Inklusions-Demo: Genug von „leeren Versprechen und Blabla“

Inklusions-Demo: Genug von „leeren  Versprechen und Blabla“
4.000 Teilnehmer waren bei friedlichen Kundgebungen für Rechte von behinderten Menschen in ganz Österreich dabei.

„Scheiß auf leere Versprechen, die nicht gehalten werden“, hat Lisi Klaus auf ihr Plakat beschrieben. Und auf der Rückseite steht: „Kein Blabla.“

Leere Versprechen und Blabla – dafür zu wenige Jobs, zu geringe Bezahlung und zu viele Hürden: Menschen mit Behinderung erhielten von der Politik immer noch viel zu wenig Unterstützung, kritisiert Klaus. Daher ist sie eine von mehreren Hundert Teilnehmern, die am Mittwoch am Wiener Ballhausplatz für die Rechte von Menschen mit Behinderung demonstriert haben.

Inklusions-Demo: Genug von „leeren  Versprechen und Blabla“

Lisi Klaus mit ihrem Plakat bei der Wiener Demo

„Es ist noch längst nicht alles barrierefrei“, erklärt Klaus. „Und es gibt für uns immer einen Extra-Verein, einen Extra-Kurs, Extra-Dies und Extra-Das. Aber wir möchten einfach ganz normal überall dabei sein.“ Da rund 18,4 Prozent der Österreicher mit einer Behinderung leben – sollte das nicht alles gesetzlich geregelt sein? Klaus schüttelt den Kopf, zeigt auf ihre Tafel und lacht.

Auch Wiens Caritas-Geschäftsführer Klaus Schwertner findet sich bei der Kundgebung ein: „Es ist das erste Mal seit Langem, dass es eine derartige Demo gibt“, sagt er. Behinderte Kinder seien etwa nach wie vor stark benachteiligt. Ein großes Problem sei auch, dass Behinderte oft nur ein Taschengeld von 50 oder 100 Euro anstelle eines echten Lohns erhalten: „Inflation und Teuerung trifft Behinderte aktuell daher natürlich besonders.“

Inklusions-Demo: Genug von „leeren  Versprechen und Blabla“

Schwertner (re.): „Es ist das erste Mal seit Langem, dass es eine derartige Demo gibt“

„Hirn arbeitet anders“

Die Probleme bei der Jobsuche kennen viele der Teilnehmer aus eigener Erfahrung: „Mein Hirn arbeitet anders, aber es funktioniert“, ist auf dem Plakat zu lesen, das Lukas trägt. Mit Franz und Mark ist er aus Wiener Neustadt angereist. Er wolle gerne in der IT arbeiten, erzählt Lukas, bekomme aber oft Absagen.

Inklusions-Demo: Genug von „leeren  Versprechen und Blabla“

Lukas, Mark und Franz sind aus Niederösterreich angereist

Franz erzählt, dass er eine schwierige Kindheit hatte und daher gesundheitliche Probleme hat. Er würde gerne in einem Supermarkt anfangen. „Aber ich war jetzt ein paar Monate krank, muss wieder stabil werden.“ Dafür fehle Arbeitgebern häufig das Verständnis.

Auch Roland, kurz Roli, betont, wie wichtig es ihm ist, dabei zu sein. Er ist aus Laa an der Thaya angereist, zehn Jahre war er schon nicht mehr in Wien. „Wir brauchen Geld, Gerechtigkeit, Liebe.“ Was ihn ärgert? „Dass die Leute dumm schauen, wenn man behindert ist. Oder wenn blöd geredet wird. Ich bin auch sensibel. Das tut man nicht.“

Rund 4.000 Menschen gingen am Mittwoch insgesamt in Wien und den anderen Landeshauptstädten (außer Graz) friedlich auf die Straße. Ein Erfolg? Klaus Widl vom Österreichischen Behindertenrat: „Das ist es erst, wenn wir die politische Schubumkehr schaffen.“

Hintergrund: Gründe für die Demo

Gesetz: Die UN-Behindertenrechtskonvention sowie der Nationale Aktionsplan Behinderung (am 6.  Juli vom Ministerrat  beschlossen) sollten eigentlich für Gleichberechtigung sorgen – in der Praxis hapert es aber noch in vielen Bereichen.

Die Probleme: Behindertenvertreter kritisieren u. a. mangelnde Barrierefreiheit, fehlende Inklusion in Schulen, fehlende existenzsichernde Jobs und fehlende Zugänge zu persönlicher Assistenz. Daher wurde am Mittwoch in den Landeshauptstädten demonstriert.

 

Gerlinde Scholz arbeitet in der Inklusiven Lehrredaktion (ORF) und ist derzeit Praktikantin im KURIER. In der Inklusiven Lehrredaktion können sich Menschen mit Behinderungen auf einen Job im ersten Arbeitsmarkt vorbereiten. Scholz schildert ihre Eindrücke von der Demo in Wien:

Barrieren sind nicht nur baulicher Natur, sondern vor allem in den Köpfen der Menschen. Es sollte selbstverständlich sein, dass Menschen mit und ohne Behinderungen gleichberechtigt miteinander leben. Das fängt im Kindergarten an und sollte sich auch bei der Ausbildung und in der Arbeitswelt zeigen. Auch Wohnmöglichkeiten müssen barrierefrei und inklusiv gestaltet werden.

Barrierefreiheit bedeutet nicht nur, dass Orte mit einem Rollstuhl erreicht werden können. Menschen mit Lernschwierigkeiten sollten die Chance haben, einen Job zu bekommen. Und auch die gesellschaftliche Inklusion von Menschen mit einer psychischen Erkrankung zählt zu Barrierefreiheit.

Da wir in Österreich noch weit entfernt von gelebter Inklusion sind, haben sich viele Menschen am Mittwoch bei der Demo versammelt. Mit bunten Schildern und flammenden Reden haben sie ihren Ärger über leere Versprechungen der Politik kundgetan. Dabei war der Frust über jahrelange Vertröstungen merkbar. Es lag aber auch Hoffnung in der Luft, denn es war zu sehen: Wir sind viele, wir sind mutig und wir sind laut. Wir werden unseren Forderungen weiterhin Nachdruck verleihen, bis sie erfüllt sind. Denn wir fordern nichts weiter als unsere Rechte als Menschen.

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