Krypto-Millionenbetrug: Hauptangeklagter legt überraschend Geständnis ab

Krypto-Millionenbetrug: Hauptangeklagter legt überraschend Geständnis ab
Hauptzeugin im 100-Millionen-Euro-Betrugprozess sagte aus. "Er hat geglaubt, alle anderen sind zu blöd, um sein Modell zu durchschauen." Die Folge: Ein Geständnis.

Oft war ihr Name seit Prozessbeginn im September rund um den vermeintlichen Betrug mit Kryptowährung des EXW-Firmengeflechts gefallen. 

Am Mittwoch erschien sie nun als Hauptzeugin vor dem Landesgericht Klagenfurt: Die Ex-Lebensgefährtin jenes 26-jährigen Hauptangeklagten im Kryptobetrugs-Prozess mit 40.000 Opfern und einer möglichen Schadenssumme von 100 Millionen Euro. "Ich gehe von einer Schadenssumme von 70 bis 120 Millionen Euro aus", gab die 23-Jährige vor Gericht an.

Ein Auftritt, der am Nachmittag zu einem völlig überraschenden Geständnis des Hauptangeklagten führen sollte. Kommentar von Richterin Claudia Bandion-Ortner: "Das ist ja fast wie in einer Netflix-Serie."

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Im engen schwarzen Bleistiftrock, mit hohen Schuhen und weißer Chanel-Jacke erzählte die 23-Jährige doch zunächst schnell sprechend und über Stunden, wie sie die Geschehnisse rund um das EXW-Firmengeflecht an der Seite des 26-jährigen erlebt hatte.

Engste Vertraute

Den Schulabbrecher lernte sie laut eigenen Angaben im Jahr 2019 über Freunde kennen. Bald tauchte auch das Thema EXW in der Beziehung auf. "Ich war seine engste Vertraute, er hat mich überall hin mitgenommen, ich habe alle Telefonate mitgehört", erzählte die junge Frau.  

Verstanden habe sie nicht alles, auch weil ihre Interessen in dieser Zeit auf anderen Dingen gelegen seien.

Dachterrassen-Gespräche: "Dann sind wir reich"

Auf einer Dachterrasse in Klagenfurt habe dann die Idee für EXW finale Züge angenommen, unter dem Motto: "Ein letztes Ding noch, dann sind wir reich", wie die 23-Jährige erklärte. Laut ihrer Aussage soll dem Hauptangeklagten von Anfang an klar gewesen sein, "dass die Kundengelder irgendwann weg sind".

Hier bohrte Richterin Bandion-Ortner nach: "Was wurde auf der Dachterrasse genau geredet?" Die 23-Jährige erklärte zusammengefasst: Es ging um Geld. Geld, an das man schnell und leicht kommen wollte. "Krypto war zu dieser Zeit in allen Munden. Er (der Hauptangeklagte, Anm.) wollte seine eigenen Währung machen, die man auch selbst regulieren kann. Aber es war klar, dass das nur ein Fake war", sagte die 23-Jährige.

Betrug war geplant

Hat man auch darüber gesprochen, was ist, wenn die die Kunden drauf kommen, dass es ein Fake ist? wollte die Richterin weiter wissen. "Er hat immer gesagt, irgendwann ist das Geld weg und ich auch", sagte die junge Frau. Die Hintertür sei demnach gewesen, dass wenn das Geld weg ist, man sich absetzen wollte.

Entscheidende Frage der Richterin: "War ihrer Ansicht nach ein Betrug geplant." Antwort der 23-Jährigen: "Ja." 

Der Hauptangeklagte, der am Mittwoch erstmals länger mit Handschellen in Saal 29 neben einem Justizwachebeamten saß, nahm die Aussage jener Frau, mit der er auch eine gemeinsame Tochter hat, mit Kopfschütteln zur Kenntnis.

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Die Hauptzeugin gab auch einen Einblick in den Lebensstil des Paares. Von privaten Hubschrauberflügen nach Kitzbühel oder einer gemeinsamen Villa in Thailand um 15.000 Euro im Monat, wo die Verliebten auch lebten. Lebensmittelpunkte sollten später auch Klagenfurt und Wien sein. In der Bundeshauptstadt in einer 7.500-Euro-Wohnung, in der auch ein Schuhkarton voller Geldbündel zum Inventar gehört haben soll.

Auch sollen Sporttaschen und Koffer voller Bargeld völlig normal gewesen. "Im Büro in Klagenfurt etwa ein Koffer mit 50.000 Euro", erklärte die 23-Jährige.

Flucht nach Dubai

Im Jänner 2020 soll dann zum ersten Mal zwischen dem Paar zur Sprache gekommen sein, dass man das Land verlassen sollte, weil die Finanzmarktaufsicht Probleme mache. Ebenso wie EXW-Kunden, die ihr Geld zurückforderten. "Ich war damals gerade hochschwanger, da hat er mir das Ultimatum gestellt, ob ich mitkomme, oder hierbleibe", sagte die Frau aus. 

