Ischgl-Report: Platter hält an seinem Personal weiter fest
Die unabhängige Expertenkommission von Ronald Rohrer hat ihren Ischgl-Bericht vorgelegt und damit ihre Arbeit erledigt. Sie hat Fehleinschätzungen auf allen Entscheidungsebenen offengelegt.
Das Ende der Debatten um den europäischen Corona-Ski-Hotspot im Tiroler Paznauntal ist damit aber längst nicht erreicht:
Die Oppositionsparteien in Land und Bund – da wie dort sind ÖVP und Grüne am Regierungsruder – werden den Finger nicht so rasch aus der Wunde nehmen. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft laufen ebenfalls weiter. Zudem sind Amtshaftungsklagen des Verbraucherschutzvereins (VSV) anhängig.
Ischgl könnte in U-Ausschuss münden
"Empfehlungen umsetzen"
Die Tiroler Landesregierung hat am Dienstag über die Lehren aus dem Expertenbericht beraten. VP-Landeshauptmann Günther Platter kündigte im Anschluss an, "dass wir die Empfehlungen der Kommission umsetzen werden." Eine Strukturreform soll folgen.
So soll ein Krisen- und Katastrophenmanagementzentrum mit einem eigenen Koordinator eingerichtet werden – angepasst an die Herausforderungen, die eine Pandemie mit sich bringt.
Zudem ist geplant, eine eigene Landesdirektion für Gesundheit zu gründen, in der laut Platter "alle fachlichen und rechtlichen Belange des Gesundheitswesens gebündelt" werden sollen.
Auf Nachfrage stellte der Landeshauptmann aber erneut klar, dass es "keine personellen Konsequenzen" geben wird. Doch genau darauf drängt die Tiroler Opposition.
Etwa wenn es um die Person von Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (ÖVP) geht, der für seine Einschätzung berühmt wurde, wonach die Tiroler Behörden "alles richtig gemacht" hätten.
Die Ischgl-Kommission kritisierte, dass Tilg zwar für das Epidemiegesetz zuständig ist, aber diese Agenden an den Landesamtsdirektor abgetreten hat, wodurch "die politische Verantwortlichkeit ausgedünnt" worden sei.
"Wir wissen heute, dass Landesrat Tilg sich zu unrecht und ungerechtfertigt buchstäblich vor der politischen Verantwortung gedrückt hat", sagt Tirols SPÖ-Chef Georg Dornauer dazu.
Seine Bundesparteichefin Pamela Rendi-Wagner kann sich einen U-Ausschuss vorstellen. Sie nimmt VP-Bundeskanzler Sebastian Kurz ins Visier, der mit seiner Quarantäneankündigung am 13. März "Panik und Chaos" in Ischgl ausgelöst habe. Der weist diesen - auch von der Kommission formulierten Vorwurf - zurück.
In Tirol sieht sich hingegen neben Tilg Landessanitätsdirektor Franz Katzgraber mit Rücktrittsaufforderungen konfrontiert. Aus seiner Abteilung kamen am Anfang der Pandemie höchst fragwürdige Einschätzungen.
Falsche Information
Etwa jene, wonach das Ansteckungsrisiko für Gäste der Après-Ski-Bar "Kitzloch" in Ischgl als gering bewertet wurde, nachdem dort am 7. März ein Mitarbeiter positiv auf das Virus getestet wurde. Das Gegenteil war der Fall.
Vielmehr hätten aufgrund des Infektionsgeschehens bereits am 9. März in Ischgl alle Skilifte abgeschaltet und alle Après-Ski-Lokale dichtgemacht werden müssen. Das ist der klare Befund der Ischgl-Kommission.
Alarmsignale
Der Bericht der Experten listet auf, welche Alarmsignale es bis zu jenem Tag bereits in Hinblick auf den Massentourismusort gab: Da waren die Meldungen von infizierten Ischgl-Rückkehrern aus deren Heimatländern, die zwischen dem 5. und 9. März eingelangt waren: 14 Isländer, vier Dänen, zehn Norweger und sechs Finnen.
An jenem Montag im März war zudem nicht nur klar, dass sich rund um einen am Samstag positiv getesteten Mitarbeiter des "Kitzloch" in Ischgl die gesamte Servicecrew infiziert hatte.
Vielmehr erkannten die Behörden, dass drei bereits am 5. März als Corona-Fälle identifizierte norwegische Erasmus-Studenten im "Kitzloch" gefeiert hatten. In Tirol hatten am 9. März schon 19 von 25 Fällen einen Bezug zu dem Skiort.
Das Land war laut Kommissionsleiter Rohrer anfänglich bemüht, dass Infektionsgeschehen "in ein mildes Licht" zu tauchen. Wie er offenlegte, handelte es sich beim viel zitierten "Kitzloch"-Barkeeper etwa in Wahrheit um einen Kellner, der sich mit Trillerpfeife den Weg durch die Après-Ski-Bar bahnte.
Rund um den Corona-Hotspot im Paznauntal sind noch viele Fragen offen. Der Tiroler Landtag wird am Freitag den Bericht der Roher-Kommission debattieren. Aus Oppositionssicht wurde jedenfalls nicht "alles richtig gemacht".
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