Die Kinder in der Klasse sind sehr verschieden. Kann da Unterricht funktionieren?
Die Voraussetzungen, die die Kinder mitbringen, sind tatsächlich sehr unterschiedlich – sowohl das Sprach- als auch das Lernniveau ist breit gefächert, weshalb man differenziert und individuell unterrichten sollte. Ich versuche es zwar, es ist aber schwierig, wenn das Personal fehlt. Eigentlich ist in der Ganztagsschule eine Teamlehrerin pro Klasse vorgesehen, aber wegen Personalmangels fehlte diese zwei Jahre lang. Ich hatte also nur punktuell eine Unterstützung, weshalb ich einen Großteil der Arbeit selbst machen musste. Das ist anstrengend – ich war erschöpft und versuchte dennoch, das Beste für die Kinder zu machen.
Manche Kinder sprechen kaum Deutsch und haben einen geringen Wortschatz – auch in ihrer Muttersprache. Was müsste man tun, damit alle vor Schuleintritt die Sprache beherrschen?
Wir müssen schon im Kindergarten ansetzen und hier viele Ressourcen hineinstecken. Spätestens mit dem dritten Lebensjahr sollten Kinder in den Kindergarten und dort mehr gefördert werden, unterstützt durch die Sprachstandserhebungen, die zeigen, wo die Defizite liegen. Das ginge in dem Alter wunderbar – ohne Noten, die Kinder in der Schule unter Druck setzen. Derzeit gibt es in den Kindergärten zu wenig Personal, doch das wäre nötig, damit die Pädagoginnen in Kleingruppen arbeiten können.
Bildung beginnt ab der Geburt. Braucht es eine Art Elternschule, die zeigt, wie wichtig es z. B. ist, dass mit dem Baby geredet wird?
Sicher ist es wichtig, dass man die Eltern ins Boot holt – auch in der Schule. In unseren Klassen sitzen Kinder aus verschiedenen Staaten, in denen das Bildungssystem überall anders funktioniert. Wir müssen den Eltern erklären, wie Schule in Österreich funktioniert. Früher gab es den Kurs „Mama lernt Deutsch“. Dort konnte man die Eltern mit in die Schule nehmen und den Kindern zeigen, dass die Mama lernt – so wird sie zum Vorbild fürs Kind. Das könnte man wieder machen.
Sie sind auch ein Vorbild.
Ja, ich bin in Wien geboren, meine Eltern in der Türkei. Bei meinem älteren Bruder habe ich erlebt, wie sprachliche Schwierigkeiten zu Problemen in der Schule führen.
Wiens Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr fordert für Kinder mit Sprachdefizitenden verpflichtende Deutschkurse im Sommer.
Wenn es bei ein, zwei Wochen in den Ferien bleibt, fände ich das okay. Man muss den Kindern aber die restliche Ferien zur Erholung lassen. Wir merken in der Klasse zu Sommerbeginn, dass da nichts mehr geht.
Manche Lehrerinnen beklagen, dass einige Väter sie nicht akzeptieren, weil sie eine Frau sind. Ist Ihnen das schon passiert?
Ich habe zwar davon gehört, aber mir ist das noch nicht passiert. Nur ein Vater ist mir unangenehm begegnet, allerdings weigerte er sich nicht, mit mir zu reden – da ging es um eine für ihn unangenehme Situation. Ich begegne den Menschen so, dass sie mir zuhören müssen, weil ich sage: „Es geht um Ihren Sohn, Ihre Tochter. Ich will das Beste für Ihr Kind, genauso wie Sie.“ Ich glaube, wenn man das sagt, dann nehmen die Eltern das auch wahr, denn auch so ein Vater will das Beste. Es kommt schon auch darauf an, wie man sich präsentiert.
Wenn Sie bildungspolitisch etwas zu sagen hätten: Was sind sinnvolle und effiziente Maßnahmen, die man schnell umsetzen kann?
Als Erstes würde ich die Deutschförderklassen abschaffen. Ein Experiment an der Uni zeigte, dass Kinder in diesen Klassen nicht so willig lernen und sie unglücklich sind, weil sie aus ihrer Klasse herausgerissen werden – so erwerben sie die Sprache nicht mit Freude. Als Nächstes würde ich mir helfende Hände in die Klassen holen, etwa aus den Unis, wo viele Studierende einen Job suchen. Sie könnten in Fächern wie Deutsch und Mathe aushelfen. Dafür fehlt derzeit leider die gesetzliche Grundlage. Auch mehr Lesepaten und -patinnen sowie muttersprachliche Lehrkräfte wären eine gute Unterstützung.
Welche Botschaft möchten Sie an die Wiener Stadtpolitik senden?
Wir brauchen pro Bezirk mindestesten einen Schulsozialarbeiter, das merke ich auch an meinem neuen Standort im 16. Bezirk. Da sollte schnell etwas passieren.
Haben Sie noch Kontakt zu ihren damaligen Schülerinnen und Schülern?
Ja, mit ein paar habe ich mich sogar getroffen, mit anderen kommuniziere ich über soziale Medien. Einige haben es in die AHS geschafft, andere sind in die Mittelschule gewechselt. Dort leisten die Lehrkräfte übrigens wunderbare Arbeit, weil sie Beziehung zu den Jugendlichen aufbauen, was in dieser Phase immens wichtig ist.
Kommentare