Die U-Bahn für Graz ist endgültig vom Tisch
"U-Bahn, S-Bahn - was ist besser? Im Grunde ist das eine Gefühlsangelegenheit", sinniert die Grazer Vizebürgermeisterin Judith Schwentner (Grüne). "Wir wissen, jede Bürgerin und jeder Bürger ist ein Verkehrsexperte."
Die offiziellen Experten, die ein Jahr lang mögliche Varianten für den Öffi-Ausbau in der steirischen Landeshauptstadt untersuchten, kommen jedoch in ihrem 300 Seiten starken Bericht zu keinem klaren Ergebnis zwischen U-Bahn, Straßenbahnausbau und S-Bahn-Tunnels in zwei Längenvarianten. "Eine eindeutige Reihung der Konzepte ist nicht möglich", erläutert Stadtbaudirektor Bertram Werle. Jedes habe seine Vor- und Nachteile.
Deshalb muss die Politik entscheiden - und die Koalition aus KPÖ, Grünen und SPÖ legt sich am Dienstag fest: "Wir bevorzugen die S-Bahn-Variante", betont Schwentner, die auch Verkehrsstadträtin ist. "Bis Ende des Jahres werden wir ein Konzept vorlegen, wie es mit dem öffentlichen Verkehr in Graz weiter gehen soll."
Eine Volksbefragung ist - jedenfalls seitens der Koalition - vom Tisch. "Die Details überfordern eine Ja-Nein-Frage", begründet Schwentner. Bürgermeisterin Elke Kahr (KPÖ) sieht das ebenso. "Es ist fünf nach zwölf. Wir müssen zu einer Entscheidung kommen - und die muss die Politik treffen." Theoretisch könnte eine - rechtlich nicht bindende - Volksbefragung dennoch zustande kommen, falls genügend Unterschriften dafür gesammelt werden. Mindestens 10.000 sind dafür nötig.
Welche Projekte wurden untersucht?
Die Kommission - unter ihnen Vertreter der Stadtverwaltung und Parteien, aber auch externe Verkehrsexperten - hatte eine Vorgabe: Sie sollte untersuchen, mit welcher Variante der Öffi-Anteil in Graz bis 2040 auf 30 Prozent gesteigert werden könnte, derzeit liegt er bei 18,2 Prozent. Gleich vorweg: "Kein Konzept kann diese 30 Prozent nur durch das Angebot allein erreichen", hält Stadtbaudirektor Werle fest. Dazu seien zusätzliche Maßnahmen nötig, etwa im Stellplatzmanagement für Einpendler, die mit dem Auto kommen.
Geprüft wurden mehrere Varianten, hier die wichtigsten:
Mini-Metro: Sie ist das Prestigeprojekt der ÖVP-FPÖ-Vorgängerregierung. Die autonom fahrende U-Bahn war mit zwei Linien konzipiert, das Streckennetz 25 Kilometer lang, dazu wäre auch ein Straßenbahnausbau zusätzlich nötig. Sie würde nur innerhalb der Stadtgrenzen verkehren. Die Metro ist mit Investitionskosten von 3,3 Milliarden und jährlichen Betriebskosten von 160 Millionen Euro am teuersten, noch dazu wäre sie ein für Graz völlig neues System. Allerdings: Laut Studie würde sie einen Öffi-Anteil von 24,6 Prozent innerhalb von Graz bringen, das wäre der beste Wert. Bezieht man die Pendler mit ein, käme sie mit 24,8 Prozent ÖV-Anteil allerdings nur noch auf den dritten Platz hinter den beiden S-Bahn-Tunnelsystemen.
S-Bahn-Tunnel lang: Er hätte zwölf Stationen und könnte auch als Ringlinie in der Stadt geführt werden. Der Tunnel wäre rund sieben Kilonmeter, das Gleisnetz insgesamt 70 Kilometer lang. Um das zu realisieren, müsste das Tram-Netz um 29 Kilometer ausgebaut werden. Innerhalb von Graz würde das Projekt zu einem Öffi-Anteil von 23,8 Prozent führen, mit Pendlern gerechnet zu 25,2 Prozent. Die Errichtungskosten liegen bei 2,1 Milliarden, die jährlichen Betriebskosten bei 120 Millionen Euro.
S-Bahn-Tunnel kurz: Auf rund fünf Kilometern würde die Straßenbahn in Graz unterirdisch fahren, eine Ringlinie um den Schloßberg wäre möglich. Die bestehende S-Bahn des Landes würde weiter angebunden, die Netzlänge insgesamt beträgt 87 Kilometer, 48 davon Straßenbahn. Ergänzend dazu müsste das Bussystem mit anderer Linienführung neu aufgestellt werden. Die Errichtungskosten werden mit rund 2,2 Milliarden, die Betriebskosten pro Jahr mit knapp 120 Millionen Euro beziffert. Innerhalb von Graz würde diese Version den ÖV-Anteil auf 22,2 Prozent steigern, mit Pendlern gerechnet auf 26,6 Prozent - das ist der beste Wert.
Der Ausbau der Straßenbahn allein - das Netz würde um 62 Kilometer wachsen - würde knapp 1,8 Milliarden Euro kosten (die jährlichen Betriebskosten lägen bei 120 Millionen Euro). Das würde den Öffi-Anteil am geringsten erhöhen, nämlich nur auf 21,3 Prozent.
Aber wer zahlt (mit)?
Bleibt noch die Frage: Wer zahlt? Die Stadt kann jedenfalls keines der Systeme allein finanzieren. Bürgermeisterin Kahr und Vize Schwentner setzen auf den Bund, der mittels sogenannter § 15a-Vereinbarung beisteuert. Das ist auch bei der bereits beschlossenen Ausweichstrecke für die Grazer Straßenbahnen in der Innenstadt so vorgesehen.
Alles darüber hinaus muss neu verhandelt werden: Laut Schwentner ist die Einbindung der Gemeinden um Graz ein wesentliches Kriterium, um Geld vom Verkerhsministerium zu bekommen. Das wäre nur mit der S-Bahn möglich, die die Pendler zum Umsteigen bewegen soll: Derzeit fahren 87 Prozent aller Pendler mit dem eigenen Auto in die Stadt.
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