Keine Gnade für Helden aus Graz

Keine Gnade für Helden aus Graz
Ein 32-jähriger Nigerianer muss heim, obwohl er alter Frau nach Überfall zu Hilfe eilte.

Der Versuch einer 94 Jahre alten Grazerin, die Abschiebung eines Nigerianers zu verhindern, ist gescheitert. Gabriel Olusola, 32, kehrt Anfang Dezember freiwillig in sein Heimatland zurück, ehe die Fremdenpolizei auf den Plan treten muss.

Die Grazerin war im Juni 2011 überfallen worden. Olusola beobachtete den Raub und half, den Täter dingfest zu machen. Das Opfer, Elisabeth Bauer, schrieb an Landeschef Franz Voves einen Bittbrief, er solle Gnade vor Recht walten lassen. Die Antwort: Das humanitäre Bleiberecht sei kein Gnadenakt und könne auch nicht als Belohnung für vorbildliches Verhalten gewährt werden. Er sei an Erlässe des Innenministeriums gebunden.

Die steirische „Plattform Bleiberecht“ sammelt Spenden für Olusola. Er werde mit einem Freund in seiner Heimat einen Holzverarbeitungsbetrieb gründen, sagt er. Auf Englisch, weil er nach vier Jahren in Graz noch immer nicht gut Deutsch spricht. Wolf Steinhuber von der Plattform bedauert
natürlich, dass Olusola gehen muss. Doch die Situation des jungen Mannes sei schon lange aussichtslos gewesen. „Ich hab’ ihm schon vor zwei Jahren gesagt, das wird nicht gut gehen und ihm vorgeschlagen, geh’ selbst, lass dich nicht abschieben, nimm die Rückkehrhilfe an und bau’ dir in Nigeria etwas auf.“

Bei Olusola greife die Bleiberechtsgesetzgebung zu kurz. „Es war schon damals klar, er wird keine Gnade vor den österreichischen Asylbehörden finden. Ich seh’ das auch ein.“ Das sogenannte Bleiberecht sei immer eine Frage der „persönlichen Bewertung. Welche Sozialkontakte hat jemand, ist er in Vereinen, wie sind die privaten Beziehungen“.

„Unsolidarisch“

Der KURIER befragte im Endspurt des Grazer Wahlkampfes die Spitzenkandidaten. Bürgermeister Siegfried Nagl hätte gerne ein Gremium mit Politikern, Kammern und NGOs, in dem über Einzelfälle entschieden wird. Martina Schröck, SPÖ, bedauert die „unsolidarische Entscheidung, die weit vom echten Leben weg ist“. Für Mario Eustacchio, FPÖ, ist das eine „rein juristische Geschichte“. Lisa Rücker von den Grünen hält den aktuellen Fall für „katastrophal. So macht man das Leben von jungen Leuten kaputt. Die Asylpolitik ist auf neue Beine zu stellen“. Elke Kahr, KPÖ sagt: „Ein trauriges Schicksal. Leider kein Einzelfall. Herr Olusola ist einer, der Zivilcourage zeigte.“

Das Land befindet sich tief in in der Asyl-Misere: Die zusätzlichen 150 Flüchtlinge sind laut Landeshauptmann Gerhard Dörfler (FPK) nicht bis Ende November unterzubringen. Nun droht auch noch eine Prozesslawine: Betreiber, die keine Asylwerber unterbringen dürfen, wählen den Gang zu Gericht.

Saualm-Betreiberin Herta Lechner – die „Sonderanstalt“ wurde Anfang Oktober geschlossen – kämpft um die Einhaltung ihres Vertrages mit dem Land (der KURIER berichtete), der ihr 1,77 Millionen Euro bis Mai 2014 zusichert. Und Hans-Jürgen Piwater (35) will ebenfalls den Klagsweg beschreiten. Nach heftigen Bürgerprotesten werden seinem eigens dafür erworbenen Objekt in St. Kanzian am Klopeiner See vom Land keine Flüchtlinge zugewiesen: „Ich hafte mit meinem Privathaus. Wenn das nicht hinhaut, ist alles weg.“

Das ehemalige „Waldhotel Eichenhof“ hat Piwater aus einer Konkursmasse gekauft und als Flüchtlingsquartier angeboten: „Im Oktober sollten die ersten Asylwerber einziehen.“

Mittlerweile sind Heizung, Kanal und Zimmer saniert, Piwaters Investitionen belaufen sich auf 220.000 Euro. Nach einer Bürgerversammlung vergangene Woche entschied Landeshauptmann Gerhard Dörfler (FPK), kein viertes Asylwerberheim in St. Kanzian zu installieren: „Es gab einen ausverhandelten, aber keinen unterschriebenen Vertrag.“

Piwater drohte dem Land mit Klage: „Ich habe noch vorgeschlagen, als Alternative Kinder und Jugendliche dort unterzubringen. Auch eine Ablöse für meine Investitionen wurde abgelehnt. Jetzt muss ich klagen.“

Auch in Ferlach werden doch keine Flüchtlinge in ein ehemaliges Altersheim in Unterloibl einziehen. Der Besitzer hat ebenfalls schon investiert. Eine Klage überlegt er sich noch: „Offiziell weiß ich noch nicht, dass es kein Asylwerberheim geben wird.“

Mit einem 35 Kilometer langen Fußmarsch wollen Flüchtlinge aus Traiskirchen auf ihre missliche Lage aufmerksam machen. Die Route führt von Traiskirchen bis zum Asylgerichtshof in Wien. Start ist am Samstag, um neun Uhr vor dem Lager. Um 18 Uhr findet im Votivpark der Abschlussevent statt. Zwischen 200 und 500 Teilnehmer werden erwartet. Unterstützt werden die Flüchtlinge von privaten Helfern, die die Presse-Arbeit übernommen haben. „Wir haben den Forderungskatalog, der aus dem Lager kam, nur übersetzt“, erzählt ein Unterstützer. Gefordert wird unter anderem ein Austausch von Dolmetschern, die „teilweise absichtlich falsch“ übersetzen würden; Winterkleidung; Arztbesuche; ein Abschiebe-Stopp, u. v. m.

Die Helfer betonen, dass es sich um eine „selbstorganisierte Aktion“ der Flüchtlinge handle. Organisationen wie die Caritas wurden nicht einbezogen. Neuangekommene Flüchtlinge könnten durch eine Teilnahme rechtliche Probleme bekommen. Sie dürfen den politischen Bezirk Baden nicht verlassen. Ob Neuangekommene mitmarschieren werden, war unklar.

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