Klimaschützer fordern transparente Evaluierung von Straßenbauprojekten

Die meisten Petitionen drehen sich um Verkehrsthemen - wie die höchst umstrittene Lobauautobahn
Greenpeace und Fridays for Future richten umfassenden Forderungskatalog an Ministerin Gewessler.

Die S1 samt dem höchst umstrittenen Lobautunnel, die S8 von Wien nach Bratislava oder die S18 im Rheintal - nur drei von insgesamt zehn geplanten Straßenbauprojekten der Asfinag, die aktuell auf Anweisung von Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) evaluiert werden.

Nach welchen Kriterien genau geprüft und entschieden wird, ist nicht bekannt - nur, dass die Ergebnisse der Evaluierung aller Projekte bis zum Herbst vorliegen sollen. Besser gesagt, der verbliebenen acht Projekte. Denn zwei Entscheidungen sind bereits Anfang August gefallen: Der Lückenschluss der Mühlviertler Schnellstraße S10 in Oberösterreich wird fertig gebaut, die Verlängerung der A3 im Burgenland von Eisenstadt bis zur ungarischen Grenze hingegen nicht weiterverfolgt.

Transparenz

Greenpeace und Fridays for Future pochen nun auf einen transparenten und wissenschaftlich fundierten Evaluierungsprozess. Die Überprüfung könne ein Wendepunkt in der heimischen Verkehrs- und Klimapolitik sein, sagt Jasmin Duregger, Klimaexpertin bei Greenpeace.

Denn: "Viele der geplanten Bauprojekte beruhen auf veralteten Annahmen und werden den Anforderungen unsere Zeit nicht mehr gerecht. Klimaschutz und Bodenverbrauch haben bei der damaligen Planung noch überhaupt keine Rolle gespielt. Ein untragbarer Missstand in Zeiten der eskalierenden Klima- und Umweltkrise.”

Klimaschützer fordern transparente Evaluierung von Straßenbauprojekten

Die Projekte im Überblick

Klimaschützer fordern transparente Evaluierung von Straßenbauprojekten

 10. S18 Bodensee-Schnellstraße

Die S18  soll die Rheintalautobahn mit den schweizerischen Autobahnen A1 und A13 verbinden. Sie wird seit den 1980er Jahren diskutiert, scheiterte aber bislang aufgrund diverser Beschwerdeverfahren und Änderungen der Rechtslage. Die Kosten werden  mit 1,3 bis  1,5 Milliarden Euro beziffert 

Klimaschützer fordern transparente Evaluierung von Straßenbauprojekten

 9. S36 Murtal-Schnellstraße

Bei dem zehn Kilometer langen Straßenstück handelt es sich 
um einen Lückenschluss. Die S36 
führt bereits 37 Kilometer von St. Michael bis Judenburg, danach ist sie unterbrochen, ehe sie ab St. Georgen fortgesetzt wird. Die Kosten betragen 370 Millionen Euro, Baubeginn wäre 2025

Klimaschützer fordern transparente Evaluierung von Straßenbauprojekten

8. S10 Mühlviertler Schnellstraße

Tschechien ist  2025 mit der Autobahn Prag-Budweis-Grenzübergang Wullowitz fertig. Auf der österreichischen Seite fehlt ein acht Kilometer kurzes Stück, dann wäre die Mühlviertler Schnellstraße S10 fertig. Die Gemeinde Rainbach leidet unter dem Transitverkehr, der mitten durch den Ort führt

Klimaschützer fordern transparente Evaluierung von Straßenbauprojekten

7. A4 Ostautobahn

Seit Mai 2019 wird  an der dritten Spur zwischen Fischamend in NÖ und Neusiedl/Gewerbepark im Burgenland gebaut. Zusätzlich werden Lärmschutzdämme und -wände errichtet. 138 Millionen Euro kostet der erste Bauabschnitt bis Bruck West, der Ende 2022 fertiggestellt sein soll
 
 

Klimaschützer fordern transparente Evaluierung von Straßenbauprojekten

6. A22 Donauufer-Autobahn

Die A22 soll zwischen der Anschlussstelle Stockerau Ost und dem Knoten Stockerau in beiden Richtungen auf drei Fahrspuren ausgebaut werden. Dazu kommen Verbreiterungen von  Auf- und Abfahrten und Fahrbahnsanierungen. Kosten: 88 Millionen Euro Bauzeit: 2023 bis 2025

Klimaschützer fordern transparente Evaluierung von Straßenbauprojekten

5. S1 Wiener Außenring-  Schnellstraße

Der Lückenschluss der Umfahrung Wien  zwischen Schwechat und Süßenbrunn enthält den umstrittenen acht Kilometer langen Lobautunnel unter dem Nationalpark Donauauen. Der Widerstand von Umweltschützern ist groß, diverse Verfahren laufen noch

