Ischgl: Amtshaftung und Hotelier-Verantwortung verhandelt

Ischgl: Amtshaftung und Hotelier-Verantwortung verhandelt
Zivilprozesses gegen die Republik und einen Hotelier am Landesgericht für Zivilsachen in Wien wegen Corona in Ischgl.

Ausgangspunkt ist die Wintersport- und Touristenhochburg Ischgl in Tirol, es ist Anfang März 2020. Während die Polizei in Ostösterreich Leute kontrolliert, ob sie die Quarantäne einhalten und kontaktlos zu Hause sind, wird in Ischgl noch so getan, als gäbe es Corona nicht. Fälle gibt es viele.

Ein Handwerker aus Deutschland, Mitte 50, erkrankte schwer. Und er leidet noch immer an den Folgen von Long Covid. Seinen Beruf kann er nicht mehr ausüben. Er klagte die Republik daher auf rund 100.000 Euro.

Diese Klage wurde vom Landesgericht für Zivilrechtssachen in Wien abgewiesen. Das Oberlandesgericht hob diese Entscheidungen auf,  das Verfahren wird wiederholt.

Heute steht aber der Fall einer Deutschen zur ersten Verhandlung am Landesgericht für Zivilsachen. Sie war vom 10. bis 12. März in dem Hotel in Ischgl, hat sich zuvor erkundigt, ob es Fälle gibt. Da das verneint wurde, ist sie angereist, und auch an der Rezeption gab es keine anderslautenden Informationen. 

"Grundsätzliche Haftung der Republik"

Dabei geht es auch um die Behördenversagen rund um Ischgl:  Am 5. März 2020 hatte die Tiroler Landesregierung eine Presseaussendung veröffentlicht und darin erklärt, dass sich isländische Urlauber, die erkrankt waren, wohl im Flugzeug angesteckt hätten. Allerdings hatten die Behörden zwei Stunden vor dieser öffentlichen Aussage gewusst, dass das nicht stimme. "Damit sei wissentlich eine Mitteilung erfolgt, die nicht den aktuellen Stand der Erhebungen wiedergab und liege darin eine rechtswidrig und schuldhaft erfolgte Information, wofür eine grundsätzliche Haftung der Republik Österreich bestehe", führt das OLG aus.

Die deutsche Klägerin hat sich ihren Angaben zufolge in Ischgl mit Corona infiziert. Aufgrund der langfristigen Folgen klagt sie die Republik und das Hotel. Die Geschäftsführerin des betroffenen Hotels musste am Freitag nach Wien, um dem Gericht Rede und Antwort zu stehen. Sie ist die Schwester des Obmanns des Tourismusverbandes, der mit ihrem Vater gemeinsam ein anderes Hotel in Ischgl betreibt, samt einer Aprés Ski-Bar. Ihr Bruder wurde auch befragt. 

Mit diesem sei sie familiär zwar sehr verbunden, über Corona habe sie in der Zeit Anfang März nie geredet. Auch Informationen habe sie von ihm nie erhalten. "Er ist ja zur Verschwiegenheit verpflichtet", erklärt die Unternehmerin, "Corona war zu dieser Zeit kein relevantes Thema". Sie habe über Corona nicht Bescheid gewusst, Corona sei kein Thema gewesen, auch auch nicht bei den Mitarbeitern und Gästen. 

Bei der Befragung zeigte sich die Hotel-Chefin überrascht, dass es in Ischgl viele Corona-Fälle gegeben habe. Zu dem Zeitpunkt habe es keinen Grund gegeben, jemanden über Corona explizit zu informieren. Selbst die Entwicklungen rund um das Lokal Kitzloch, das nach dem Auftreten zahlreicher Infektionen im Mitarbeiterstab geschlossen wurde, hätte sie nur peripher mitbekommen. Mit ihrem Bruder hätte sie nie darüber geredet.

Und dass sich die isländischen Touristen nicht im Flugzeug, sondern schon in Ischgl angesteckt haben könnten, sei ihr nie zur Kenntnis gelangt. Außerdem hätte sie keine isländischen Gäste, deshalb sei das für sie nicht relevant gewesen. 

Ob sich die Klägerin, wie behauptet, tatsächlich über Corona im Hotel informiert, und welche Auskunft sie erhalten habe, können sie nicht mehr nachvollziehen, meinte die Hotelchefin. 

Das unbekannte Corona

Ähnlich sagte ihr Bruder, Tourismusverbandsobmann und Hoteldirektor in Ischgl, als Zeuge aus. Er hielt Corona für unproblematisch: „Wir sind keine Mediziner, wir haben uns darauf verlassen, dass es stimmt, was die Mediziner sagen.“ Nämlich, dass Corona keine Gefahr darstelle. 

Dass Corona  keine Probleme für den Tourismus darstelle, hätten auch offizielle eMails Anfang März 2020 so dargestellt. Die offiziellen Informationen seien an die Mitgliedsbetriebe weitergeleitet worden: "Wir haben das Mail am 5. März um 18 Uhr an Beherbergungsbetriebe weitergeleitet, auch, dass laut Sanitätsdirektion keine Gefahr in Ischgl besteht, weil sich die Isländer im Flieger angesteckt haben dürfen." 

Befragt wurde auch der Vater der beiden Hoteliers. Operativ rede er aber gar nicht mehr mit, nur bei finanziellen Dingen. Im Jänner habe man nur etwas von China gehört: "Zum Glück haben wir das nicht, haben wir gesagt. Aber das war kein Thema." 

Informationen über Corona habe er von seinem Sohn nicht bekommen: "Da ist er immer wortkarg. Was wir als erste mitbekommen haben, war der Kellner im Kitzloch. Dann ist alles Schlag auf Schlag gegangen. Da hat keiner glauben können, dass das etwas gefährliches sein soll." 

Und Bruder, Schwester und Vater betonen vor Gericht, sich nicht in der Familie dazu ausgetauscht zu haben. Deshalb sei das Hotel nicht haftbar. Auch die Finanzprokuratur als Vertreterin der Republik Österreich bleibt dabei, dass es keine Amtshaftung in diesem Fall gebe. 

Die Verhandlung wurde aufgrund der langen Dauer der Einvernahmen vertagt.

Finanzierer gefunden

Ischgl: Amtshaftung und Hotelier-Verantwortung verhandelt

Unterdessen haben sich zwei deutsche Unternehmer gefunden, die Klagen gegen die Republik Österreich für jene Personen finanzieren, die sich in Ischgl mit Corona infiziert, aber keine Rechtsschutzversicherungen haben. Das hat Peter Kolba, Obmann des Konsumentenschutzvereins, am Rande des Prozesses bekannt gegeben.  

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