In luftiger Höhe gibt es keinen Stau
100 Meter in der Höhe: So weit oben soll die Seilbahn über Linz gondeln. In Graz wäre deren Pendant zwischen den Bezirken Andritz im Norden und Puntigam im Süden nicht gar so luftig unterwegs. Aber, ob an der Donau oder an der Mur beide Seilbahnen sollen das Verkehrsproblem lösen helfen.
Verkehr meint Stau, ebenfalls da wie dort. Lösen, weil das bisherige öffentliche erdgebundene Verkehrssystem an die Grenzen seiner Kapazitäten stößt. Sowohl der Linzer Verkehrsstadtrat Markus Hein (FPÖ) als auch der Grazer Stadtchef Siegfried Nagl (ÖVP) würden sich von internationalen Metropolen gerne etwas abschauen: London, New York, Ankara, La Paz in Bolivien oder Medellin in Kolumbien dort befördern urbane Seilbahnsysteme wenigstens 3000 Menschen pro Stunde. Nicht als Touristen-Gag, sondern als Teil des öffentlichen Verkehrs.
Skeptiker zweifeln
Kurios, dass ausgerechnet das Land der Gondeln und Seilbahnen erst so spät auf deren urbane Möglichkeiten stößt. „In Österreich verbindet man Seilbahnfahren unmittelbar mit dem Skifahren. Andere Länder sind uns da schon weit voraus“, sagt der Linzer Verkehrsreferent Hein. Auf Skibergen ja, in den Städten nein? Sowohl in Linz als auch in Graz werden die Pläne durchaus skeptisch beäugt: Gondeln veränderten das Antlitz der Stadt – besser sei, in den Ausbau der Straßenbahnen zu investieren, hieß es etwa in Graz. Dabei haben die Systeme durchaus Vorteile, wie internationale Beispiele zeigen: Brauchten die Pendler zwischen den bolivianischen Städten La Paz und El Alto auf der verstopften Straße bis zu eineinhalb Stunden auf dem Weg in die und von der Arbeit, schaffen sie es mit der Gondel in 17 Minuten.
Billiger beim Errichten
Laut dem Grazer Bürgermeister Nagl kostet der Bau eines Seilbahn-Kilometers 15 bis 20 Millionen Euro, ein Kilometer Straßenbahn käme auf 20 bis 25 Millionen. Die Kapazitäten mit 3000 Personen pro Stunde wären gleich. Für die Bahn in Graz mit elf Stationen entlang der Mur wurden im Sommer rund 220 Millionen Euro an Errichtungskosten kalkuliert. Für die zehn Kilometer lange Version in Linz rechnen die Experten mit rund 280 Millionen Euro.
Geld, das auch vom Bund abzuholen sein dürfte: Das Verkehrsministerium sagte zu, erstmals den Bau von Öffis in Landeshauptstädten zu unterstützen. Bisher gab es nur Mittel für die Wiener U-Bahn.
Um Expertise im Bau von urbanen Seilbahnen bräuchte sich weder Verkehrsplaner in Linz noch Graz lange umschauen. Die gibt es in Österreich unter anderem von der Firma Doppelmayr: Das Gondel-Netz von La Paz in Bolivien stammt vom Vorarlberger Konzern, ebenso die Seilbahnen in Lissabon und London. Mittlerweile macht das Unternehmen ein Drittel seines Umsatzes mit städtischen Gondelsystemen.
Neue Ebene
„Wir sind überzeugt, dass Seilbahnen im urbanen Kontext sehr gut funktionieren“, erklärt Doppelmayr-Sprecherin Julia Schwärzler. „Wenn so ein Projekt in Österreich gebaut werden könnte, würde uns das natürlich besonders freuen.“ Seilbahnen ließen sich bestens in vorhandene öffentliche Verkehrsmittel integrieren. Ein großer Vorteil sei die vergleichsweise kurze Errichtungszeit und das Erschließen einer völlig neuen Verkehrsebene. Oder anders ausgedrückt: In der Luft gibt es keinen Stau im Früh- und Abendverkehr, der neben dem Individualverkehr auch Bussen wie Straßenbahnen Zeit kostet.
In Graz wie Linz sind die Pläne noch nicht weit gediehen. In der steirischen Landeshauptstadt dürfte in der laufenden Legislaturperiode (bis 2022) erst einmal nichts passieren.
In Oberösterreich erklärt eine Machbarkeitsstudie der weltweit im Seilbahnbau erfahrenen Planungsfirma Baucon das Projekt für realisierbar: Im Fall einer Dreierseilbahn würden 167 Gondeln in 100 Meter Höhe bis zu 5500 Passagiere pro Stunde transportieren können.
Kommentare