Fragwürdige Hintergründe: Große Nazi-Razzia war rechtswidrig

Fragwürdige Hintergründe: Große Nazi-Razzia war rechtswidrig
Hausdurchsuchung bei 32 Konzertbesuchern war am Höhepunkt der Identitären-Diskussion.

Mitten in die Debatte um die Identitären kündigten Innen- und Justizministerium im April einen großen Schlag gegen die rechtsextreme Szene an. Eigentlich sollten damals die beiden Ressortchefs Herbert Kickl und Josef Moser diesen "Erfolg" verkünden. Doch kurzfristig rückten "nur" die beiden Generalsekretäre Peter Goldgruber (Inneres) und Christian Pilnacek (Justiz) aus.

Doch nun stellt sich aber heraus: Die Razzia war rechtswidrig, das OLG Graz hob den Großteil der Hausdurchsuchungen mangels Anfangsverdacht auf. Ein angeblicher Justiz-Insider erhebt in einem Mail an den KURIER dazu schwere Vorwürfe gegen das Justizministerium (mehr dazu: siehe Update unten).

Razzia nach Neonazi-Konzert war rechtswidrig

Die Razzia gegen die Rechtsradikalen war jedenfalls am 9. April durchgeführt worden. Grund dafür war ein Konzert des rechten Sängers B. im Jänner 2018 in St. Barbara im Mürztal - also mehr als ein Jahr davor. Dieser Auftritt wurde offenbar vom zuständigen Landes-Verfassungsschutz (LVT) überwacht, allerdings wurde keine Straftat festgestellt, berichtet der Justiz-Insider. Dies soll in entsprechenden Berichten zumindest so festgehalten sein. Das bestätigt jedenfalls auch Helene Bader von der Kanzlei Freiberger & Partner, die drei Personen (zwei Besucher und den vermeintlichen Veranstalter) in der brisanten Causa vertritt.

Nach und nach wurden aber Personen- und Hausdurchsuchungen von der Staatsanwaltschaft beantragt und genehmigt. Gefunden wurde bei der Razzia gegen 32 Konzertbesucher wenig (ein paar Schlagstöcke, Messer und eine einschlägige Fahnen), es gab jedenfalls keine einzige Festnahme.

Fragwürdige Hintergründe: Große Nazi-Razzia war rechtswidrig

Gefunden wurden ein paar Dolche

In der Pressekonferenz durch die Generalsekretäre Pilnacek und Goldgruber wurde dann ein ganz anders Bild gezeichnet. Bei dem Konzert habe es Verstöße gegen das Verbotsgesetz gegeben, deshalb habe man zur Tat schreiten müssen. Auch wurde erklärt, dass man sehe wie schlagkräftig das Bundesamt für Verfassungsschutz trotz der Razzia sei und dass man etwas gegen den Rechtsextremismus im Land unternehme. Das BVT habe laut den damaligen Aussagen auch das Konzert überwacht.

"Bei dem Konzert wurde kein einziger Beschuldigter belastet", sagt Bader zum KURIER. Sogar der Konzerttermin sei gegenüber der Presse falsch genannt worden, dieses habe im Jänner stattgefunden und nicht im März 2018, wie es verkündet wurde. Sie habe für fünf Konzertbesucher Einspruch erhoben und dieser wurde nun vom OLG Graz bestätigt.

Update um 10.00 Uhr: Stellungnahme des OLG Graz

Das OLG Graz erklärt dazu gegenüber dem KURIER: "Bezugnehmend auf Ihre Anfrage kann ich Ihnen bestätigen, dass vom OLG Graz den Beschwerden Folge gegeben wurde, weil in Ansehung der Wohnungen der fünf Beschwerdeführer eine die Durchsuchung nach § 119 Abs 1 StPO rechtfertigende hinreichende Verdachtslage (nach § 3g VerbotsG) nicht gegeben war."

Update um 10.25 Uhr: Stellungnahme des Justizministeriums

Das Justizministerium hält fest, dass die von dem Justiz-Insider erhobenen Vorwürfe von angeblichen Weisungen in dieser Causa nicht stimme: "Zu Ihrer Anfrage kann ich Ihnen mitteilen, dass seitens des BMVRDJ KEINE Weisungen in dem von Ihnen angesprochenen Ermittlungsverfahren erteilt wurden", schreibt Ressortsprecherin Britta Tichy-Martin. Die Entscheidung des OLG liege dem Ministerium noch nicht vor, heißt es darin.

Jabloner äußerte Kritik an Kickl

Justizminister Jabloner

Verwiesen wird auch auf eine parlamentarische Anfragebeantwortung von Minister Jabloner an Alma Zadic vom 12. Juni - darin wird bestätigt, dass das LVT tatsächlich ermittelt hat bei dem Konzert und dort wird auch der richtige Konzerttermin genannt.  "Die mir unterstellten Organe bezogen und beziehen ihre Kenntnisse aus der Berichterstattung des Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (im Folgenden LVT) Steiermark", heißt es darin. Derzeit werde ein Verfahren gegen 93 Beschuldigte geführt, elf davon sind einschlägig vorbestraft.

Befasst mit den vier Berichten der Staatsanwaltschaft Leoben in dieser Causa war demnach Generalsekretär Pilnacek. Weisungen seien nicht erteilt worden, weil "diese nicht notwendig waren". Neu ist auch, dass es sich bei zwei Beschuldigten um Identitäre gehandelt haben soll.
 

Update um 11.30 Uhr: Stellungnahme des Innenministeriums

Im Innenressort heißt es, bezugnehmend auf die Frage, welche Rolle das in der Pressekonferenz genannte Bundesamt für Verfassungsschutz überhaupt inne hatte: "Die Aufgabe des BVT war vor allem, die Maßnahmen, die von der Justiz angeordnet wurden, unter Einbeziehung der LVT vorzubereiten und zu koordinieren. Mit dem Vollzug der Anordnungen waren österreichweit Bedienstete des BMI, sowie uniformierte Beamte der eingebundenen LPD befasst."

Update um 12.25 Uhr: Stellungnahme der Staatsanwaltschaft Leoben

Andreas Riedler, Sprecher der Staatsanwaltschaft erklärt, dass "keine Weisung aus dem Ministerium dem Akt beiliegt". Er betont, dass die Anordnungen zur Hausdurchsuchung vom Landesgericht genehmigt worden sind. Man hätte auch 15 Festnahmen durchführen wollen, allerdings seine auch diese vom OLG wegen mangelnden Tatverdachts abgelehnt worden.

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