Hundehalter werden an die kurze Leine genommen
In Wien ist das nicht neu: In Lokalen, öffentlichen Verkehrsmitteln oder bei Veranstaltungen müssten Hunde eigentlich einen Maulkorb tragen und „unter Kontrolle gehalten“, sprich: an die Leine genommen werden. Und zwar alle Hunde, unabhängig von der Rasse. Der Rottweiler (der als sogenannter Listenhund generell in der Öffentlichkeit Beißkorb und Leine tragen muss) ebenso wie der kleine Schmusehund. Was die Gastronomie betrifft, will Niederösterreich nachziehen.
„Für mich steht der Schutz der Kinder über dem der Hundehalter“, begründet das Tierschutzlandesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ). Das im nö. Landtag einstimmig beschlossene Hundehaltegesetz, das am 1. Jänner in Kraft tritt, sorgt allerdings für großen Unmut bei Hundehaltern. Sie beklagen, dass bei Menschenansammlungen für Hunde Leinen- und Beißkorbpflicht gelten soll. Vor wenigen Tagen gingen im Waldviertel deshalb die Mitglieder eines Hundesportvereins mit Transparenten auf die Straße. Am Donnerstagnachmittag überreichten Hundefreunde vor dem Landhaus in St. Pölten eine Protest-Petition mit fast 10.000 Unterschriften.
Ab 150 Gästen
Aufgrund der Aufregung veranlasste die ÖVP am Donnerstag im Landtag eine Nachbesserung in Form einer „authentischen Interpretation“. Dabei geht es um die Definition, was der Begriff „Menschenansammlungen“ bedeutet.
Der ÖVP schwebt Folgendes vor: Sobald sich mehr als 150 Personen in einem Gasthaus oder in einer Badeanlage aufhalten, müssen Vierbeiner angeleint sein und einen Maulkorb tragen. Sind weniger als 150 Menschen anwesend, reicht entweder eine Leine oder ein Beißkorb. Wie darüber abgestimmt wurde, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest. Waldhäusl hält davon jedenfalls nichts: „Wie soll das kontrolliert werden bzw. wer zählt die anwesenden Personen?“, fragte er.
"Kontraproduktiv"
Auch die Hundebesitzer geben sich damit nicht zufrieden. „Bei dieser Gesetzgebung handelt es sich um eine hundefeindliche Politik“, sagt Barbara Stohl, die mit ihrer Online-Petition „Nein zu den beschlossenen Änderungen des NÖ Hundehaltegesetzes!“ fast 10.000 Unterschriften gesammelt hat. Sie glaubt, dass die strengere Gesetzgebung zu einer „Spaltung in der Gesellschaft“ führen werde.
Tierpsychologin Yvonne Adler fürchtet zudem, dass sich die Gesetzgebung kontraproduktiv auswirken könnte: „Je mehr man die Tiere einschränkt, desto höher wird ihre Stressbelastung und umso mehr kommt es zu Verhaltensauffälligkeiten.“ Was die Politik als Sicherheitsgesetz ankündige, vermittle nur Scheinsicherheit, meint Adler.
Verfassungsklage
Aber auch in Wien regt sich Widerstand gegen das Tierhaltegesetz, das 2018 nach einer tödlichen Bissattacke eines Rottweilers auf ein Kleinkind verschärft wurde. Hier geht es allerdings um die Regelungen für sogenannte Listenhunde, sprich: um die generelle Maulkorb- und Leinenpflicht für Rottweiler, Pitbull, Stafford und Co. in der Öffentlichkeit. Weil man diese für gleichheitswidrig hält, bekämpft der Hundehalterverband das Gesetz vor dem Verfassungsgerichtshof.
Die zuständige Stadträtin Ulli Sima (SPÖ) beeindruckt das wenig. „Es gibt eine rechtsgültige Entscheidung des Verfassungsgerichts aus dem Jahr 2011, das uns als Gesetzgeber die Möglichkeit gibt, bei gefährlichen Hunde-Rassen bestimmte Maßnahmen zu setzen“, sagt sie.
Streit um Rasselisten
Doch nicht nur die strengeren Regeln für Listenhunde sind umstritten, sondern auch die Rasselisten selbst. Während Sima daran festhält (und wie Waldhäusl mit der Sicherheit der Kinder argumentiert), steigen Tierschützer, Hundehalter und anders als sein nö. Parteifreund auch FPÖ-Tierschutzsprecher Udo Guggenbichler dagegen auf die Barrikaden. Sie berufen sich auf eine Studie der Veterinärmedizinischen Universität, wonach das Verhalten eines Hundes nicht von der Rasse, sondern von seiner Haltung abhängt.
