Im Cockpit der fliegenden Polizisten
Konzentriert sind zwei Augenpaare auf das steile Gelände aus Fels, Wald und Wasserfällen oberhalb der Zwenberger Alm im Kärntner Mölltal gerichtet. „Auf 9 Uhr, das könnte etwas sein“, ertönt knarrend die Stimme von Flight-Operator Friedrich Mak am Funk. „Sieht nach einem Wurzelstock aus, wir fliegen eine Schleife“, antwortet Pilot Klaus Jäger. Sagt’s und zieht den Polizei-Hubschrauber ruhig nach rechts.
Gut zwei Stunden werden Jäger und Mak an diesem Tag mit ihrem Eurocopter 135 P2+ im hochalpinen Gelände verbringen. Auf der Suche nach einem Wanderer, der seit einem Jahr vermisst wird. Der Bergsport boomt und mit ihm die Einsätze der Flugpolizei, der die beiden Südkärntner angehören. Jener Einheit des Innenministeriums, die immer dann zum Einsatz kommt, wenn es gilt, Menschen zu suchen, zu retten, Einsätze aus der Luft zu koordinieren, Brände zu löschen, den Verkehr zu überwachen oder bei Alarmfahndungen aktiv zu werden.
Zweier-Team hebt ab
Mit der Flugpolizei in den Bergen
Lange bevor der Hubschrauber mit dem Team, das stets aus Pilot und Flight-Operator besteht, in Klagenfurt bei der Flugeinsatzstelle abhebt, trifft man die beiden 38-Jährigen zur Morgenbesprechung. Presse ist man am Airport-Gelände gewohnt: Jäger stand bei der Terrornacht in Wien im Einsatz. Er war auch jener Pilot, der mit einer spektakulären Kufenbergung einen Kanu-Fahrer aus der Drau zog und wenige Tage später eine italienische Familie mit einem acht Monate alten Baby, das der Vater im Wickeltuch bei sich trug, aus einem Schneefeld rettete.
Wer Heldentum erwartet, ist fehl am Platz: „Wir sind ein Team und ich bin nur so gut, wie mein Flight Operator. Wer unter mir am Seil hängt, dem muss ich zu 100 Prozent vertrauen“, erzählt der großgewachsene Mann.
Mit dem Seil ist jenes Bergeseil gemeint, das im Notfall zur Rettung von Bergsteigern benutzt wird. An seinem Ende würde heute Mak hängen, der Polizeibergführer ist – die Grundvoraussetzung, um Flight Operator zu werden.
„Es gibt nichts, was es nicht gibt“, sagt Mak und schüttet Kaffee nach. Von Geretteten, die aus Klettersteigen geborgen werden und am Seil solch eine Höhenangst entwickeln, dass sie den gesamten Rettungsflug über schreien; von Menschen, die aus der Wand heraus den Operator anspringen wollen, um in Sicherheit zu sein; oder von Tourengehern, die einen Notruf absetzen, den Tiefschneehang hinunterwedeln, und sich dann bequem von der Flugpolizei abholen lassen, erzählt er wie nebenbei. Es ist der Alltag der Polizisten.
18 Hubschrauber
zählen zur Luftfahrzeugflotte des Innenministeriums: sieben Eurocopter 135 P2+, vier Eurocopter 135 P3H, drei Ecureuil AS 350 B1, ein Ecureuil AS 350 B3, zwei Ecureuil AS 350 B3e und ein Agusta Bell 206 III Jet Ranger
4.691 Flugstunden
wurden 2020 von den Piloten bei 11.194 Flügen absolviert. Die Anzahl der Flüge zur Rettung unverletzter Personen lag bei 1.116 (2019: 1.168) und bei der Suche nach Abgängigen bei 1.194 (2019: 1.338)
45 Einsatzpiloten, darunter zwei Frauen, gibt es in Österreich. In Klagenfurt sind es laut Planstelle sieben. In der Realität sechs. Und noch etwas gehört hier zur Realität: Für den Eurocopter sowie für den einen von nur drei Flir-Hubschraubern in ganz Österreich (die Abkürzung steht für „Forward Looking Infra Red“ – eine Infrarotkamera, die Wärmequellen lokalisieren kann) gibt es keinen eigenen Hangar. Vergangenes Jahr wurden die baufälligen Anlagen der Flugpolizei abgerissen. Seither stehen die Hubschrauber im Bundesheer-Hangar zur Miete und Jäger und seine Kollegen sitzen in blauen Containern, die sich im Sommer enorm aufheizen. Vor und nach Einsätzen, bei denen es um Menschenleben geht, wird hier gearbeitet. An einer Lösung soll gearbeitet werden. Kommentieren will dies keiner der Anwesenden.
Shuttle für Alpinpolizei
Auf der Zwengberger Alm mit ihren gut 1.700 Metern Seehöhe sind andere Dinge vorrangig: Sechs Alpinpolizisten in roten Jacken warten auf die Ankunft des Hubschraubers aus Klagenfurt. „Wir werden die Kollegen zum Gipfel fliegen, damit sie das Gelände von oben herab absuchen können“, erklärt Jäger, während er in den Sinkflug geht und die kleinen roten Punkte menschliche Gestalt annehmen. Darunter auch der Leiter der Alpinen Einsatzgruppe Spittal an der Drau, Horst Wohlgemuth. Dass die Einsätze für verunglückte Wanderer mehr werden, bestätigt auch er. „Wir hatten zwei Tote an nur einem Tag“, sagt er, schnappt sich seinen Rucksack und zieht talwärts. Über Funk erfolgen Anweisungen aus dem Cockpit zum Gelände. Wie verläuft die Wand? Wo könnten für die Retter Gefahren bestehen?
Die Suche wird an diesem Tag ergebnislos bleiben. Auch das gehört zum Alltag.
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