Karl Mahrer mit 94 Prozent zum neuen Wiener ÖVP-Chef gewählt

Was haben die verängstigte Frau Trude aus Favoriten, eine integrationsunwillige Familie aus Somalia und Asterix gemeinsam? Sie alle waren – unfreiwillige – Protagonisten in der Rede von Karl Mahrer, der sich am Freitag von rund 1.500 Delegierten und Gästen beim türkisen Landesparteitag zum Chef der Wiener ÖVP wählen ließ.
Karl Mahrer
Der 67-jährige Karl Mahrer startet nach seiner Karriere als Polizist – er schaffte es bis zum Vize-Chef der Wiener Polizei – politisch durch. Er war zuletzt Nationalratsabgeordneter, wurde als Innenminister gehandelt – und übernahm Ende des Vorjahres die Wiener ÖVP und wurde nicht amtsführender Stadtrat in Wien
Der Spagat, den Mahrer und sein Team zu bewältigen hatten: Man wollte die „Öffnung“ der ÖVP und ihre Abkehr von der türkisen Ära promoten, ohne den anwesenden Ex-Parteichef Gernot Blümel zu düpieren – und sich moderner und urbaner positionieren, zugleich aber Botschaften an die Kernwähler senden. Beides gelang mit unterschiedlichem Erfolg.
Gleich zu Beginn des Landesparteitags ging es jedenfalls hitzig zu – allerdings nicht, weil gestritten wurde, sondern weil in der Eishalle in der Donaustadt die Klimaanlage ausgefallen war. Die gefühlte Temperatur passte sich an den Parteitag an: Es war der 37. Pünktlich beginnen konnte man auch nicht, weil Teile der Führungsspitze noch im Stau steckten. (Die U-Bahn ist nicht unbedingt weit entfernt, aber es war ja auch nicht der Grünen-Parteitag).
Der erste Star des Nachmittags war dann noch nicht Karl Mahrer – sondern Blümel, dem gleich mehrmals Lobpreisungen und Standing Ovations zuteilwurden.

Bundeskanzler Karl Nehammer, der den Einpeitscher für Mahrer gab, erzählte gar aus persönlichen Chats mit Blümel. (Freundschaftlicher Natur – nicht solcher, die die WKStA beschäftigen.) Auch für Mahrer fand Nehammer, den man als „Mr. 100 Prozent“ anmoderierte, lobende Worte. Etwa für das Verhandlungsgeschick, das Mahrer im Bund bei den Koalitionsverhandlungen mit den Grünen unter Beweis gestellt habe.
Nur ein einziges Mal sei Mahrer sprachlos gewesen, verriet Nehammer. Nämlich, als die grüne Verhandlerin (und damalige Wiener Vizebürgermeisterin) Birgit Hebein die „Entpolizeilichung der Polizei“ ins Koalitionspapier schreiben wollte. Die erhofften Lacher der Funktionäre blieben nicht aus.
Karl Mahrer, ein umgänglicher Menschenfreund, mit dem „jeder gut kann“ – dieses Bild sollte an dem Nachmittag noch öfter bemüht werden. (Vielleicht etwas zu oft.)

Danach gehörte die Bühne ganz Mahrer, der zu den Klängen von „Wiener Blut“ auftrat, die Liebe zu seiner Frau („I hob di liab“) und zur Partei bekundete – und die Linie der (teilweise) neuen Stadttürkisen vorgab: Man wolle „viel näher zu den Menschen“, sagte er. „Die ÖVP soll die Grätzelpartei Wiens sein“. Schaffen will man das einerseits damit, dass jedem der 248 türkisen Bezirksräte ein konkretes Grätzel zugeteilt wird. „Jeder Bewohner soll seinen Grätzelansprechpartner kennen“, so Mahrer.
Außerdem soll ein Bürgerforum eingerichtet werden – hier soll jeder, laut Mahrer unabhängig von der Parteizugehörigkeit, seine Ideen einbringen und mit berühmten Persönlichkeiten diskutieren können. Mit dabei sein soll unter anderem der frühere Bundeskanzler Wolfgang Schüssel.
Kernthema Sicherheit
Das vielleicht wichtigste Thema in Mahrers Rede: die Sicherheit. Da fühlt sich der Ex-Polizist wohl, das merkte man. Die wohlvorbereiteten Anekdoten wirkten dennoch etwas klischeehaft: Er verglich die städtische Bürokratie mit jener der alten Römer, an der schon Asterix verzweifelte (echte Fans wissen Bescheid).
Er bemühte Frau Trude, die sich nicht mehr zu Hause fühle und sich abends nicht mehr aus dem Haus traue. Und er erzählte den Fall einer somalischen Familie, die auch nach Jahren noch kein Wort Deutsch spreche, weil sie in einer „Parallelgesellschaft“ lebe.
Spätestens jetzt kam der Verdacht auf, dass den dreien noch etwas gemein ist. Etwa, dass sie erfunden sind. Letzte Botschaft vor der Wahl: Die ÖVP solle wieder mitgestalten in Wien, so Mahrer. Eine klare Koalitionsansage in Richtung SPÖ. Den meisten Delegierten gefiel es: Karl Mahrer wurde mit 94,21 Prozent gewählt.
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