Tag vier nach dem Hochwasser in der Gemeinde Heimschuh, Bezirk Leibnitz: Vor dem Radler-Treff neben dem Gemeindeamt packt rund ein Dutzend Bundesheersoldaten für heute zusammen. Im Radler-Treff sitzen schon wieder viele Urlaubsradler.
Dass am vergangenen Freitagabend die Akten wie tote Fische durch das Amt trieben, könnte man jetzt leicht verdrängen. Die Sonne scheint. Und Jannick, 13, zieht es runter zum Ufer der Sulm, die noch immer viel Wasser führt.
Am Vormittag hatte Feuerwehr-Kommandant Josef Krenn in einer weiteren Krisensitzung in der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz erklärt: „Das Gröbste ist jetzt überstanden.“ Wohl wissend, dass damit nur die Wassermassen gemeint sind.
Jannick stellt fest, dass der öffentliche Spielplatz von Heimschuh noch steht, dass aber der sandige Untergrund weggespült wurde. Ja, er würde dem stellvertretenden Bezirkshauptmann Wolfgang Klemencic zustimmen. Der hat im Gespräch mit dem KURIER von der größten Naturkatastrophe gesprochen, die er selbst erlebt hat.
Bis gestern wurden im südlichsten Bezirk der Steiermark rund 200 Hänge gemeldet, die aufgrund der massiven Regenfälle zu Tal gerutscht sind. „Diese Zahl könnte aber in den nächsten Wochen und Monaten noch in die Tausende gehen“, so Klemencic.
Stellvertretender Bezirkshauptmann von Leibnitz, Wolfgang Klemencic
Der Mensch hätte in den vergangenen Jahren wohl zu unvorsichtig in die Natur eingegriffen, erklärt der Beamte. Was ihm auch ernste Sorge bereitet: Wie sollen jene, bei denen schon eine kaputte Waschmaschine ein Loch in ihr monatliches Budget reißt, nun all die Aufräumarbeiten bei sich zu Hause bezahlen?
Davon weiß der 13-jährige Jannick noch nicht viel. Er sieht und hört aber, wie die Erwachsenen sehr ernste Gesichter zu sehr ernsten Gesprächen machen. Und er macht sich Sorgen um jene Freunde, die weiter unten beim Wasser wohnen und die Videos posteten, auf denen den Erwachsenen das Wasser bis zur Brust reichte und Autos untergingen.
Was passiert, wenn das Hochwasser wieder nach Heimschuh kommt?
Bei solchen und anderen Sorgen ist sein Team für die Krisenintervention da, sagt Klaus Steinwendter, Bezirksrettungskommandant beim Roten Kreuz in Leibnitz. Auf das Team wartet viel Arbeit: Zum Beispiel das persönliche Schicksal von Menschen, die sich noch in der Vorwoche freuten, dass die Handwerker in ihren Wohnungen die letzten Handgriffe getätigt hatten. Und heute ist nicht alles, aber doch sehr viel kaputt.
Klaus Steinwendter, Bezirksrettungskommandant beim Roten Kreuz in Leibnitz
Jannick hat in jungen Jahren bereits zwei Hochwasser-Ereignisse in Heimschuh erlebt. Er spricht von Klimawandel. Macht sich so seine Sorgen – mitten in den Sommerferien.
Es gibt aber auch Erfreuliches zu berichten. Rotkeuz-Mann Steinwendter erzählt von Nachbarn, die Zimmer für Evakuierte angeboten haben, und vom Zusammenwachsen der Blaulichtorganisationen im Kampf gegen einen übermächtigen Feind.
Der Starkregen hat in der gepflegten Kultur- und Naturlandschaft überall sichtbar hässliche und nicht zuletzt bedrohliche Schneisen hinterlassen. Es wird Jahre dauern, bis über alle Wunden Gras wachsen kann.
Das Spendenkonto des Roten Kreuzes: IBAN AT06 2011 1800 8076 0700.
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