Hunderte ÖBB-Züge fallen aus

Problemfälle: Schnellbahn (links) und die 1144er-Loks (rechts)
Innerhalb eines Monats waren mehr als 100 S-Bahnen und mehr als 100 Loks betroffen.

"Was sich gestern (wieder einmal) abgespielt hat, ist – vornehm ausgedrückt – eine Zumutung. Was ich tatsächlich denke, kann ich hier nicht äußern, ohne Gefahr zu laufen, mit dem Strafgesetz in Konflikt zu geraten", schreibt Wolfgang Huber an den KURIER.

"Gestern: Ausfall eines Regionalzuges von Bernhardsthal nach Wien-Meidling um 6 Uhr früh, ausgerechnet in der Stoßzeit. Heute: Zugausfall zwischen Gänserndorf und Floridsdorf um 7.10 Uhr", berichtet Leser Peter Sonnberger.

Fast schon im Tages-Rhythmus treffen momentan derartige Beschwerden in der Redaktion ein, oft garniert mit Fotos von Anzeigentafeln. Eine Erklärung für den zunehmenden Ärger liefert nun das angesehene Fachmagazin Eisenbahn Österreich. Erstmals wurden dort die Zugausfälle der ÖBB penibel aufgelistet – und die Zahl mag erstaunen. Denn zwischen 13. Juli und 17. August gab es demnach gleich 115 Ausfälle nur bei der alten 4020er-Schnellbahnen zu verzeichnen. Diese sorgten zuletzt für Aufsehen, weil ein Kompressor während einer Fahrt verloren ging. Zur Verdeutlichung: Es sind 199 dieser Züge im Einsatz. Folgt man dieser Statistik muss also jede Garnitur durchschnittlich alle acht Wochen repariert werden.

Suboptimaler Zustand

Auch die 217 Lokomotiven der Baureihe 1144 liefern ähnliche Probleme: 112 Ausfälle innerhalb des rund einmonatigen Zeitraums werden aufgelistet. Der Titel des alles anderen als reißerischen, sondern auffallend nüchtern formulierten Berichts lautet: "ÖBB-Triebfahrzeugpark in suboptimalen Zustand". Von "häufigen Schwierigkeiten" und "zunehmenden Problemen" sowie erzwungenen Kühlpausen bei Taurus-Lokomotiven ist die Rede.

Bei den ÖBB werden die Zahlen gar nicht abgestritten, aber präzisiert: Bei den 4020-ern seien nur 87 Züge total ausgefallen, 31 weitere konnten mit einer statt zwei Garnituren fahren, heißt es. Die in dem Bericht angeführten Türsteuerungsprobleme seien nur zu Jahresbeginn aufgetreten und mittlerweile im Griff. "Unser Fuhrpark ist prinzipiell in einem guten Zustand. Seit 2000 werden ältere Baureihen sukzessive durch neue Triebfahrzeuge ersetzt", sagt ÖBB-Sprecherin Juliane Pamme.

Doch auch die neuen Züge machen durchaus Probleme, laut dem Fachbericht standen am 27. Juli gleich drei der nagelneuen Cityjets – das ist ein beträchtlicher Teil der erst aus wenigen Garnituren bestehenden Flotte. Darüber hinaus gibt es, wie berichtet, derzeit Probleme mit der Aerodynamik bei den Cityjets. Es ist unklar, ob diese ab März noch für die Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h zugelassen bleibt. Auch die Railjets sind "trotz ihrer geringen Stückzahl recht oft in den Störungsmeldungen" zu finden, schreibt Eisenbahn Österreich und listet gleich acht gröbere Railjet-Verspätungen innerhalb nur einer Woche auf.

Nicht verspätet

Bezüglich Pünktlichkeitsstatistik ist es für die Bahn jedenfalls besser, wenn ein Zug ganz ausfällt. Denn wenn keine Garnitur im Einsatz ist, findet diese Verbindung in der Bilanz keinen Niederschlag. Kurz gesagt: Wo kein Zug fährt, kann es auch keine Verspätung geben.

Der alte 4020er ist jedenfalls auch schon seit längerer Zeit im Visier der Eisenbahner-Gewerkschaft vida. Kritisiert wurde bereits mehrfach, dass es zu wenige wagentechnische Untersuchungen gibt. "Die Triebfahrzeuge der Baureihe 4020 werden alle zwei bis drei Tage kontrolliert", heißt es dazu bei den ÖBB. Allerdings muss dies nun nicht mehr durch einen ausgebildeten Wagenmeister getan werden, sondern wird eher oberflächlich kontrolliert, moniert die Gewerkschaft.

Keine guten Nachrichten für Wien. Denn die rotgrüne Regierung will mehr Pendler aus dem Umland zum Umstieg auf die Öffis bewegen. "Ziel ist eine massive betriebliche Angebotsverbesserung im Kernbereich des Wiener Schnellbahn-Netzes. Dazu gehört das Angebot eines 15-Minuten-Taktes auf S-Bahn-Außenästen", steht im Regierungsübereinkommen. Erst im Sommer wurde der Ausbau der Verbindungsbahn von Hütteldorf nach Meidling beschlossen, derzeit wird laut über eine Verlängerung der Vorortelinie entlang der Donau nachgedacht. "Die ÖBB verzögert allerdings alle Verbesserungen im Schnellbahnbereich", kritisiert der grüne Verkehrssprecher Rüdiger Maresch. Das Wagenmaterial für die S-Bahn sei "hoffnungslos veraltet, nicht behindertengerecht und für Eltern mit Kinderwagen eine Zumutung", sagt Maresch. Zudem bräuchte es einen viergleisigen Ausbau von Mödling nach Meidling. Maresch: "Stattdessen hat die ÖBB dort eine Lärmschutzwand gebaut."

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