Die Aufregung war groß, weit über Oberösterreich hinaus. Und in Oberösterreich? Jenem Land, in dem eine Galionsfigur der Rechten regelmäßig bei „Spaziergängen“ etwa in Steyr mitgegangen ist und das seit Jahren die Statistiken bei rechtsextremen Straftaten und Schändungen von Gedenkstätten anführt?
Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) hat umgehend einen Landessicherheitsgipfel einberufen, der als Ergebnis die Präsentation des überarbeiteten Aktionsplans gegen Extremismus brachte. Mit 61 neuen Maßnahmen, die Stelzer als wichtigen Beitrag im Kampf gegen Rechtsextremismus propagierte.
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Der Aktionsplan ist an sich ein grundvernünftiges und wichtiges Werk mit vielen guten „alten“ Maßnahmen und einigen guten „neuen“. Und er stellt auch keineswegs die Gefahren in Abrede, die vom Rechtsextremismus ausgehen. Auch werden einzelne rechte Schwerpunkte in Oberösterreich explizit angeführt, wie das „Kastell Aurora“ in Steyregg, die „Spaziergänge“ in Steyr oder die Identitäre Bewegung, die vor allem im Bezirk Vöcklabruck auffallend aktiv sei.
Details aus dem Plan
Bei einer genauen Analyse der Maßnahmen bleibt: Der Schnellschuss des Landessicherheitsrates ist eine Mogelpackung. Denn der Großteil der 61 Maßnahmen hat mit der Bekämpfung von Rechtsextremismus und einem aktiven politischen Bekenntnis, alles dagegen zu unternehmen, wenig zu tun. Bespiele? Forschung zu Salafismus und Prekariat, Lehrveranstaltungen zu Afghanistan, Syrien, Islam, Antigewalt-Training von Migranten und Gewaltprävention bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, Deutsch als gemeinsame Sprache, Besuch von Asylwerbenden in KZ-Gedenkstätten.
Was fehlt, ist das eindeutige politische Signal an die rechtsextreme Szene, aber auch an die zum Teil schweigend duldende Gesellschaft.
In der vorliegenden Form sind die rasch präsentierten Maßnahmen letztlich nur ein politischer Schachzug, ohne echte substanzielle Verbesserungen im Kampf gegen Rechtsextremismus anzubieten, auch fehlt der Blick auf den aktuellen Fall. Ein ausschließlich diesem Thema gewidmetes gemeinsames Bekenntnis des Landessicherheitsrates und des Landtages sind ausgeblieben.
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Auch im Landtag wurde diese Chance vertan. Da kam das Thema nur zur Sprache, weil Grüne und SPÖ mit einem Initiativantrag einige Eckpunkte mehr in das Paket hineinreklamieren wollten. Ohne Erfolg. Die Debatte zeigte, dass sich Teile des Landtags des Problems nicht so richtig bewusst sind.
Oder es lieber umdeuten, wie der Freiheitliche Sicherheitssprecher Michael Gruber. Er will „ohne Auswertung aller sichergestellten Datenträger nichts konstruieren“, redet dann aber mit der Sicherheit der eigenen Überzeugung von einem Bandenkrieg, bei dem es nur um verschiedene Geschäftsfelder geht. Sprich: Die Bandidos seien „normale“ Kriminelle, die bekannte Verbindung zum verbotenen rechtsextremistischen Verein Objekt 21 wird negiert.
Joachim Aigner (MFG) geht inhaltlich mit und sagt, die Aktion sei weniger ein Schlag gegen die rechte Szene als gegen Waffenhandel gewesen. Wobei seine Fraktion dem Antrag dann zugestimmt hat.
Nicht aber die ÖVP. Wolfgang Stanek wies nur den Vorwurf zurück, „dass im Bereich der Extremismusbekämpfung nichts gemacht wird“. Er räumte zwar ein, dass es eine „rechtsextreme Gewaltbereitschaft in dieser Gruppe“ gebe, stellte aber klar: Am effektivsten seien eine erfolgreiche Polizei (wie im aktuellen Fall) und ein erfolgreich agierender Verfassungsschutz.
Auffälliges Verständnis
Jener Verfassungsschutz, dessen Chef der SPÖ-Mandatar Erich Wahl im Landtag aus dem Unterausschuss Extremismus mit den Worten zitiert hat, in Oberösterreich gebe es seine Meinung nach „kein strukturelles Problem im Rechtsextremismus“? Da dürfen Zweifel aufkommen, ob überall in der oö Exekutive Rechtsextremismus als diese Bedrohung angesehen wird, die er tatsächlich ist.
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Das ist auch den Forschern hinter der Kunstfigur Horst Schlager aufgefallen: „Wir haben gemerkt, dass es sehr wenig bringt, Screenshots von Postings der Polizei zu schicken.“ Da sei man auf „auffälliges Verständnis“ für die gemeldeten (rechtsextremen) Inhalte gestoßen.
Aber zurück zu den neuen Maßnahmen. Diese werden am Montag in der Landesregierung präsentiert. Da gibt es die letzte Chance, entsprechend nachzubessern.
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