440 Euro für "Auftritt" bei Jedermann: Beschwerde gegen Strafe
Bei der Jedermann-Premiere am 22. Juli des Vorjahres waren heftige Gewitter in Salzburg im Anmarsch, die Aufführung wurde deshalb ins Festspielhaus verlegt. Die Beschwerdeverhandlung zu den Störungen der Letzten Generation fand auch indoor statt. Nicht nur, weil der Salzburger Schnürlregen die Stadt am Dienstag fest im Griff hatte.
Im Festspielhaus haben drei junge Menschen eine Störaktion gesetzt, ein Donnerwetter wurde es nicht. Diese hat ihnen aber eine empfindliche Strafe eingebracht. 440 Euro hat die Landespolizeidirektion Salzburg verhängt. Dagegen haben die drei Beschwerde eingelegt.
Im Landesverwaltungsgericht nehmen drei junge Menschen Platz. Erika Gödl ist 22, ist Studentin und lebt in Graz. Bernhard Kogler-Sobl ist auch bei der Premiere im Festpielhaus neben ihr gesessen. Er ist Lehrer, 34, lebt in Lieboch, ist verheiratet und hat zwei Kinder. Der dritte im Bunde war Stefan Kogler-Sobl, 26 Jahre alt, Sozialpädagoge und lebt in Graz.
Sie haben sich Karten für die Jedermann-Premiere besorgt. Um auf die Klimakatastrophe aufmerksam zu machen. "Das passende Stück, die richtigen Adressaten", ist Bernhard Kogler-Sobl immer noch überzeugt. Überzeugt, dass die Störaktion bei der Premiere richtig und notwendig war. Die Medienberichte waren "überwältigend, wir hatten weltweit Berichte".
"Nicht weitermachen wie bisher"
"Dieser Jedermann steht für alle mit Privilegien ausgestatteten Menschen. Er steht für uns. Wir dürfen nicht einfach weitermachen wie bisher." Nein, das sagen nicht die Aktivisten der Letzten Generation. Das sagt Regisseur Michael Sturminger im Programmheft über seine Inszenierung, in der der Klimaprotest sogar eine Rolle spielte.
„Das vereinbarte Signal war der Kuss zwischen Jedermann und der Buhlschaft, da sind wir Richtung Bühne aufgestanden.“ Bernhard Kogler-Sobl berichtet der Richterin in klaren Worten vom Prozess. Ihn hätten „mehr als zwei Sicherheitsorgane“ rasch gestoppt und aus dem Festspielhaus gebracht. Bei seinen anderen Auftritten als Schauspieler hat er meist mehr Bühnenzeit.
Neben ihm ist Erika Gödl im Publikum gesessen. Auch ihr Auftritt war kurz: „Wir haben Karten besorgt, um dort unsere Meinung zu sagen. Wir wollten das von der Bühne machen, weil es da wesentlich wirksamer gewesen wäre.“
"Hört auf den Klimarat!"
Die Richterin lässt sich auf einem Plan des Festspielhauses aufzeichnen, wo Gödl gesessen ist und wie sie auf die Bühne gehen wollte. „Dabei hat mich ein Security gestoppt und am Ellbogen gepackt und zum Ausgang gebracht." Da habe Gödl dann gerufen: „Hört auf den Klimarat, wir alle sind die Letzte Generation vor den Kipppunkten, hören Sie auf den Klimarat!“
Nach etwa zehn Sekunden sei sie aus dem Raum gebracht gewesen: „Das letzte Wort habe ich gerufen, als ich schon draußen war.“
Für die 22-Jährige war es die erste Aktion für die Letzte Generation: „Ich habe nur diese drei Sätze geäußert, schon lautstark, damit sie verstanden werden.“ Gebrüllt habe sie nicht.
Der Dritte im Bunde hat in einem anderen Bereich Karten gekauft. "Mir ist dieser Mann schon von Anfang an aufgefallen", sagt ein Polizist als Zeuge im Beschwerdeverfahren aus. Er war in Zivil bei der Premiere im Einsatz: „Wir hatten das Gefühl, dass da etwas passieren könnte. Wir waren ziemlich sicher, dass er einen Aktionismus geplant hat.“
Deshalb seien auch gleich mehr Sicherheitskräfte in dem Bereich positioniert worden: „Als er aufgestanden ist, waren wir schon vor Ort.“ Plötzlich habe der Mann zu schreien begonnen, die Polizisten seien „mit ihm zu Sturz gekommen“.
