Doch warum wird dies öffentlich kaum wahrgenommen?
„Unsere Stellungnahmen werden nicht verbreitet. Es ist zu wenig bekannt, dass wir uns immer artikulieren“, erwidert er. Dazu komme: „Distanzierung impliziert, dass man etwas damit zu tun hat. Mit Terrorakten haben wir nicht das Geringste zu tun.“
Doch warum gingen dann in Deutschland etwa sogar die „Omas gegen Rechts“ auf die Straße – eine Gruppierung, der man wohl kaum unterstellen kann, etwas mit dem Attentat zu tun zu haben?
"Hier gibt es noch Luft nach oben"
„Wenn es einen zivilgesellschaftlichen Aufruf zu einer Demo gegen Hass gibt, sind wir Muslime dabei. Da wäre ich der Erste, der dazu aufruft, etwa mit den ,Omas gegen Rechts’ oder mit SOS Mitmensch“, so Baghajati. Dies sei schon „gelebte Wirklichkeit“. Er räumt aber auch ein: „Die Sichtbarkeit sollte noch gestärkt werden. Bei der muslimischen Präsenz gibt es hier noch Luft nach oben.“
"Wir wollen denen keinerlei Relevanz geben"
Problematisch fände er jedoch, gezielt gegen den IS zu protestieren: „Das würde die Relevanz des IS und seiner Anhänger bloß erhöhen. Wir wollen denen keinerlei Relevanz geben.“
2016 habe der IS im Darknet aufgerufen, Baghajati zu ermorden. „Man sollte mich töten, etwa mit dem Auto überfahren. Es gab detaillierte Anweisungen.“ Der Verfassungsschutz habe damals geraten, damit nicht an die Öffentlichkeit zu gehen: „Um eben die Relevanz nicht zu erhöhen und um keine Nachahmungstäter zu animieren.“
Doch wie könnte man verhindern, dass sich junge Muslime radikalisieren?
Imame sollten helfen, zu verhindern, dass Junge in die Fänge von extremistischen Influencern geraten, so Baghajati. „Hier laufen einige Projekte, aber auch hier wäre mehr drinnen.“
Kontakt zum "Mainstream-Islam" fördern
Grundsätzlich solle der Kontakt zum „Mainstream-Islam, also zu anerkannten Moscheen“ gefördert werden. „Denn es gibt bis heute keinen einzigen Attentäter, der in einer Mainstream-Moschee sozialisiert wurde“, sagt er.
Doch 2023 besagte eine Studie, dass in Wiener Moscheen teils konservative, teils Integrations-hemmende Inhalte gepredigt wurden.
Dazu Baghajati: „Hier müssen wir streng trennen. Zwischen konservativen Einstellungen, über die man diskutieren kann, darf und soll – und zwischen Gewalt und Terror. Ich warne davor, ein konservatives Bild, das es durchaus gibt, mit extremistischem Verhalten gleichzusetzen.“
Aber bergen nicht auch anti-westliche Predigten die Gefahr einer Radikalisierung?
„Gibt es überhaupt ein westliches Weltbild?“, sagt Baghajati. „Auch hier gibt es konservative, liberale, offene Strömungen.“
"Wichtig wäre, die Namen der Attentäter nicht zu nennen"
Wie könne man Gewalt verhindern? Wichtig wäre, die Namen von Attentätern nicht zu nennen, um sie nicht zu heroisieren. „Nicht die Tat ignorieren – aber die Täter.“
Er sei nicht gegen Abschiebungen von verurteilten Kriminellen, „kein normaler Mensch ist da dagegen“. Das Problem stecke im Detail: Nach Afghanistan abzuschieben bedeute, die Taliban anzuerkennen. Ein Messerverbot befürworte er: „Es gibt keinen Grund, dass jemand hier ein Messer trägt. Ich war in vielen Gegenden der Welt, ein Messer habe ich nie dabei gehabt – außer beim Schwammerlsuchen.“