"Klassenkampf": Warum es in Österreich kein Handyverbot an Schulen gibt
"Das Smartphone ist ein Teil des Lebens, für manche fast ein Körperteil geworden", erklärt der Schulpsychologe Josef Zollneritsch.
Schüler, die statt dem Unterricht zu folgen, Handyspiele spiele, mit Freunden chatten oder "Dr. Google" als virtuellen Schummelzettel verwenden, sind dementsprechend an vielen österreichischen Schulen die Norm und nicht die Ausnahme.
Spricht man mit Lehrern, beklagen diese die mangelnde Aufmerksamkeit ihrer Klassen. Von der Politik fühlen sie sich teilweise allein gelassen, denn die Smartphone-Nutzung ist in Österreich nicht einheitlich geregelt.
Anpassung der Hausordnung
Anders als in anderen Ländern, wie etwa in den Niederlanden, können die einzelnen Bildungseinrichtungen im Sinne der Schulautonomie selbst entscheiden. Doch auch wenn ein Verbot vom Lehrkörper gewünscht ist, braucht es dazu eine sogenannte "schulautonome Vereinbarung" und eine Anpassung der Hausordnung. Dazu notwendig ist die Zustimmung von Eltern und Schülern, woran derartige Regelungen in der Praxis oftmals scheitern.
Steiermark arbeitet an Verbot
Dabei wäre ein Verbot mit einigen Ausnahmen laut Schulpsychologen durchaus zum Vorteil der Kinder und Jugendlichen: "Das Smartphone ist eine Ablenkung, die gebündelte Aufmerksamkeit sollte aber eigentlich dem Unterricht gelten", so Zollneritsch, der in der steirischen Bildungsdirektion die Abteilung Schulpsychologie leitet. Die Steiermark ist derzeit das einzige Bundesland, das ein flächendeckendes Smartphone-Verbot diskutiert.
Aus psychologischer Sicht sei der Standpunkt klar: "In der Volksschule sollten die Handys jedenfalls weggesperrt werden. In der Unterstufe kann ein Einsatz für den Unterrichtsbedarf sinnvoll sein. Bei Oberstufenschüler kann man auf Eigenverantwortung setzen."
Auf Bundesebene hat man es bisher stets abgelehnt, sich in diesen Bereich einzumischen und darauf verwiesen, dass mit Schüler- und Elternvertretern eine passende Lösung gefunden werden soll. „Beim Umgang mit Handys an Schulen brauchen Schülerinnen und Schüler eine klare Linie, die alle an der Schule mittragen. Wir setzen hier auf Eigenverantwortung, das ist Schulautonomie", heißt aus dem Bildungsministerium auf Anfrage.
Jede Schule – das seien auch Lehrer, Eltern und Schüler und Schülerinnen – schaue sich an, was für sie die beste Lösung sei und wie sie den Umgang mit Mobiltelefonen regeln möchte. "Da gibt es bereits jetzt schon viele gute Ideen und wir sind davon überzeugt, dass vor Ort die besten und passendsten Lösungen gefunden werden", so eine Sprecherin aus dem Bildungsministerium.
Woran Verbote scheitern
Das häufigste Argument von Eltern dafür, dass ihre Sprösslinge stets Zugang zum Smartphone haben sollen, ist laut Lehrern die "Erreichbarkeit". Die Schüler argumentieren, dass sie das Handy für den Unterricht brauchen, etwa um zu recherchieren.
Laut Zollneritsch gibt es trotz dieser Einwände einige Schulen, die ein Verbot umgesetzt haben. Ein Schritt, den der Psychologe grundsätzlich unterstützt. "Wir beobachten, dass Kinder ab acht Jahren bereits ein Smartphone bekommen - oft mit freiem Internetzugang. In dem Alter sind damit aber in aller Regel überfordert." Das mittlerweile verpflichtende Schulfach "Digitale Grundbildung" sowie die spielerische Vermittlung von Medienkompetenz sollen hier Abhilfe schaffen.
Dieser Schritt zu mehr Eigenverantwortung könnte auch damit zusammenhängen, dass ein Verbot nicht immer einfach umzusetzen ist, sind sich Bildungsexperten einig. So würden gerade ältere Schüler gerne alte Handys am Klasseneingang abgeben und ihre eigentlich Geräte dann in Taschen in den Unterricht "schmuggeln".
Psychologe Zollneritsch hat Verständnis, denn Smartphones würden speziell für Jugendliche soziale Teilhabe ermöglichen und damit ein wertvolles Gut sein. Gleichzeitig erfordern Handys aber auch einen verantwortungsvollen Umgang. Anders als in anderen Ländern wird diese Verantwortung derzeit in Österreich von der Politik an die Schulen abgegeben.
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