Riesige Barbeträge

Sie entschied sich für Mitkommen und die Reise führte mit zwei Koffern pro Person nach Dubai. Wieder in eine Villa. Kosten: 30.000 Euro im Monat. Mehrere Autos, wie ein Bentley oder Lamborghini seien zu dieser Zeit üblich gewesen. Geld spielte auch zu diesem Zeitpunkt eine zentrale Rolle - von Koffern voll mit 500.000 Euro erzählte die 23-Jährige. "Wir hatten fast immer nur Bargeld und alles wurde in bar bezahlt. So weit ich mich erinnere, hatte er auch gar kein Konto. Ich glaube schon auch vor Angst vor der Polizei."

Familienurlaub auf Bali als Tragödie

Dann sei der Hauptangeklagte aus EXW ausgestiegen. Für das Paar ging es zurück nach Österreich. Neue Projekte seien entwickelt worden. "Rasant" sei der Lifestyle in dieser Zeit gewesen. Mit einem Leben in einem Luxushotel am Wörthersee, das als Wohnung diente. Bis zu einem gemeinsamen Familienurlaub auf Bali, der zur "Tragödie" wurde. Da sich das Paar auf der Insel trennte.

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Den Hauptangeklagten habe sie zu dieser Zeit als "realitätsfremd" erlebt, sagte die 23-Jährige. "Er hat geglaubt, alle anderen sind zu blöd, um sein Modell zu durchschauen. Die Polizei, das Finanzamt, alle."

"Habe ihn nie bestärkt"

Ob sie selbst versucht habe, die Geschäfte zu unterbinden, wollte Staatsanwältin Caroline Czedik-Eysenberg wissen: "Bis ich das alles kapiert hatte, war ich einer Abhängigkeitsrolle. Darum habe ich mich rausgehalten. Klar, es war toll ein schönes Auto zu fahren, aber ich habe ihn nie darin bestärkt", sagte die 23-Jährige. Gedanken, je zur Polizei zu gehen, habe sie sich nie gemacht. Auch wegen des gemeinsamen Kindes.

Dass sie eine Rolex des Hauptangeklagten ohne sein Wissen verkauft habe, wie es ihr der Verteidiger des 26-Jährigen vorwarf, gab sie zu: "Um mich und das Baby zu finanzieren." Dass ihr der Verteidiger auch den Vorwurf der Geldwäsche unterstellte, blieb unkommentiert.

Geständnis von Hauptangeklagten

Am Nachmittag hatte dann der Hauptangeklagte die Chance sich zu äußern. Und legte völlig überraschend ein Geständnis ab. Von Prozessbeginn an im September hatte er sich stets nicht schuldig bekannt. 

Eines, bei dem sich seine Worte regelrecht überschlugen: "Es ist Zeit, dass ich alles erzähle. Ja, mir war klar, dass es im Betrug enden wird. Das war Anfang 2020, als wir nach Dubai gezogen sind." Er sei überrascht gewesen, wie viel Geld man mit der Firma machen kann. Sein Zugang sei schließlich irgendwann gewesen: "Ich habe geglaubt, die Welt hasst mich sowieso, also machen wir es doch so, dass zumindest am Ende etwas Geld übrig bleibt für mich."

Zu groß, um zu scheitern

Weiters rechtfertigte er sich so: "Ich dachte, das ist so groß, dass kann nicht scheitern." Doch der 26-Jährige wurde von der Realität eingeholt. "Ich wollte am Ende einfach meine Ruhe haben. Das ist, wie wenn man jeden Tag Spaghetti isst. Man liebt Spaghetti, aber irgendwann mag man sie trotzdem nicht mehr."

Die Rolle seiner Ex-Freundin beschrieb er so: "Sie wusste von nichts, bis zu dem Zeitpunkt, als ich es ihr erzählt habe." Das war dann allerdings auch das letzte gute Wort, das er über die 23-Jährige verlor. Es folgten Details über Geld, Lügen und angeblich gefälschte Arztdokumente.

Der Hauptangeklagte zeigte sich am Ende aber bereit, detailliert und "umfangreich" auszusagen, was das Konstrukt von EXW betrifft.

"Mir war nie bewusst, welche Schicksale an all dem hängen. Ich habe geglaubte, alles machen zu können. Ich habe geglaubt, mit Geld kann man sich alle Wege ebnen. Auch bei der Polizei und der Justiz", sagte der 26-Jährige.

Warum kein Geständnis zu früherem Zeitpunkt?

Er bereue zutiefst, was passiert sei. 

Warum er nicht früher geständig gewesen sei? "Weil mir von außen vermittelt wurde, dass mir sonst alles umgehängt wird. Und ich hatte Angst." Dann brach dem 26-Jährigen die Stimme. 

Als er sie wiederfand, belastete er die anderen, zum Teil noch flüchtigen bzw. in Auslieferungshaft befindlichen Männer. Vor allem jenen Mann, der sich erst kürzlich auf Bali gestellt hatte. 

Jene sieben Angeklagten, die am Mittwoch in Klagenfurt im Landesgericht saßen, entlastete er hingegen zur Gänze. "Die hatten alle keine Ahnung."

Er endete schließlich mit de Worten: "Passt, des is." Der Kommentar von Richterin Bandion-Ortner: "Das ist ja fast wie in einer Netflix-Serie." 

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