Höchstgericht kippt Rückweisungen
"Da gibt’s jetzt für so viele wieder Hoffnung." Petra Leschanz vom Verein Border Crossing Spielfeld klingt erleichtert: Ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) stellt jene Abschiebungen von Österreich nach Kroatien infrage, die wegen der Dublin-III-Verordnung vorgenommen werden.
Das Höchstgericht hat damit auf eine Beschwerde reagiert, die beim Bundesverwaltungsgericht eingereicht wurde. Darin erhoben betroffene Flüchtlinge Einspruch gegen ihre Rückweisung nach Kroatien: Sie sollen gehen, weil sie über die Balkanroute ins Land kamen.
Staatlich organisiert
Die Höchstrichter zweifeln die Praxis der "Außerlandesbringung" im Erkenntnis vom 16. November aber an: Beim Europäischen Gerichtshof liegt eine Beschwerde Sloweniens, um festzustellen, ob die Durchreise illegal war oder nicht. Denn die Weiterreise der Flüchtlinge sei in Serbien und Kroatien quasi staatlich organisiert worden.
Solange das nicht entschieden sei, seien Ausweisungen aus Österreich unzulässig und zu stoppen, interpretiert der Grazer Rechtsanwalt Ronald Frühwirt. Er verweist auf entscheidende Passagen des VwGH-Erkenntnisses: Österreich müsste nämlich vor der Abschiebung erst einmal prüfen, ob Betroffene auf eben diese staatlich organisierte Weise bis nach Österreich kamen. Sollte das zutreffen, müssten die Verfahren zumindest ausgesetzt werden.
Im Innenministerium teilt man diese Einschätzung nicht. "Wir sehen in dem Erkenntnis keine generelle Wirkung für die Verwaltungspraxis", teilt Sprecher Karl Heinz Grundböck mit, gesteht aber ein: "In jedem individuellen Verfahren ist das, was vom VwGH vorgebracht wurde, zu würdigen."
Die Hilfsvereine sind sich aber sicher: "Der VwGH bestätigt jetzt genau das, was wir auch schon immer festgehalten haben. Diese Einreisen können nicht illegal gewesen sein", betont Petra Leschanz. Um wie viele Menschen es geht, ist nicht genau bekannt. Nur eine Zahl kursiert: 1782 Anträge auf Rückweisung wurden zwischen Jänner und September von Österreich gestellt.
Leschanz unterstützt mit Border Crossing Spielfeld Dutzende Betroffene, so auch Familie O. aus Syrien: Die schwangere Nadia und Ahmad flüchteten mit Tochter Rawa aus Aleppo und kamen am 11. Februar in Spielfeld an. Sohn Munzir wurde in Österreich geboren.
Doch die Familie wurde vergangene Woche ausgeflogen und in das kroatische Flüchtlingscamp "Hotel Porin" gebracht. Jetzt versucht der Verein, die Syrer zurückzuholen. Die Frist ist knapp: Innerhalb von sechs Wochen muss Beschwerde eingebracht werden.
Aufschub abgelaufen
Das VwGH-Erkenntnis könnte auch Familie H. in Kumberg nützen. Für die Iraker gibt es einen aufrechten Ausweisungsbescheid, die aufschiebende Wirkung eines Spruchs des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ist abgelaufen.
Rawya und Delan H. sowie ihre Kinder Alan und Ayenne haben viele Freunde und Unterstützer: Zuletzt bat auch Bischofsvikar Hermann Glettler in einem Brief an das Innenministerium, Familie H. bleiben zu lassen. "Sie stellt einen Idealfall an Integration dar."
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