Knochenspürhund schlug bei früherem NS-Lager an
„Flintstone“ schlug mehrmals auf dem Grünanger genannten Areal im Süden von Graz an. Er ist aber kein gewöhnlicher Spürhund - „Flintstone“ ist ausgebildet, um menschliche Knochen zu entdecken, die bis zu 2,5 Meter tief in der Erde liegen. Und auch das Gelände, in dem der bayerische Archäologe Dietmar-H. Kroepel mit seinem Hund unterwegs war, ist in dem Zusammenhang bemerkwert: Mit bis zu 5.000 Menschen und 190 Baracken war dort ab 1941 eines der größten NS-Zwangsarbeiterlager auf Grazer Stadtgebiet.
Zweimal bereits war Kroepel auf Bestreben der „Gedenkinitiative Graz-Liebenau“ mit „Flintstone“ in Graz, zuletzt Ende Jänner. In seinem Gutachten hielt der Archäologe fest, dass zumindest sieben Fundstellen identifiziert wurden - auch unter einem Kindergarten, der zu Beginn der 1990er-Jahre auf dem Areal errichtet wurde. „Alle Spuren ließen sich auf eine Stelle zusammenführen, die menschliche Knochen, von Gebäude überbaut, zur Ursache haben“, bewertete Kroepel.
Die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um Opfer von NS-Kriegsverbrechen handelt, ist groß: Gleich nach Kriegsende ließ die britische Besatzungsmacht Leichen aus dem „Lager V“ exhumieren 34 wiesen Schusswunden im Kopf auf. Beim Kriegsverbrecherprozess gegen Lagerverantwortliche hielt der Vorsitzende Richter 1947 fest: „Es liegen noch welche unter der Erde.“ Tatsächlich wurden erst vor einem Jahr bei Grabungsarbeiten Teile eines menschlichen Schädels gefunden, ebenfalls mit Schusswunde: Der Verdacht, dass es sich bei dem Mann um ein „Opfer von Kriegsverbrechen handle, habe sich „erhärtet“, hieß es damals seitens der Stadt.
Rainer Possert bemüht sich seit Langem mit seiner „Gedenkinitiative Graz-Liebenau“, das über Jahrzehnte vergessene NS-Lager zurück ins Gedächtnis zu holen. „Wir würden vorschlagen, dass am Kindergarten ein Gedenkstein oder eine Gedenktafel angebracht werden soll“, regt Possert an.
Zudem sollte von jeder weiteren Verbauung des Geländes „bis zum Abschluss weiterer Untersuchungen Abstand genommen werden“. Ende des Monats hat die Initiative einen Gesprächstermin mit Verantwortlichen der Stadtregierung.
Bis in die 2000er-Jahre war das NS-Lager, das bald nach Kriegsende abgerissen und dessen Areal ab 1947 neu bebaut wurde, weitgehend vergessen. Erst als beim Bau eines weiteren Murkraftwerks ab 2017 Funde aus der NS-Zeit gemacht wurden, rückte es in das Blickfeld einer größeren Öffentlichkeit. Historiker arbeiteten seine Geschichte unter anderem in einer Ausstellung auf, eine Gedenktafel erinnert an diesen Teil des Holocaust: In dem Lager machten auch ungarische Juden auf ihrem Todesmarsch in Vernichtungslager Station. Der Bereich um den Grünanger wurde bereits vom Bundesdenkmalamt untersucht und als Bodenfundstätte eingestuft, dort darf aber weiter gebaut werden.
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