Polizei über diesen Umstand zu informieren.
"Sie sind abgefahren und konnten erst von der Polizei nach einiger Zeit ausgeforscht werden", sagt Einsatzleiter Fercher. Zwei Personen galten am Sonntagabend allerdings weiterhin als vermisst. Diese meldeten sich dann um 23 Uhr. Die Bilanz der Beinahe-Katastrophe lautet somit: Ein Schwerverletzter, drei Leichtverletzte und sechs Unverletzte.
Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) bedankte sich am Montag bei den Einsatzkräften und veröffentliche auf Instagram ein Bild von der Suche am Unglücksort.
Keine Kinder betroffen
Die Polizei hat am Montag auch die Nationalitäten der von der Lawine betroffenen Personen bekannt gegeben. Es handelt sich demnach um drei Deutsche, drei Belgier, einen Holländer, einen US-Amerikaner, einen Bosnier und einen Kroaten. Kinder sollen darunter nicht sein.
Video als Anhaltspunkt
Woher die Behörden so genau wussten, dass exakt zehn Personen bei dem Unglück auf der Piste anwesend waren? Eben wegen jenem Video eines Urlaubers. Der Mann hatte es aus nächster Nähe von der Skipiste aus gefilmt.
Hätte Piste gesperrt werden müssen?
Viele offene Fragen gibt es hingegen noch zum Auslöser der Lawine. Denn die zehn Personen waren im gesicherten Skiraum unterwegs. Die rechtliche Frage lautet: Hätte das Skigebiet die Gefahr erkennen und die Piste sperren müssen? Oder wurde die Lawine von einem Variantenfahrer ausgelöst? Zur Klärung steht ab heute ein Sachverständiger der Staatsanwaltschaft im Einsatz, ebenso wie Alpinpolizei (AEG). Mit Ergebnissen wird frühestens in den nächsten Tagen gerechnet.
Vor Lawinenabgang kam es zu Sprengung am Unglückshang
Fest steht, dass der betroffene Hang, von dem die Lawine abging, erst "in der Früh gesprengt worden ist", wie Einsatzleiter Fercher bestätigt. Jetzt müsse evaluiert werden, warum trotzdem eine Lawine abgehen konnte. Ob der Hang grundsätzlich als problematisch gelte? "Wenn es viel geschneit hat, ist das immer einer der Hänge, in denen gesprengt wird", sagt Fercher. Die Beurteilung, ob die Skipiste freigegeben wird, oder nicht, obliege aber schlussendlich der Betriebsleitung.
Vonseiten der Polizei heißt es: "Die Ermittlungen zur Unfallursache können erst heute aufgenommen werden. Sie gehen in alle Richtungen." Bis jetzt gibt es "keine Hinweise, dass eine subjektive Handlung zur Lawine geführt hat." Also das womöglich jemand in den Hang im freien Gelände eingefahren und so die Lawine ausgelöst hat, die schließlich auf die Piste abgegangen ist.
Lawinenzug des Bundesheeres im Einsatz
Wie der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Michael Bauer, bereits am Sonntagabend bestätigte, ist auch das Bundesheer seit Montag, 7.30 Uhr früh, mit dem Lawineneinsatzzug des Jägerbataillon 23 mit 54 Leuten vor Ort. Einsatzleiter Fercher: "Nicht zur aktiven Verschüttetensuche, aber einfach um sicher zu gehen, dass sich wirklich niemand mehr in dem Lawinenkegel befindet." Einer sogenannten Sicherheitssuche. Zu Mittag wurde die Suche dann eingestellt. Wie erwartet, wurden keine weiteren Verschütteten gefunden.
Denn der Aufschüttungsbereich, also jener Bereich, wo der Schnee der Lawine zum erliegen gekommen ist, soll an seinem höchsten Punkt rund 10 Meter hoch sein.
Verletzte und getötete Wintersportler werden in Österreich vom Kuratorium für Alpine Sicherheit auf Grundlage der Unfallerhebungen der Alpinpolizei erfasst.
Demnach sterben jährlich 113 Mensch im Schnitt im Winter in den österreichischen Bergen. 6.716 verunfallten im Winter 2021/22. Im Erfassungszeitraum von 01. November 2021 bis 03. April 2022 kam es zu insgesamt zu 18 Lawinentoten. Besonders tragisch in der vergangenen Saison: Innerhalb von nur zwei Tagen starben neun Menschen bei Lawinenunglücken.
Im Lauf der Woche warnten Experten bereist vor einer heiklen Lawinensituation auf Österreichs Bergen. Mehr dazu lesen Sie hier.
Im Einsatz bei der Suche waren zeitweise bis zu 200 Personen: Von Bergrettungen, Österreichisches Rotes Kreuz, Freiwillige Feuerwehren, Mitarbeiter der Seilbahnen und der Schischulen, Bundespolizei, Kriseninterventionsteam und Mitarbeiter der Gemeinden Lech und Zürs.
Im Skigebiet Lech/Zürs herrschte am Montag übrigens normaler Betrieb. "Nur der Bereich Trittkopf ist gesperrt und wird heute auch den ganzen Tag gesperrt bleiben", hieß es.
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