Niemanden "zu sehr foltern"
Es ging um hochkomplexe Firmenaufteilungen, Tipps, Exchange-Volumen, Key-Faktoren, Gewinne, Geschäftspartner, Prozentanteile.
Viele Worthülsen, die wenig Aufklärung brachten. Auch wenn der Hauptangeklagte eingangs betonte: "Ich werde versuchen, das Ganze nicht zu übertreiben und die wichtigsten Bereiche wiederzugeben und niemanden zu sehr zu foltern."
Er will übrigens per Dezember 2020 aus dem Unternehmen ausgeschieden und dieses komplett verlassen haben.
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Nachgereicht wurden auch noch fehlende Infos von Prozesstag 1 zu seiner Anstellung. Hauptsitz der Gesellschaft sei demnach in Dubai. London und Capetown galten als Nebensitze. "Dadurch, dass ich Remote arbeite, gehe nicht jeden Tag ins Office und habe es vergessen. Das war wohl ein Blackout."
Verwirrende Inselstaaten
Am Mittwoch meinte er noch: "Ich komme mit den Inselstaaten durcheinander."
Am Donnerstag dann dieser bezeichnende Satz gegenüber Richterin Bandion-Ortner: "Sie wissen ja, wie kompliziert das mit Bankengeschäften ist."
"Jeder Idiot weiß, das führt vor Gericht"
Aber auch diese: "Ich kann nachvollziehen, warum das für Menschen und die Justiz wie Betrug aussieht. Es tut mir aufrichtig leid, für jeden einzelnen Investor, der noch immer auf seine Rückzahlung wartet. EXW war aber nie als Betrug geplant. Ich wäre nie so blöd gewesen, meinen Namen als Erstes hinzuschreiben, weil jeder Idiot weiß, das führt vor Gericht."
Kundenzufriedenheit wichtig
Der 26-Jährige erklärte einerseits die EXW-Onlineplattform: "Das wurde von mir entwickelt und koordiniert. Mir persönlich war dabei die Kundenzufriedenheit wichtig, und dass die Kunden gut betreut werden." Gefolgt von einer langen Erklärung von zentralen und dezentralen Lösungen für Exchange-Modelle. Hübsch ausgeschmückt mit Beispielen.
Villa in Dubai, Wohnung am Wörthersee
Andererseits führte er auch seine Immobilien an: Eine 500 Quadratmeter Wohnung in Dubai, eine Mietwohnung um 6.000 Euro in Wien, eine Villa in Thailand, eine Wohnung am Wörthersee. Im Alter von 22 - 23 Jahren.
100.000-Euro-Uhr bei Festnahme getragen
Zuletzt gefahrenes Auto: ein McLaren. Angeblich ausgeborgt von einem Freund in Luxemburg. Mit dem Luxus-Schlitten soll er nach Mondsee zu einer Unternehmer-Party gefahren sein. Dort wurde er verhaftet. Ebenso trug er bei der Festnahme eine 100.000-Euro-Uhr. Auch diese soll ihm ein Freund geborgt haben. "Weil man als erfolgreicher Geschäftsmann so vor Kunden auftreten muss", die Erklärung.
Detail am Rande: Steuern hat der 26-Jährige, dank rechtlicher Schlupflöcher und verschiedener Wohnsitze im Ausland, nie gezahlt.
Wer noch die bunten Youtube-Videos im Kopf hatte, die am Mittwoch bei Gericht von Veranstaltungen von EXW-Wallet und dem 26-Jährigen gezeigt wurden, fühlte sich bei der Aussage des Hauptangeklagten automatisch daran erinnert. Unterschied zwischen Video und Gerichtssaal: fehlende laute Musik und kein ausgestreckter Arm, mit ausgestreckten Finger des 26-Jährigen.
Sowie Aussagen, die bei den Veranstaltungen wohl wenig Applaus hervorgerufen hätten: "Dass nicht alle Kunden ihr Geld erhalten haben, ist logisch, sonst wären wir alle nicht da."
"Erwarten Sie nicht, dass wir bei Ihnen investieren"
Nach 79 Minuten Aussage dann die erste Zwischenfrage von Richterin Bandion-Ortner: "Wie lange werden sie noch ungefähr brauchen?" Antwort des Hauptangeklagten: "Maximal 15 Minuten." Richterin: "Aber erwarten Sie dann nicht, dass wir alle bei Ihnen investieren."
Die Viertelstunde wurde bei weitem überschritten, gefolgt von Tränen des Hauptangeklagten, der auch Morddrohungen erhalten haben will. Und deswegen Österreich Richtung Bali verlassen haben will.
Und folgender Erkenntnis: "Natürlich haben wir Geld ausgegeben, wir haben geglaubt, wir haben eine Goldgrube gefunden, man hätte in vielen Situationen anders handeln müssen."
Wo ist das Geld?
Die Frage bleibt: Wo ist das Geld? Die Antwort des Hauptangeklagten auf die Frage der Richterin erfolgte als Gegenfrage: "In Bezug auf welches Geld?" Laut seinen Informationen würden lediglich ein bis zwei Millionen Euro an Kunden zurückgezahlt werden müsse.
Ein wenig überspitzt
Aber was haben Sie vor EXW gemacht, wollte Richterin Bandion-Ortner wissen. "In Videos sagen sie ihren Kunden, sie haben eine Bank gegründet.", erklärte die Richterin. Der Angeklagte: „Das war unter Umständen ein wenig überspitzt“.
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Neben dem 26-Jährigen müssen sich sieben weitere Angeklagte (im Alter bis 48 Jahre) wegen gewerbsmäßig schweren Betrugs, Geldwäscherei, Ketten- oder Pyramidenspiel sowie krimineller Vereinigung verantworten. Alle bekannten sich beim Prozessauftakt am Mittwoch nicht schuldig.
Zwei weitere Haupttäter sind auf der Flucht. Ein weiterer kurz vor seiner Auslieferung aus Brasilien.
Noch ein Ermittlungsverfahren gegen Hauptangeklagten
Der Prozess ist mindestens bis Februar anberaumt. Zwei Verhandlungstage pro Woche gibt es, die Zeugen sollen ab 15. November zu Wort kommen. 150 sind geladen. Die Anklage umfasst 300 Seiten.
Übrigens: Gegen den Hauptangeklagten läuft noch ein weiteres Ermittlungsverfahren. Denn nach seinem Ausstieg bei EXW wurde er bei einer weiteren Firma tätig. Deren Hauptfokus: Online-Trading und Kryptowährung.
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