Kein "Lalala“ vorm Christbaum: Das Büro für Weihnachtslieder

Ohne den Weihnachtsklassiker geht überhaupt nichts: Den Text von „Stille Nacht, heilige Nacht“ hat das Weihnachtsliederbüro auch in gut 300 Übersetzungen parat.
In der Hochphase der Corona-Pandemie war kein Platz für Massenveranstaltungen. Das Brauchtum wurde deshalb in den vergangenen zwei Wintern in die Zwangspause geschickt oder konnte nur unter Auflagen stattfinden. Jetzt erstehen uralte Traditionen wieder auf. Der KURIER widmet diesem Comeback eine Serie, die in loser Folge Folklore von Wien bis Vorarlberg vorstellt.
- Geschichte: Wie das Brauchtum zu neuem Leben erwacht
- Tradition: Am ersten Adventsonntag geht es um die (Brat)Wurst
- Porträt: Zwischen Tradition und Moderne: Eine Hex’ zaubert Krampusse
- Kurs: Wenn der Nikolaus die Schulbank drückt
- Krippentradition: Große Bühne für die Weihnachtsgeschichte
Eine Frage hört Eva Maria Hois immer wieder: Ihr persönliches Weihnachtslieblingslied ist ...? Die Musikwissenschafterin lächelt und nennt gleich zwei: O liebstes Jesulein und Maria durch ein Dornwald ging. Aber was heißt nennen: Wer Hois darum bittet, dem singt sie die Lieder auch gerne vor.
Heftchen zum Weiterblättern
Seit 1991 bieten Hois und ihr Team mit dem „Büro für Weihnachtslieder“ in Graz gesangliche Akuthilfe an, also lange bevor jedermann Handys zum Googeln in der Tasche hatte. Schmale Heftchen mit rund ein Dutzend der gängigsten Weihnachtslieder liegen vor Ort auf, von Alle Jahre wieder über O Tannenbaum bis Stille Nacht, heilige Nacht natürlich, diesen Weihnachtsklassiker besitzt man auch in Übersetzungen in mehr als 300 Sprachen.

Das „Büro für Weihnachtslieder“ in Graz öffnete vor 31 Jahren: Das
Team singt vor Ort und hilft Anrufern sogar mit Gesang am Telefon weiter.
Freilich könne man am Mobiltelefon nach Texten und Noten surfen, überlegt Hois. „Aber ich finde es stimmiger, wenn man ein Heft in der Hand hat und kein Handy. Außerdem kann man da nicht weiterblättern und einfach noch ein Lied probieren.“ In den 31 Jahren seines Bestehens habe das Büro wohl mehr als eine halbe Million dieser Liederhefte drucken lassen, schätzt Hois, sie werden gegen eine freiwillige Spende abgegeben.
Information: von 19.12. bis zum 22. 12. (9.30 bis 18 Uhr)
0316/908 635 53, www.steirisches-volksliedwerk.at
Singen statt zählen
Wie viele Texte und Noten in ihrem Archiv liegen, kann die Musikwissenschafterin ebenfalls nur schätzen. „Mehrere Tausend. Wir singen die Lieder lieber, statt sie zu zählen.“ Zusammen mit Bildern oder Literatur finden sich in der Datenbank aller Volksliedwerke der Bundesländer (das Weihnachtsliederbüro ist ein Teil des steirischen Volksliedwerks) aber rund 600.000 Einträge.

Das Archiv umfasst mehrere Tausend Lieder. Was dennoch nicht aufliegt, versuchen die Experten zu finden.
Stille Nacht abgefragt, gibt dann gleich einmal fast 800 Treffer: Das System zählt alles mit, in dem die Textzeile enthalten ist – und die kommt bei Weitem nicht nur in Joseph Mohrs bekanntem Text vor. Während man dagegen Kling, Glöckchen, klingelingeling locker auch im Internet mit Text, Noten oder als Karaoke-Version findet, braucht es bei so manch anderen Liedern dann doch die Hilfe der Experten: „Sie finden nicht alles im Netz“, betont Hois und schaut nach, wonach Besucher jüngst gefragt haben: Welch ein Jubelton! von Franz Xaver Gruber etwa, der ja auch die Melodie von Stille Nacht, heilige Nacht komponierte.
Büro für Weihnachtslieder
Erinnerungen
Solche Spezialanfragen hielten sich mit jenen nach bekannten Liedern die Waage, erzählt Hois. „Wir haben zwei Arten von Anfragen Hefte für gängige Lieder zum gemeinsamen Singen. Und Menschen, die gezielt nach etwas suchen, zum Beispiel mehrstimmige Lieder oder Erinnerungen an etwas, das sie aus der Kindheit von den Großeltern gehört haben.“ Gerade zu Weihnachten steige das Bedürfnis, nicht nur Musik zuzuhören, sondern selbst zu singen, ist die Expertin überzeugt. „Ab einem gewissen Alter sehnt man sich nach dem Wert dieser Dinge, die will man weitergeben.“

Eva Maria Hois, Musikwissenschafterin.
Den Wunsch, doch selbst zu singen, sehe sie auch bei Menschen, die das sonst das ganze Jahr über nicht praktizieren, betont Hois. Wer nicht spätestens ab der zweiten Strophe alle Jahre wieder „Lalala“ vor dem Christbaum trällern will, kann noch anrufen oder vorbeischauen und um Hilfe bitten. „Singen Sie doch gleich mit!“, muntert Hois dann gerne auf.
Büro für Weihnachtslieder 2
„Singen ist ja nicht nur Balsam für die Seele, sondern Klebstoff zwischen den Generationen“, bewertet Oliver Haditsch, Unternehmer und A-cappella-Sänger. Deshalb entwickelte der Steirer vor ein paar Jahren eine App für Smartphones oder Tablets, die alle Stückerln spielt: Sie präsentiert Lieder mit Text und Notenbegleitung, aber der Benützer kann auch mitsingen und das Ganze aufnehmen – und damit seine eigenen Weihnachtsgrüße aufpeppen.
Das klappt sogar mehrstimmig: Wer nicht alleine zur Musik singen mag, kann sich einen oder zwei Mitsänger auswählen, dazu gibt es Begleitung auf einer Gitarre. „Christklang“ verfügt über ein Repertoire von 27 Weihnachtsliedern und zehn Instrumentalstücken, außerdem kann man sich das Weihnachtsevangelium nach Lukas und die Weihnachtsgeschichte von Peter Rosegger vortragen lassen.
Eine Idee, die heuer auch in Senioren- und Pflegeheimen Anklang fand: Haditsch war dort mit der App unterwegs, um den Pflegekräften das gemeinsame Singen mit den Bewohnern leichter zu machen.
Info: „Christklang“, zwei Lieder gratis, volle Nutzung einmalig 7,99 Euro

Oliver Haditsch entwickelte eine App zum Mitsingen: Die Lieder kann man auch aufnehmen und versenden.
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