Anja Haider-Wallner ist Spitzenkandidatin der Grünen. Nach der Wahl scheint vieles möglich – von einer Regierungsbeteiligung bis hin zum Scheitern an der vier Prozent Hürde.
Anja Haider-Wallner (45) über die Rolle der Grünen im Burgenland, einen drohenden Rechtsruck und ihren ausgestreckten Arm in Richtung (fast) aller Parteien – und auch derer Wähler.
KURIER:Was sagen Sie zum Aus der Koalitionsverhandlungen?
Anja Haider-Wallner: Jetzt zeigt sich, wer bereit ist, Verantwortung für Österreich, für ein größeres Ganzes und für die Zukunft zu übernehmen. Gerade in diesen Zeiten gilt es Kompromisse einzugehen und sich auf gemeinsame Positionen zu einigen. Das ist offensichtlich nicht gelungen und das ist traurig, weil jetzt drei Monate verloren wurden.
Die Grünen sind seit 25 Jahren im Landtag. Laut der bisher einzig veröffentlichten Umfrage könnte es dieses Mal eng werden?
Täglich lesen wir in der Zeitung, was am Wahltag passieren könnte: Für Grüne stehe der Wind nicht gut und wenn Doskozil die Absolute verliert und Hofer gar Erster wird, drohen Rot-Blau oder Blau-Schwarz. Wir sagen: egal!
Solche Spekulationen helfen niemandem. Die Burgenländerinnen und Burgenländer dürfen nicht Opfer politischer Spielchen werden. Bei uns weiß man, was man kriegt: Bodenversiegelung stoppen, Ortskerne wiederbeleben, mehr Transparenz in der Politik. Ohne uns drohen Rückschritte, die unsere Lebensgrundlage gefährden.
Sind die burgenländischen Grünen Opfer des aktuellen Zeitgeists, der Regierungsbeteiligung im Bund oder wurden auch Fehler gemacht?
Vielerorts gibt es Fake News und Kampagnen gegen die Grünen, die sich nicht positiv auf unser Image auswirken. Vor allem aus Deutschland schwappt viel zu uns herüber. Man sieht überall, dass Regierende abgestraft werden. Ich kann das zu einem gewissen Grad nachvollziehen, die Leute haben die Krisen der letzten Jahre einfach satt. Wenn dann die Grünen kommen und sagen, dass wir unser Leben massiv verändern müssen, wenn wir die Überlebensfähigkeit der Menschheit auf diesem Planeten sicherstellen wollen, können das viele nicht mehr hören, das ist ein Zuviel an Krisen. Ich glaube außerdem, dass einige unserer Wählerinnen und Wähler wegen der Coronapolitik abgesprungen sind. Es gibt immer Luft nach oben, im Nachhinein ist es immer leicht zu sagen, was man hätte anders machen können.
Wie wollen Sie Wählerinnen und Wähler davon überzeugen, dass die Grünen eine starke Stimme im Landtag brauchen?
Ganz einfach: Ohne Grüne kein Bodenschutz, kein Naturschutz, keine lebendigen Ortskerne. Das Burgenland droht ohne Grüne zum Land der Betonierer-Parteien zu werden und dann wirds finster, denn: Wer betoniert, verliert Lebensraum, Sicherheit, Artenvielfalt und damit unsere Lebensgrundlage.
Wie groß ist die Gefahr, dass das Burgenland bei einem grünen Ausscheiden einen Schritt nach rechts macht?
Die Gefahr ist nicht nur gegeben, sie ist sogar sehr groß. Das Thema Asyl ist aufgrund der gegenwärtigen weltpolitischen Lage omnipräsent, die Menschen sind in Sorge. Ich würde mir auch wünschen, dass es in dieser Frage einfache Antworten und Lösungen gibt. Aber die gibt es nicht. Wer einfache Botschaften von einer Festung oder Mauer setzt, erzählt den Menschen Märchen. Wir sind an EU-Recht gebunden und wir haben Menschenrechte zu würdigen. Und ja, Sicherheit ist auch uns wichtig: Menschen die für ein Verbrechen verurteilt werden, sollen ihre Strafe absitzen und haben dann ihr Aufenthaltsrecht verwirkt. Und wer hier leben will, muss sich an unsere Regeln halten. Ohne uns Grüne verliert das Burgenland eine starke Stimme der Vernunft und Menschlichkeit, die es gerade in Zeiten wie diesen besonders braucht.
