Mordfall Jennifer Scharinger: "Er konnte Druck nicht mehr standhalten"

Gedenkmesse Jennifer Scharinger
32-jähriger Verdächtiger sitzt in der Justizanstalt Josefstadt. Obduktion, Handyauswertungen und psychiatrisches Gutachten angeordnet.

"Der Beschuldigte konnte dem Druck nicht mehr standhalten“, erklärt Nina Bussek von der Staatsanwaltschaft Wien. Der Tatverdächtige im Mordfall Jennifer Scharinger wartet seit Dienstag in der Justizanstalt Josefstadt auf die Verhängung der Untersuchungshaft.

Der 32-Jährige hat fast acht Jahre nach dem Verschwinden der 21-jährigen Niederösterreicherin aus ihrer Wohnung in Wien-Brigittenau die Mordermittler des Landeskriminalamtes Wien zur Leiche der jungen Frau geführt. Der Beschuldigte, der nun von Rechtsanwältin Astrid Wagner vertreten wird, hat vor den Kriminalisten zugegeben, die junge Frau im Jänner 2018 im Zuge eines Streits in ihrer Wohnung "von hinten erwürgt“ zu haben.

Toxische Beziehung

"Sie wollte endgültig mit ihm Schluss machen“, erklärt Chefinspektor Helmut Lehner vom Landeskriminalamt Wien. Dies war ihr Todesurteil.

Wie der Verdächtige gestand, brachte er die entkleidete Leiche in einem Koffer nach Großweikersdorf im Bezirk Tulln und versteckte sie unter Ästen in einem Grünschutzgürtel. Schon damals war die Polizei knapp daran, dem Täter auf die Schliche zu kommen.

In der Nähe der Ablagestelle fanden bereits kurz nach dem Verschwinden von Jennifer umfangreiche Sucheinsätze des LKA statt. Auf die Örtlichkeit waren die Ermittler durch die Standortdaten vom Mobiltelefon des Verdächtigen gekommen. Diese hatte er in besagter Nacht aber für 47 Minuten deaktiviert.

Suche nach der Leiche von Jennifer Scharinger

Suche nach der Leiche von Jennifer Scharinger

Leiche nach Allentsteig gebracht

Als er bemerkte, dass die Fahnder in der Umgebung bereits nach der Frau suchten, holte er die Tote im März 2018 aus dem Dickicht und brachte sie in das militärische Sperrgebiet am Truppenübungsplatz Allentsteig im Waldviertel.

Dieser Umstand hat vermutlich dazu geführt, dass die sterblichen Überreste all die Jahre unentdeckt geblieben sind. Spaziergänger meiden das Sperrgebiet, in dem vom Bundesheer scharf geschossen wird, für gewöhnlich.

Obduktion und Datenforensik

Es liegt nun an den Ermittlern, der Staatsanwaltschaft und Forensikern, weitere Fakten für die Mordanklage zu sammeln. "Einerseits wird eine Obduktion durchgeführt und ein Sachverständigengutachten zur Zurechnungsfähigkeit und Gefährlichkeit des Beschuldigten eingeholt. Auch die Auswertung der beschlagnahmten Mobiltelefone ist bis dato nicht abgeschlossen“, erklärt Bussek.

PK LPD WIEN: VERMISSTENFALL AUS DEM JAHR 2018 GEKLÄRT - TÄTER FESTGENOMMEN: BUSSEK/WINKLER/FISCHER/LEHNER

Staatsanwältin Nina Bussek, Oberst Gerhard Winkler (LKA Wien), Leiter der Abteilung Leib & Leben Helmut Fischer (LKA) und Gruppenleiter Wolfgang Lehner (LKA)

Jennifers Skelett lag acht Jahre lang im Wald und war allen äußeren Einflüssen ausgesetzt. Es gilt als eher unwahrscheinlich, dass nach so langer Zeit noch eine gesicherte Todesursache festgestellt werden kann. 

Gewalt gegen Partnerinnen

Der 32-Jährige war seit Jahren wegen Gewalt gegenüber seinen Partnerinnen polizeilich bekannt. Eine verdächtige Sprachnachricht über den "perfekten Mord“ hatte im heurigen Frühjahr zu neuen Ermittlungen geführt. Im März hatten die Ermittler des LKA Wien die verräterische Sprachnachricht zugespielt bekommen, in der der 32-Jährige "detailliert schilderte“, wie er eine Leiche entsorgen würde, ohne dass sie jemals gefunden wird, so Wolfgang Fischer vom Landeskriminalamt Wien.

Telefonüberwachung angeordnet

Danach habe sich die Schlinge immer enger zugezogen. Es wurde unter anderem eine Telefonüberwachung angeordnet und Ex-Partnerinnen des Mannes erneut einvernommen. Dabei zeigte sich - wie schon nach dem Verschwinden der 21-Jährigen im Jänner 2018 - "immer das gleiche Bild“, so die Fahnder.

Die Beziehungen endeten meist im Streit, teilweise mit gewaltvollen Übergriffen und in weiterer Folge mit Drohungen und auch Stalking. Im Jahr 2019 wurde der heute 32-Jährige nach einem Vorfall sogar in die Psychiatrie eingewiesen.

Betretungsverbot

Am 1. Dezember attackierte er an der Wohnadresse in Niederösterreich seine aktuelle Freundin, die Polizei sprach ein Betretungs- und Annäherungsverbot aus. Als er am darauffolgenden Tag unabhängig davon als Mordverdächtiger im Fall Jennifer Scharinger erneut einvernommen wurde, hätte er beinahe gestanden, meinen die Kriminalisten. Es dauerte aber noch einige Tage bis zum Sonntag, als sich der 32-Jährige nach telefonischer Voranmeldung bei der Polizeiinspektion Waidhofen an der Thaya stellte.

Rechtsanwalt Andreas Schweitzer vertritt die Familie von Jennifer Scharinger

Rechtsanwalt Andreas Schweitzer vertritt die Familie von Jennifer Scharinger

Mutter hat nie aufgegeben

Dem 32-Jährigen drohen im Falle einer Verurteilung bis zu 20 Jahre oder lebenslange Haft. Wie der Anwalt von Jennifers Familie, Andreas Schweitzer erklärt, hat besonders die Mutter niemals aufgegeben und durch ihren unermüdlichen Einsatz, ihr Kind zu finden, den Täter enorm unter Druck gesetzt.

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