Maximal zwei Minuten habe es gedauert, bis der junge Mann von der Polizei aus dem Saal gebracht werden konnte. Stefan Kogler-Sobl hat in Erinnerung, dass er zu Boden gerissen worden sei. "Wir sind gemeinsam gestolpert", behauptet der Polizist. Niedergerissen habe man ihn nicht: „Wir wollten ihn ja schnell rausbringen.“
Sicherheitschef der Festspiele als Zeuge
Das wollte auch Friedrich Hoch, der Sicherheitschef der Salzburger Festspiele. Er war selbst im Einsatz und half mit, dass die Aufführung nicht unterbrochen werden musste. Er war als Zeuge geladen.
Im Nachhinein sei er von manchen Gästen angesprochen worden, während des Stücks sei der Protest nicht so aufgefallen. Die Jacke des jungen Mannes hat der Sicherheitschef nach der Vorstellung aus dem Publikum geholt, weil sich darin noch der Ausweis befunden hatte – dafür bedankte sich Kogler-Sobl in der Verhandlung nochmals höflich beim Sicherheitschef.
Für den emeritierten Anwalt Gerhard Hackenberger, der die Aktivisten ehrenamtlich vertritt, ist nach der Verhandlung die Frage offen: "Wenn man sich Anzeige, Straferkenntnis und die heutige Verhandlung anschaut, fragt man sich: What for?"
Er ist überzeugt: In den Landespolizeidirektionen sei man nicht bereit, die Grundrechte der Demokratie zu respektieren und zu verteidigen. "Der Verfassungsgerichtshof predigt, dass die Meinungsäußerung als solche nie eine Anstandsverletzung sein kann."
Freie Meinungsäußerung
Eine Strafe sei nur vertretbar, wenn diese Meinungsäußerung "in einer inakzeptablen Weise" geschehe und zur Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit diene. Und brachte als Beispiel ein vulgäres Schmähgedicht, das in einem anderen Fall straffrei vorgetragen werden durfte.
Hackenberger ist überzeug: "Dass sie Aufmerksamkeit für den Klimaschutz erregen- wollten, ist für die Beschwerdeführer auszulegen." Die sehr kurze Intervention sei überwiegend nicht als störend empfunden worden, die Polizei, die den Strafbescheid erlassen hatte, hätte keine Abwägung vorgenommen und die Sache „denkunmöglich“ rechtlich beurteilt, kritisiert der emeritierte Anwalt.
"Steuern auf eine Katastrophe zu"
Die drei Klimaschützer nutzen die Verhandlung noch für abschließende Botschaften: "Die Wissenschaft sagt, wir steuern auf eine - vermeidbare - Katastrophe zu, meine Kinder sind drei und fünf Jahre alt. Mir zieht es den Magen zusammen, wenn ich sehe, dass sie vor dem Scherbenhaufen unserer Gesellschaft stehen." Er mache den Mund auf und stelle sich in den Weg und hoffe, "dass das bald viele tun."
Erika Gödl ergänzt: „Ich mache mir große Sorgen um unsere Zukunft, weil unser Überleben nicht gesichert ist. Aber es könnte gesichert werden.“ Und Stefan Kogler-Sobl merkt an: "Jene, die handeln sollten, tun es nicht. Ich sehe mich in der Pflicht, diesem Thema die nötige Aufmerksamkeit zu verschaffen.“
Urteil gibt es keines, die Richterin schließt die Verhandlung mit dem Hinweis, dass das Urteil schriftlich ergehe. "Wenn die Strafe nicht aufgehoben wird, gehen wir vor den Verfassungsgerichtshof", sind die drei Aktivisten kämpferisch.
Der Salzburger Schnürlregen hat an diesem Dienstag noch immer die Stadt im Griff. Aber das könnte sich ändern. Denn der menschengemachte Klimawandel führt dazu, dass die wärmere Luft mehr Feuchtigkeit aufnehmen kann. Was das Ende für den Schnürlregen bedeuten würde.
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