Die SPÖ kämpft um die Absolute, die Grünen um den Einzug – gibt es trotzdem Hoffnung auf „taktische“ Stimmen von SPÖ-Wählern, die die Grünen im Landtag sehen möchten, um so Blau-Schwarz zu verhindern?
Dass die Grünen das Zünglein an der Waage sind, wenn es drum geht, Blau-Schwarz zu verhindern, ist bekannt. Wenn uns das Stimmen bringt, nehmen wir diese und die damit verbundene Verantwortung dankend an. Egal ob es Stimmen von SPÖ, ÖVP oder auch NEOS-Wählern sind, die nicht wollen, dass ihre Stimme verfällt.
Welche Stimmungen haben Sie auf Ihren Touren durch das Land bisher eingefangen?
Was sich durch alle Gespräche durchgezogen hat, ist, dass es den Menschen wichtig ist, dass sie in einer gesunden Umwelt leben. Die Menschen zählen drauf, dass wir uns für die Natur einsetzen, wir uns für den Bodenschutz einsetzen, und dass wir das auch sozial ausgewogen machen.
Wie ist das persönliche Verhältnis zu Hans Peter Doskozil bzw. den anderen Spitzenkandidaten?
Mit Hans Peter Doskozil hatte ich ein gutes Kennenlern-Gespräch, mit Christian Sagartz treffe ich mich gelegentlich auf einen Kaffee, auch mit Christoph Schneider habe ich ein gutes Verhältnis. Géza Molnár kenne ich durch den Gemeinderat in Eisenstadt. Norbert Hofer habe ich erst ein- oder zweimal bei Veranstaltungen getroffen und gegrüßt.
Wie wollen Sie in den letzten Tagen vor der Wahl die Aufmerksamkeit auf grüne Themen lenken und verhindern, dass Ihre Anliegen vom Zwei- beziehungsweise Dreikampf überlagert werden?
Mittlerweile dürfte bekannt sein, was unsere Themen sind, wofür wir Grüne stehen, wofür wir uns über den Wahltag hinaus einsetzen. Wir sind überzeugt, dass die Burgenländerinnen und Burgenländer kritisch genug sind, um nicht auf die Inszenierung eines Duells Doskozil gegen Hofer hereinzufallen und dabei auf die Themen zu vergessen, die für die Zukunft unseres Landes entscheidend sind. Wir glauben nicht an eine künstliche Zuspitzung vor der Wahl, wir setzen lieber auf dauerhaft relevante Themen und Inhalte.
Unter welchen Bedingungen wären Sie zu einer Zusammenarbeit mit der SPÖ bereit, gibt es „rote Linien“?
Ich kann mir mit allen Parteien eine Koalition vorstellen, mit Ausnahme der FPÖ. Die Frage ist eher, welche Mehrheiten möglich sind. Eine Koalition mit der SPÖ in diesem Stärkeverhältnis wäre garantiert kein Zuckerschlecken, da machen wir uns nichts vor. Unser Wahlprogramm steht, die Themen und Inhalte sind definiert. Mit „roten Linien“ und Koalitionsbedingungen setzen wir uns erst im Rahmen etwaiger Koalitionsgespräche auseinander.
Wenn es mit dem Einzug nicht klappt, haben Sie persönlich einen „Plan B“?
Der 19. Jänner ist ein Stichtag, der darüber entscheidet, wie es im Burgenland weitergeht. Aber wir werden uns auch über diesen Tag hinweg mit ganzer Kraft für unsere Themen einsetzen, um unseren Kindern und Enkelkindern ein lebenswertes Burgenland zu hinterlassen. Denn es mag vielleicht so etwas wie einen „Plan B“ geben, aber es gibt keinen „Planet B“.
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