Wenn Hänge zu rutschen beginnen und der Respekt bröckelt

Was wäre, wenn Ihr Haus nicht in Wien, Niederösterreich oder dem Burgenland stehen würde?
Sondern in Unterkärnten.
Was wäre, wenn Starkregen und Hangrutschungen Ihnen am vergangenen Wochenende alles genommen hätten, wofür Sie Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, gearbeitet hätten?
Was wäre, wenn in einem Moment, in dem Sie völlig verzweifelt sind, Helfer von Feuerwehr, Berg- und Wasserrettung, Polizei oder des Landes vor Ihnen stehen und Sie wissen, Sie sind nicht alleine?
Sie wären vermutlich dankbar, froh und erleichtert.
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Doch es sind nicht nur jene Wörter, die man zu hören bekommt, wenn man mit Einsatzkräften über die mehr als 3.500 Unwettereinsätze spricht, die sie seit Donnerstagabend in Kärnten bewältigt haben.
Vielmehr fallen Begriffe wie: beschimpft, ignoriert, attackiert.
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Denn die Unwetter in Kärnten haben in 72 Stunden nicht nur ein zuvor kaum da gewesenes hydrografisches Ausmaß erreicht, sondern auch ein menschliches.
Helfer wurden von Passanten und Autofahrern beschimpft, da diese einen Zeitverlust wegen gesperrter Straßen und Umleitungen in Kauf nehmen mussten.
Helfer, die als Freiwillige ihre eigenen Familien zurückließen, um anderen zur Seite zu stehen, hörten Sätze wie: „Was regst dich denn auf. Ich hab ja eh Gummistiefel an, wenn ich über die Mure gehe.“ Der tragische Höhepunkt: Ein Mann verlor sein Leben, als er die Sperre eines Weges ignorierte und mit seinem Rad in die Glan stürzte. Verzweifelt kämpften die Einsatzkräfte stundenlang um sein Leben. Am Ende vergebens.
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Gewiss: Jeder hat ein Recht auf Risiko. Doch niemand hat ein Recht auf Rettung. Schon gar nicht, wenn er selbst Retter in Gefahr bringt, weil er glaubt, seinen Kinderwagen in ein abgesperrtes Gebiet schieben zu müssen, um Fotos für soziale Medien zu machen. Auch das berichteten die Helfer.
In Kärnten ist am Wochenende viel mehr in Bewegung gekommen als ein paar Hänge. Wir sprechen von einem menschlichen Elementarereignis, begleitet von Ignoranz und Respektlosigkeit. Vielleicht nur von einigen wenigen, aber mit verheerender Außenwirkung.
Von den Wüterichen wird dabei offenbar vergessen, dass hinter jeder Uniform, unter jedem regentriefenden Helm, hinter jedem Gegenüber, das seit mehr als 40 Stunden wach ist, um zu helfen, ein Mensch steht.
Darum danke! An Klaus, Friedl, Gernot, Markus, Dietmar, Sigi, Benjamin und all die anderen, die ich am vergangenen Wochenende kennenlernen durfte. Ihr seid keine Helden. Aber Menschen, die Übermenschliches leisten.

Anja Kröll
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