Ex-Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) drängte als Ressortverantwortliche im Bund zwar ebenfalls auf eine Aufhebung der Rasselisten. Da das Tierhaltegesetz aber Landessache ist, blieb das Wunschdenken.
Pro & Contra: Braucht es ein generelles Hundeverbot im Gasthaus?
Pro:
Man muss nicht Immanuel Kant („Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt“) bemühen, um zu erkennen, dass Hunde in Gasthäusern nichts verloren haben. An allen anderen Orten, an denen sich Menschen auf engem Raum bewegen, übrigens auch nicht.
Das Problem ist an beiden Enden der Leine zu finden – so die Hundehalter diese überhaupt verwenden. Womit wir schon mitten im Thema wären: Viele Hundebesitzer kennen die gesetzlichen Bestimmungen zu Leinen- und Beißkorbpflicht, die in ihrem Bundesland gelten, nicht. Oder sie ignorieren sie schlichtweg. So oder so – mit dem verantwortungsvollen Umgang, dessen sich die Halter gerne rühmen, hat beides nichts zu tun. Es wird wohl zu wenig gestraft.
Hundehalter nehmen damit billigend in Kauf, dass sie andere in ihrem Wohlbefinden beeinträchtigen. Das ist nicht neu: Hundefreunde sind tendenziell mit einer (un-)gesunden Portion Egoismus ausgestattet. In einem Land, in dem der kläffende Hund wohlgelittener ist als das lärmende Kind, kann man sich diese Geisteshaltung erlauben. Bedenken anderer werden abgetan. („Meiner tut ja nix!“)
Das Thema endet aber nicht bei rechtlichen Spitzfindigkeiten: Tiere im Lokal sind für viele ein grundsätzliches Ärgernis. Denn die wenigsten tun das, was ihre Halter von ihnen behaupten. Sie liegen eben nicht dösend unterm Tisch, sondern schnüffeln zu den Nachbarn. (Aus der Sicht des Hundes ist das auch sehr verständlich.) Details zu Fellgeruch (gerade im feuchten Herbst) und schlabberigen Zungen seien den geneigten Lesern an dieser Stelle erspart. Falls sie übrigens doch angeleint sein sollten – die Hunde, nicht die Leser! –, bauen sie mit ihrer Leine gerne Stolperfallen zwischen Sesselbeinen. Schade, dass nicht vorrangig ihre Besitzer darüber stolpern. - von Christoph Schwarz
Contra:
Ein Hund im Wirtshaus? Ja selbstverständlich kann das eine ganz delikate Sache sein. Insbesondere dann, wenn er mit Raffinesse zubereitet worden ist und die Beilagen passen...
Aber jetzt einmal im Ernst: Wo genau liegt das Problem?
Kein halbwegs mit Vernunft geschlagener Mensch wird seinen auch noch so geliebten und geschätzten Vierbeiner in ein Haubenlokal oder zu einem Business-Lunch mitschleppen, wenn er oder sie plant, in gepflegter Atmosphäre mehrere Gänge – und damit Stunden – zu verbringen.
Und umgekehrt spricht selbst aus Sicht eines Nicht-Hundehalters absolut nichts dagegen, dass ein fest angeleinter und im Idealfall auch noch per Beißkorb gesicherter Hund unter dem Tisch oder der Sitzbank döst, während Herrchen oder Frauchen ein gepflegtes Bier zu sich nehmen – oder einfach nur eine Kleinigkeit speisen.
In jenen Fällen, in denen ein Hund nicht von den Kindern am Nachbartisch gestreichelt werden will, sondern geruchs- oder lärmbedingt für alle Restaurantgäste nur noch eine Zumutung ist, reagieren halbwegs verantwortungsvolle Hundehalter von selbst (auch dem Besitzer ist es in der Regel nicht egal, wenn Bello unterm Wirtshaustisch anhaltend bellt).
Wie bei allen Haustieren, Autos und sonstigen Diskussionsthemen sind in der Regel die Besitzer und nicht die Dinge selbst das Problem.
Für die Kläffer im Wirtshaus heißt das: Wenn jemand partout nicht einsehen möchte, dass sein Hund stinkt, um etliche Dezibel zu laut ist oder dass er die anderen Gäste sonstwie stört, wird ihn oder sie der Kellner oder schlimmstenfalls der Chef selbst darauf hinweisen – oder der Gaststube verweisen. Dafür braucht es keine neuen Verordnungen oder Gesetze. Dafür reicht der Hausverstand. - von Christian Böhmer
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