Ist Tibor Foco noch am Leben?
von Gerhard Lukesch
Seit 35 Jahren beschäftigt der Mord an Elfriede Hochgatter (23) Polizei und Justiz in Linz. Vom Angeklagten Tibor Foco fehlt jede Spur. Er wird noch immer gesucht.
Seit 1995 ist Foco auf der Flucht. Heuer im April wird er 65 Jahre alt. Ob er noch lebt, ist unklar. Seit rund 12 Jahren gibt es kein Lebenszeichen, keine seiner Briefe mehr, die er bis dahin immer mit „Ihr unschuldiger Tibor Foco“ unterschrieben hat.
„Vielleicht ist er bereits tot oder hat Angst, durch neue DNA-Analysemethoden doch eindeutig überführt werden zu können“, vermuten Kriminalisten. Denn seit 2005 wurden immer wieder Fälle, die mehr als 40 Jahre zurücklagen, durch kleinste DNA-Spuren auf der Opferkleidung geklärt. Und im Fall Elfriede Hochgatter sind Teile der Kleidung (Bluse, Jeanshose und Slip) noch immer gesichert.
Der Fall Hochgatter
Der Fall Elfriede Hochgatter beginnt für die Polizei am 13. März 1986. Die Leiche wird gegen 6.50 Uhr neben den Gleisen der Westbahn im Bereich des Barbara-Friedhofs in Linz gefunden. Die junge Frau war gegen 1.45 Uhr durch insgesamt 13 Schläge auf den Kopf und auf die Hände schwer misshandelt und durch einen Schuss aus einem Revolver, Kaliber 9 mm, ins Gesicht regelrecht hingerichtet worden.
Rund 250 Meter vom Fundort der Leiche befindet sich der ehemalige Arbeitsplatz des Mordopfers (ein Bordell), aber auch das Rotlichtlokal „Bunny“ in der Goethestraße. Am 14. März 1986 werden der Betreiber des „Bunny“, Tibor Foco (30) und zwei seiner Prostituierten (19 und 22 Jahre alt) festgenommen. Foco beteuert, weder mit dem Lokal noch mit dem Mord etwas zu tun zu haben. Er erhält auch von seiner damaligen Ehefrau ein Alibi, dass diese drei Tage nach der Tat widerruft: „Tibor kam erst um drei Uhr Früh nach Hause, er war nicht, wie er behauptet, um ein Uhr da.“
Die 22-jährige Regina U. erklärt schließlich nach tagelangen Verhören durch Linzer Kriminalpolizisten, sie sei beim Mord an Elfriede Hochgatter gegen 1.45 Uhr dabei gewesen und von Foco zum tödlichen Schuss gezwungen worden.
Nach einem Monat nennt die 22-Jährige einen weiteren Mittäter, nachdem sie zuvor einen anderen Mann genannt hatte. Es war zunächst der Bordellbesitzer Peter S. Dieser kann aber ein Alibi vorweisen und musste nach drei Wochen Untersuchungshaft als nachweislich unschuldig entlassen werden. Der neue Verdächtige, den die 22-Jährige nennt, ist der Lederwarenhändler Peter L. (42). Dieser wird am 11. April 1986 verhaftet. Er bestreitet jeden Zusammenhang mit der Tat. Er hat kein Alibi, war in der Tatnacht in der Nähe des „Bunny“ in einem anderen Bordell und verwickelt sich laut Ermittler in Widersprüche. Diese Indizien sind auch ausschlaggebend für die Anklage gegen Foco und U. Beweise gegen Tibor Foco gibt es jedoch keine, nur die Aussage von U.
Seit 1995 ist Tibor Foco auf der Flucht. Am 27. April konnte er trotz der Begleitung durch zwei Justizwache-Beamte entkommen. Er floh durch ein WC-Fenster auf dem Uni-Campus in Linz und fuhr mit einem bereitgestellten Motorrad davon. Vom Studienausgang – er hatte Jus inskribiert – sollte er nie wieder zurückkommen.
Foco steht auf der Fahndungsliste von Europol – unter „Most Wanted“. Die Polizei ließ den Gesuchten in ihren Fahndungsbildern altern, damit er erkannt werden kann. Auch seine Handschrift ist im Internet einsehbar. Alles umsonst.
Die Ermittler griffen im Laufe der Jahre auch zu ungewöhnlichen Mitteln, um Geflüchtete – nicht nur Foco – zu finden. Sie kreierten einen eigenen Online-Adventkalender, mit einem Gesuchten hinter jedem Türchen. Zur Fußball-WM gab es eine Art Panini-Album mit den Kriminellen.
BelohnungDas Bundeskriminalamt setzte eine Belohnung von 20.000 Euro für Hinweise aus, die zur Festnahme von Tibor Foco führen.
Infos: eumostwanted.eu
Die Prozesse
Der Prozess gegen Foco, Regina U. und den angeblichen Mittäter Peter L. beginnt am 23. Februar 1987 im Linzer Landesgericht. Am 31. März 1987 wird Foco zu lebenslanger Haft und der angebliche Komplize L. zu 18 Jahren verurteilt, Regina U. wegen „entschuldigenden Notstandes“ freigesprochen. Sie lebt heute in den USA.
Im Juni 1992 ist Peter L. wieder frei: Die Belastungszeugin Regina U. sei unglaubwürdig, befindet das Oberlandesgericht Linz. Neue gerichtliche Vorerhebungen gegen Peter L. beginnen. Im März 1993 widerruft Regina U. vor dem damaligen Untersuchungsrichter Andre Starlinger ihre belastenden Aussagen. U. behauptet, Tibor Foco sei nicht der Täter gewesen und sie sei 1986 von zwei Kriminalbeamten durch „Waterboarding“ massiv gefoltert und zum Geständnis gezwungen worden. Bei der Tat sei sie nicht dabei gewesen.
Starlinger, heute Präsident des Landesgerichtes Linz, ist von dieser Version im März 1993 nicht überzeugt und hält U. zahlreiche Ungereimtheiten in ihrer Aussage vor, auf die sie keine plausiblen Antworten geben kann: „Es schaut jetzt so aus, als glaubt man mir schon wieder nicht“. Es kam zu einem neuen Prozess gegen Peter L., dieser wird am 29. August 1996 im Landesgericht Linz mit 5:3 Stimmen vom Mordvorwurf und der Beteiligung an der Tat an Elfriede Hochgatter freigesprochen. Regina U. erschien als geladene Zeugin nicht.
Die Flucht
Noch vor diesem Prozess flüchtet Tibor Foco am 27. April 1995 bei einem Freigang im Rahmen seines Jus-Studiums an der Linzer Universität vom Campus. Foco erhält 1997 nach dem Freispruch von Peter L. – in Abwesenheit – ein neues Verfahren.
Am 27. Juni 2000 bringt die Staatsanwaltschaft Linz eine neue Anklage gegen Tibor Foco wegen des Verdachtes des Mordes an Elfriede Hochgatter ein. Seither hat sich im Fall Elfriede Hochgatter aus juristischer Sicht nichts mehr ereignet. Der internationale Haftbefehl gegen Foco ist bis heute aufrecht.
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