Österreich-Premiere: Landtag zieht Wahlhürde in Innsbruck ein

2018 traten zwölf Listen an, zehn kamen in den Gemeinderat. 2024 könnte der Stimmzettel noch länger werden
Bei den Gemeinderatswahlen im kommenden April müssen Listen mindestens vier Prozent der Stimmen für den Einzug erreichen.

Eine Mehrheit im Innsbrucker Gemeinderat hat vor dem Sommer das Land um eine Novelle ersucht, mit der Wahlordnung und Stadtrecht geändert werden soll. Kandidierenden Listen sollen demnach bei Gemeinderatswahlen für den Einzug ins Stadtparlament eine Vier-Prozent-Hürde überspringen müssen.

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Am Mittwoch hat der Landtag die neuen Spielregeln gegen die Stimmen von Liste Fritz und Grünen beschlossen. Innsbruck ist damit österreichweit (mit Ausnahme des Sonderfalls Wien, das auch Bundesland ist) die erste Gemeinde, in der es eine derartige Sperrklausel gibt.

Sie soll künftig die Zersplitterung des Gemeinderats, der in den vergangenen fünf Jahren im Chaos versunken war, verhindern und somit die Regierbarkeit gewährleisten.

Kultur des Streits

Für Markus Sint, Klubobmann der Liste Fritz im Landtag, die auch im Innsbrucker Gemeinderat mit einem Mandatar vertreten ist, ist aber nicht die Vielzahl an Listen und Kleinstparteien das Problem, sondern vielmehr „die Altparteien, die in sich und unter sich zerstritten sind.“

Österreich-Premiere: Landtag zieht Wahlhürde in Innsbruck ein

Tatsächlich hat das in dieser Legislaturperiode Abspaltungen bei der grünen Bürgermeister-Partei, der FPÖ und der SPÖ gegeben. Die ÖVP ist gerade im Versuch, ihre einstige Abspaltung Für Innsbruck (FI) wieder ins Boot zu holen, in einen Konflikt mit ihrem eigenen Vize-Bürgermeister Johannes Anzengruber geraten. Er will Stadtparteiobmann der Schwarzen werden und diese in die Wahl führen.

Interner ÖVP-Konflikt

Der ÖVP-Vorstand hat dafür Dienstagnacht mit großer Mehrheit ein Digitalisierungsstaatssekretär Florian Tursky auserkoren, der Spitzenkandidat eines ebenfalls beschlossenen Bündnisses mit FI werden. Wenn Anzengruber nicht zurückzieht, kommt es im November zu einer Kampfabstimmung zwischen beiden. Nicht auszuschließen ist, dass er eine eigene Liste gründet.

Er führte eine Argumentation der Befürworter der Vier-Prozent-Hürde ins Feld. Die gäbe es in anderen Gemeinden indirekt auch durch die kleinere Zahl an zu verteilenden Mandaten. In Innsbruck gibt es davon 40. Ein Sitz war damit grob gerechnet mit etwa 2,5 Prozent der Stimmen zu erobern.

Natürliche Hürde

Hat ein Gemeinderat etwa nur zehn Mandate, muss eine Liste gemäß dieser Rechnung auch ohne Hürde etwa zehn Prozent der Wähler für sich gewinnen.

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Die Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen in der Landeshauptstadt finden am 14. April kommenden Jahres statt. 2018 eroberten die Grünen Platz eins und Georg Willi für sie das Bürgermeisteramt. Eine von ihm geschmiedete Vierer-Koalition zerfiel Anfang 2021. Seither regiert das freie Spiel der Kräfte.

Im Landtag sah Gebi Mair, Klubobmann der Grünen, das Problem in Innsbruck wie Sint nicht in der Vielzahl von Listen – zehn schafften 2018 den Einzug, drei davon mit nur einem Mandat: Es fehle vielmehr an einer „produktiven politischen Kultur.“

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ÖVP, SPÖ, FPÖ und Neos stimmten dennoch für die Wahlrechtsreform. Das freiheitliche Urgestein und nicht amtsführender Stadtrat in Innsbruck, Rudi Federspiel, rückte an diesem Tag vorübergehend als Abgeordneter in den Landtag auf. Er gestand ein: „Bei uns fliegen die Hackeln ein bisschen tiefer.“

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