Herdenschutz im Kampf gegen Wolfsrisse für Totschnig "nicht umsetzbar"

Herdenschutz im Kampf gegen Wolfsrisse für Totschnig "nicht umsetzbar"
Hirten, Hunde und Zäune würden nichts helfen, weil in Österreich 50 Prozent der Schafherden weniger als 20 Tiere haben.

Für Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) ist der Herdenschutz durch Hirten, Hunde und Zäune im Kampf gegen den Tierriss durch Wölfe "nicht umsetzbar". Wie der Minister in einem Interview mit dem "Ö1-Mittagsjournal" sagte, sei das in Österreich nicht möglich, da 50 Prozent der Schafherden weniger als 20 Tiere haben.

"Hier mit Herdenschutz zu kommen, das ist einfach nicht realistisch." Es würden hier "unsinnige Kosten" entstehen, "wenn wir das finanzieren würden".

Projekte laufen

Der Herdenschutz sei für Totschnig ein wichtiges Thema, mehrere Projekte seien am Laufen. In Österreich sei zehn Prozent der Fläche Almgebiet, es gebe mehr als 8.000 Almen. Aber bei einem Besuch mit Experten in Kärnten habe gezeigt, dass es in Österreich eine Kulturlandschaft gebe, die extrem wichtig für den Tourismus sei.

➤ Jagd auf Wolf erleichtert: Tirol erklärt alle Almen zum Schutzgebiet

"Und diese Kulturlandschaft wird erhalten durch eine extensive Almwirtschaft. Und wenn man die noch konfrontiert mit Raubtieren, mit Herdenschutzmaßnahmen, die Unsinnigkeiten kosten, kommt man zu der Schlussforderung, das ist nicht zu erhalten."

"Wir brauchen einen sachlichen Zugang", sagte Totschnig. Er habe auf EU-Ebene eine Evaluierung des Schutzstatus und ein europaweites Monitoring sowie im österreichischen Parlament einen "Naturschutz mit Hausverstand" gefordert. "Und der braucht klare Regeln, damit das Zusammenleben mit Wildtieren und Menschen möglich wird." Und weiter: "Wir fordern hier Realismus ein, zu sagen Herdenschutz ist die Lösung, ist einfach falsch."

➤ Studie über Nutztier-Risse: Schafe am häufigsten Opfer vom Wolf

Es wurden fast ausschließlich Schafe gerissen

Im Vorjahr haben über 90 Prozent der 1.780 Nutztierverluste durch den Wolf die almreichen Bundesländer Tirol und Kärnten betroffen, wobei fast ausnahmslos (95 Prozent) Schafe gerissen wurden. Im Landwirtschaftsministerium wird befürchtet, dass sich diese Entwicklung negativ auf die Bewirtschaftung von Almflächen auswirken könnte, die sich in den letzten 20 Jahren halbiert haben. Die Almwirtschaft ist allerdings Grundlage für den Tourismus - Stichwort Landschaftspflege - und den Erhalt der Artenvielfalt, die sich erst mit der Kultivierung von Almflächen herausgebildet hat. Werden Almen aufgegeben, droht Versteppung und Verwaldung.

EU-Mitgliedstaaten befürworten Neubewertung

Seit 2018 ist der Wolf in Europa laut der Internationalen Naturschutzorganisation (IUCN) nicht mehr gefährdet. Der strenge Schutz des Wolfs und anderer großer Beutegreifer beruht auf der 30 Jahre alten EU-Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie. Einer Änderung ebendieser bedarf auf europäischer Ebene der Zustimmung des Rates der Umweltministerinnen und -minister. Die Forderung von Landwirtschaftsminister Totschnig nach einer Neubewertung des Schutzstatus wird von 16 EU-Mitgliedsstaaten unterstützt und auch das EU-Parlament hat bereits dafür gestimmt.

Kommentare