Vor der Tür stehen Rollo und Terrier (ja, das ist wirklich sein Einsatzname). Sie sollen mich aus der Situation – unbeschadet – befreien. 30 Minuten haben sie dafür Zeit. Ein Verhandlungsgespräch beginnt. Das Auftreiben der Million gestaltet sich schwierig. Wobei: Umgerechnet wären das schlappe 6.823 Euro. Zumindest der Kaffee ist rasch organisiert.
Terrier öffnet vorsichtig die Tür. „Hier, der Kaffee“, sagt er und schiebt seine Hand mit der Tasse vor. „Keine Blödheiten!“, droht mein Geiselnehmer erneut und drückt mir die Waffe fest an die Schläfe. Gebückt betritt Terrier das Zimmer, in der Hand die Kaffeetasse. Doch statt sie abzustellen, schüttet er den Kaffee meinem Geiselnehmer ins Gesicht. Stürzt sich auf ihn. Rollo stürmt als Unterstützung ins Zimmer.
Klick.
Nicht schnell genug. Zwar liegt Marco auf dem Boden und wird fixiert. Doch zumindest in der Theorie hab ich’s nicht überlebt. „Sorry“, entschuldigt sich Rollo.
Zweiter Versuch. Diesmal leidet Geiselnehmer Marco unter einer Psychose. Er hämmert an Kästen, hört Stimmen. Verhandeln? Unmöglich. Doch diesmal funktioniert der Trick mit dem Kaffee. Als mein Geiselnehmer die Tür öffnet, stürzt sich ein Personenschützer auf ihn, versetzt ihm einen Schlag auf den Kopf. Marco geht zu Boden. Und hat eine Beule.
Dritter Anlauf. Diesmal in einer aufgelassenen Schule. Ich, die reiche Investorin, die ein neues Anwesen kaufen will und von vier Personenschützern bewacht wird. Im Gebäude verschanzt: Männer, die mich kidnappen wollen. Kurzfassung: Drei Personenschützer werden ausgeschaltet, einer flüchtet mit mir über ein Fenster aus dem ersten Stock. Der Sprint zum Wagen erweist sich als schwerer als gedacht. Die Beine fühlen sich plötzlich an wie Pudding.
„Gut gelöst“, meint Franz Wulz, Chef der Campus Security & Training Group, wenig später. Er hat alle drei Szenarien aus nächster Nähe beobachtet. Wulz, ehemaliger Polizist, leitet den (einzigen TÜV-zertifizierten) Ausbildungslehrgang für Personenschützer. Nach jeder Übung gibt es eine Manöverkritik. Wulz gibt auch die Übungsszenarien vor, setzt die sechs Teilnehmer unter Stress. In vier Tagen haben sie nur sechs Stunden geschlafen, manches Training findet unter lauter Beschallung mit Andrea-Berg-Musik statt. „Wir bemühen uns, realistische Situationen zu schaffen. Das Licht geht nicht, es liegen Dinge am Boden, die Schutzperson besucht einen belebten, unübersichtlichen Platz“, beschreibt er.
Die Teilnehmer kommen aus den unterschiedlichsten Bereichen. Einer arbeitet am Flughafen, ein anderer im Büro, ein dritter ist Detektiv. Die Voraussetzungen für den Lehrgang sind überschaubar: Volljährigkeit, Unbescholtenheit (auch keine Finanzdelikte), kein bestehendes Waffenverbot, Diskretion, Loyalität und eine gewisse körperliche Fitness.
Alles andere wird gelehrt.
High Society
Recht, zum Beispiel. Schießen, Verhörtechnik, IT oder auch Etikette – ein wesentlicher Bestandteil. Denn die Auftraggeber bewegen sich oft in den höchsten Kreisen. Wer das ist? Darüber herrscht Stillschweigen. Nur so viel: Durchaus auch Milliardäre. Und sie wünschen sich vor allem Bewacher mit Lebenserfahrung. „Am gefragtesten sind solche über 50.“ Und die sind Mangelware. Selbst die Cobra kann den Bedarf nicht mehr decken.
Das verbreitete Bild des Personenschützers als großen Mann im schwarzen Anzug und mit Sonnenbrille gibt es nicht mehr. „In unserem Job muss man empathisch sein. Wir sind Problemlöser im Stillen. Und in den meisten Fällen sind wir gar nicht sichtbar“, sagt Wulz.
Was für den Job spricht, ist nicht zuletzt die Bezahlung. Ein fünfstelliges Monatsgehalt ist üblich. Dafür ist der Einsatz das eigene Leben. Der Gedanke ist präsent. „Ich habe Versicherungen abgeschlossen und mein Testament gemacht“, sagt Ausbildner Rene.
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