Klimaschützer fordern transparente Evaluierung von Straßenbauprojekten

4. S8 Marchfeld-Schnellstraße

18.000 Anrainer sollen mit der S8  im Osten von Niederösterreich vom Verkehr entlastet werden, sie soll  die beiden Hauptstädte Wien und Bratislava miteinander verbinden. Allerdings ist das 310 Millionen Euro teure Projekt umstritten, die Trasse führt durch  das Brutgebiet des geschützten Vogels Triel

Klimaschützer fordern transparente Evaluierung von Straßenbauprojekten

3. S34 Traisental-Schnellstraße

Seit Jahrzehnten geplant, soll die neun Kilometer lange und 208 Millionen Euro teure Traisental-Schnellstraße von St. Pölten nach Wilhelmsburg nun verwirklicht werden. St. Pölten erhofft sich dadurch weniger Verkehr in der City, Gegner bezeichnen sie als „dumm und überflüssig“

Klimaschützer fordern transparente Evaluierung von Straßenbauprojekten

2. S31  Burgenland-Schnellstraße

Die S31  wird  zwischen  Mattersburg und Weppersdorf/St. Martin die Straße ausgebaut, um Frontalunfälle zu vermeiden. Die Arbeiten dauern bis 2025. In einer weiteren Etappe soll dann das 12 km lange Straßenstück bis  Oberpullendorf verbreitert  werden, die Verfahren laufen noch

Klimaschützer fordern transparente Evaluierung von Straßenbauprojekten

1. S4 Mattersburger Schnellstraße

Die  S4 im Burgenland verbindet die S31 bei Mattersburg mit der A2 bei Wiener Neustadt und ist eine wichtige Querverbindung in Ostösterreich. Der Sicherheitsausbau des 14,3 Kilometer langen Straßenstückes hätte 2022 beginnen sollen. Eine Bürgerinitiative fordert statt des Ausbaus Tempo 80 auf der S4

Um deutlich zu machen, wie sie sich die Kriterien für die Evaluierung vorstellen, haben die beiden Organisationen am Donnerstag einen sieben Punkte umfassenden Forderungskatalog vorgelegt. Dieser soll einen "fundierten Mindestmaßstab für eine realistische Einschätzung des Gefahrenpotentials der Projekte" garantieren.

Im Zentrum der Forderungen stehen die Erstellung einer umfassenden Klimabilanz für jedes Projekt, aktualisierte Verkehrsprognosen und die Minimierung der Bodenversiegelung auf Basis der klima- und umweltpolitischen Ziele und Verpflichtungen Österreichs.

Der Forderungskatalog

  • Umfassende Klimabilanz

Der Verkehrssektor ist der einzige in Österreich, dessen Treibhausgas-Emissionen seit den 1990er-Jahren gewachsen ist. Daher müsse jedes Projekt im Verkehrsbereich auf eine Reduktion der CO2-Emissionen ausgelegt werden. Für Straßenbauprojekte müssten sämtliche Treibhausgasquellen berechnet, bilanziert und offen gelegt werden - und zwar jeweils für 20 Jahre.

  • Aktualisierte Verkehrsprognosen

Viele derzeit geplante Bauvorhaben basieren auf Verkehrsprognosen, die vor einem Jahrzehnt oder sogar schon früher erstellt wurden, so dir Kritik. Es brauche daher für jedes Bauprojekt neue Prognosen (bis 2040), die den Anforderungen der heutigen Zeit hinsichtlich Klimaschutz gerecht werden.

  • Prüfung umweltfreundlicher Alternativen

Die im UVP-Recht vorgesehene Alternativenprüfung sei bisher nicht ordnungsgemaß erfolgt. Neue Schnellstraßen- und Autobahnprojekte dürften jedoch nur genehmigt werden, wenn es keine umweltfreundlichere Alternative gibt.

  • Minimierung der Bodenversiegelung

Alle Projekte müssten hinsichtlich ihres Flächenverbrauchs sowie ihrer Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Produktion neu bewertet werden.

  • Biodiversität

Neben Kennzahlen wie dem Flächen-, Boden- und dem Ressourcenverbrauch seien auch Indikatoren wie Biodiversität, Resilienz der Ökosysteme, Schutzgebiete, landschaftliche Elemente und Wechselwirkungen sowie Wasserbelange (Grundwasser) in der Evaluierung zu berücksichtigen.

  • Wasserschutz

Neue Projekte dürften nur genehmigt werden, wenn der Schutz des (Grund-)Wassers gesichert ist und es zu keiner Verschlechterung der (Grund-)Wassersituation führt.

  • Anforderungen an die Evaluierung

Neben den eigenen Experten aus den Ministerien müssten auch Spezialisten aus Einrichtungen wie dem Umweltbundesamt sowie externe Experten beigezogen werden. In jedem Fall sei die Unabhängigkeit der involvierten Personen von Politik, Parteien oder einschlägigen Unternehmen sicherzustellen. Die Ergebnisse der Evaluierung müssten vor der Veröffentlichung einen breit angelegten Stellungnahmeprozess mit angemessenen Zeiträumen durchlaufen, angelehnt an übliche Begutachtungsprozedere für Gesetze und Verordnungen.

Kommentare