Ländervergleich: Gehen die Deutschen besser mit dem Coronavirus um?
Ist die Zeit der Ländermatches vorbei? Zwar hat es Österreichs Regierungsspitze zumeist vermieden, den Kampf gegen das Coronavirus als internationales Wettrennen darzustellen.
Etwas Eigenlob, dass man im Vergleich zu anderen Staaten sehr gut dastehe, schwang aber vor allem im Frühjahr oft mit. Mit der Corona-Ampel hat sich diese Strategie offenbar geändert.
Auf KURIER-Anfrage, wie Österreich bei der Entwicklung der Neuinfektionen im Vergleich zu Deutschland dastehe, verwies die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) auf die 19-köpfige „Corona Ampel“-Kommission: Man wolle weggehen von einer „reinen Fallzahlenbetrachtung, hin zu einer Analyse des Verbreitungsrisikos sowie des Systemrisikos“.
Die Fallzahlen sind zuletzt signifikant gestiegen. Vor allem in Wien, mit 83 Fällen pro 100.000 Einwohner in der Sieben-Tages-Inzidenz. Zudem bestätigt die AGES mit Verweis auf die Risikobewertung des Europäischen Zentrums für Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC), dass für den weiteren September ein "moderater Anstieg" der Fallzahlen prognostiziert werde. Doch nur, weil Österreich in den vergangenen Wochen deutlich mehr Neuinfizierte als Deutschland hatte, sei das Krisenmanagement nicht schlechter.
Deutschland gewinnt den Ländervergleich
Der Ländervergleich drängt sich dennoch auf: Definiert man den 1. Juli als Ferienbeginn, ist die Zahl der täglichen Neuinfektionen – gerechnet auf 100.000 Einwohner – in Österreich von 1,3 auf rund 6,4, in Deutschland von 0,6 auf „nur“ 1,8 Personen gestiegen.
Die Zahl der Testungen befindet sich auf einem proportional vergleichbaren Niveau. Das Sommerferien-Ländermatch hätte demzufolge Deutschland gewonnen – eindeutig.
Für die AGES eher irrelevant: Wichtiger als Zahlenspiele seien die „Sieben-Tages-Inzidenz, die Cluster-Rückverfolgbarkeit, die Test-Intensität und die Intensivkapazitäten“ – jene Parameter, die nun regional die Farbe der Corona-Ampel bestimmen.
Unterschiede
Sieht man sich die unterschiedlichen Maßnahmen zwischen Österreich und Deutschland an, dann fällt auf: Die deutschen Bundesländer sind in der Entscheidungskraft wesentlich autonomer als jene in Österreich.
Während die Bundesregierung in Österreich eine Verschärfung der MNS-Pflicht verfügt hatte, war das in Deutschland Ländersache. Es gibt zwar eine Empfehlung der deutschen Bundesregierung, verpflichtend ist aber nur das Tragen von Masken in öffentlichen Verkehrsmitteln.
In weiten Teilen Deutschlands gilt die MNS-Pflicht beim Einkaufen nicht nur in Supermärkten, sondern in allen Groß- und Einzelhandelsunternehmen sowie Einkaufszentren. Und das seit der erstmaligen Einführung.
Anders als in Österreich, wo teilweise die MNS-Pflicht gelockert und danach wieder verschärft wurde. In Geschäften, die nicht Supermärkte oder Apotheken sind, muss man in Österreich bis heute keine Maske tragen. Außer die Corona-Ampel leuchtet gelb.
Tests für alle Reiserückkehrer
Ebenfalls anders als in Österreich handhabt Deutschland die Abwicklung seiner Tests. Während es diese in Österreich nur für Reiserückkehrer aus Risikogebieten gibt und nur vereinzelte Teststraßen für alle Reiserückkehrer eingeführt wurden, gilt in Deutschland zumindest bis zum 15. September eine kostenlose Testung für alle Rückkehrer.
Auch aus Nicht-Risikogebieten. Am Beispiel von Bayern sieht man, dass man es auch mit der MNS-Pflicht ernster nimmt. Seit gestern gilt eine Maskenpflicht bei Versammlungen im Freien – ab 200 Menschen. Zudem muss man sich beispielsweise in der Gastronomie als Gast verpflichtend registrieren.
Übersterblichkeit? Nein
Auch eine Abwandlung der Corona-Ampel gibt es in Bayern. Sofern der Sieben-Tages-Durchschnitt bei den Neuinfektionen über 50 liegt, können die örtlichen Behörden die Maßnahmen eigenständig verschärfen. Ähnliche Regelungen gibt es auch in anderen Bundesländern.
Auf demselben Sieben-Tages-Durchschnitt basiert auch die österreichische Corona-Ampel. Hier ist allerdings 20 die magische Grenze, ehe sich die Corona-Kommission mit einem Bezirk befassen muss.
Positiv für die Nachbarländer: Laut der Datenplattform EuroMOMO verzeichnen beide Staaten bisher definitiv keine Übersterblichkeit – im Unterschied zu Belgien, Frankreich oder Spanien.
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