Großrazzia bei Muslimbruderschaft war rechtswidrig
Muslimbrüder-Razzia teilweise rechtswidrig
Die Operation Ramses/Luxor hätte ausgerechnet am 3. November stattfinden sollen, doch am Abend davor kam es zu dem folgenschweren Anschlag in der Wiener Innenstadt. Zu Beginn war sogar ein möglicher Zusammenhang vermutet worden.
Die Großrazzia wurde jedenfalls verschoben und mit einigen Tagen Verspätung durchgeführt. Das Landesgericht für Strafsachen Graz hat in einer aktuellen Erkenntnis, die dem KURIER vorliegt, nun aber festgestellt, dass es gar keinen ausreichenden Verdachtsmoment gegeben hat. Die Hausdurchsuchung sei deshalb eine Rechtsverletzung gewesen.
In dem Schreiben äußert das Berufungsgericht, „keinen genügenden Verdacht einer (ihr zuzurechnenden oder sonst von einem Dritten begangenen) strafbaren Handlung zu erkennen, zu dessen Klärung die Durchsuchung von durch das Hausrecht geschützter Räumlichkeiten“ notwendig gewesen wäre. „Die Verdachtsannahmen dürfen sich nicht in Mutmaßungen und Spekulationen erschöpfen, sondern müssen sich aus einer Bewertung zugänglichen Beweisergebnissen ableiten lassen.“
Und es wird sogar noch weiter gegangen: Ob die Muslimbrüder tatsächlich eine Terrororganisation sind, wird massiv infrage gestellt: „Anders etwa als beim „Islamischen Staat“ (IS), dessen gesamthafte terroristische Ausrichtung mittlerweile gerichtsnotorisch ist, tragen die aktenkundigen Verfahrensergebnisse aus Sicht des Beschwerdegerichts derzeit nicht die Verdachtsannahme, bei der Muslimbruderschaft handle es sich (...) um eine weltweit weitgehend homogene Gruppe, die als Ganzes die von § 278b Abs 3 StGB verlangten Merkmale aufweist, sodass jedes Mitglied, egal wo es ist oder wie es sich im Rahmen einer aus Millionen Menschen bestehenden Massenbewegung betätigt, dem Verdacht nach ohne weiteres auch ein – zudem die vollständige subjektive Tatseite aufweisendes – Mitglied einer terroristischen Vereinigung ist.“
Die Staatsanwaltschaft Graz wird damit aufgefordert, den entsprechenden Rechtszustand von vorher - also vor der Hausdurchsuchung - wiederherzustellen. De facto dürfen damit die sichergestellten Daten nicht verwendet werden, auch die Öffnung der Konten war demnach rechtswidrig.
Telefonüberwachungen noch ungeklärt
Auch die Verweigerung der Akteneinsicht für die Anwälte sei nicht erlaubt gewesen. Dazu erhalten alle Beteiligte ihre beschlagnahmten Güter wieder zurück.
Noch keine Entscheidung gibt es über die Rechtmäßigkeit der Telefonüberwachungen, diese muss extra verhandelt werden. Das dürfte nach den bisherigen Entscheidungen aber eher eine Formsache sein.
Insgesamt zehn Beteiligte hatten Beschwerde gegen die Razzia eingelegt. Die Durchsuchung hatte enorme Ressourcen gebunden, rund Tausend Polizisten waren im Einsatz. 60 Wohnungen und Vereine wurden durchsucht, dreißig Personen zeitweise festgesetzt. Von ursprünglich kolportierten fünfundzwanzig Millionen Euro, die angeblich beschlagnahmt worden sind, war später aber keine Rede mehr.
Laut Hansjörg Bacher, Sprecher der Staatsanwaltschaft Graz ändere die Entscheidung des OLG nichts an den laufenden weiteren Ermittlungen, die jedenfalls weitergeführt würden. Die Entscheidung werde im Detail überprüft, sobald sie offiziell eingelangt ist.
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