Kinderehe: Viele "U-Boote", bei denen nicht bekannt ist, dass sie verheiratet sind

Die Initiative „Mutternacht“ rückt die große Problematik von Kinderehen in den Fokus.

Nojoud Ali konnte im Alter von zehn Jahren ihre Scheidung von ihrem um 22 Jahre älteren Mann durchsetzen – ihr Schicksal ging um die Welt. Zu erzählen gäbe es viele derartige Geschichten: 700 Millionen Mädchen weltweit wurden vor ihrem 18. Lebensjahr verheiratet und müssen mit den Folgen leben: frühe Schwangerschaften, Komplikationen bei der Geburt, kein Zugang zu Bildung. Jährlich kommen 15 Millionen Mädchen hinzu. Das Problem mag weit entfernt scheinen – spielt es sich doch vor allem in Ländern wie Niger, Tschad, Sudan ab. Die Initiative "Mutternacht" bringt es nun näher – denn die Flüchtlingsbewegung habe viel verändert, sagt Monika Pinterits von der Kinder- und Jugendanwaltschaft Wien. Es gibt in Österreich Fälle von Minderjährigen, die vor der Flucht in ihren Heimatländern zwangsverheiratet wurden – aus Armut oder in der Hoffnung, sie seien dann vor anderen Männern in Sicherheit.

"Brauchen Statistiken"

Pinterits ortet eine hohe Dunkelziffer in Österreich. Es gäbe viele "U-Boote", bei denen nicht bekannt sei, dass sie verheiratet sind. Daher brauche es "ordentliche Statistiken, mit denen wir etwas anfangen können". Wie man mit im Ausland geschlossenen Kinderehen umgeht, darüber "hat man sich in Österreich noch keine Gedanken gemacht". In Deutschland und Dänemark schuf man Gesetze, die eine Heirat erst ab 18 erlauben. Pinterits hält eine "individuelle Prüfung für sinnvoll" und plant, eine Arbeitsgruppe zu gründen, die sich mit Vorschlägen an die Politik wenden solle. "Es muss hingeschaut und in die Richtung sensibilisiert werden". Vor Ort versuche die Hilfsorganisation "Care", Kontakt zu Eltern und Brüdern aufzubauen, sagt Care-Genderexpertin Julia Alfandari. Eine universelle Methode, Zwangsehen zu verhindern, gibt es nicht – "es ist ein weltweites Problem."

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