Österreichs erstes Gorillababy: Primat mit Starpotenzial

© Zoo Schmiding/ Peter Sterns
Das Jungtier im Zoo Schmiding in Oberösterreich hat das Zeug zum Publikumsliebling à la Knut. Und jetzt auch einen Namen.
In den Hügeln des Hausruckviertels braut sich etwas zusammen. Man erwartet den Ansturm der Pressefotografen und Hobbyfilmer, der Tierbewunderer und Affenliebhaber. Krenglbach, ein kleiner Ort mit schlichten Einfamilienhäusern, zwei Schlössern und einem Zoo, hat seit Kurzem ein Gorillababy. Und das gab es in Österreich noch nie.
Bereits an diesem Donnerstagmorgen stehen Menschen vor dem Eingang des oberösterreichischen Zoos Schlange. Dabei ist das Kind samt Mutter noch im verschlossenen Innengehege. Aber der erste öffentliche Auftritt naht. Und wenn es so weit ist, wolle man wiederkommen.
Hasibe Can kennt das Jungtier bereits. Sogar besser, als sie es zu diesem Zeitpunkt erwartet hätte. Die Tierpflegerin mit dem Pferdeschwanz und der Zahnlücke musste einspringen, als Mutter Kibibi aus Erschöpfung aufgab und ihr schreiendes Baby im Stich ließ.
Die Geburt war kräftezehrend, der kleine Affenbub mit 2,8 Kilogramm deutlich schwerer als die üblichen 2 Kilogramm. „Sie hat so viel gewogen wie meine Tochter bei der Geburt“, sagt die Tierpflegerin nicht ohne Rührung im Gesicht.
In Herrscherhäusern galten exotische Tiere als Trophäen. Auch Kaiser Franz I. und Maria Theresia hielten allerlei Tiere in der Menagerie im Schlosspark. Daraus wurde 1752 der Tiergarten Schönbrunn – der älteste Zoo der Welt. 1770 zog der erste Elefant im Tiergarten Schönbrunn in Wien ein.
Lange Zeit war das Betrachten der Tiere der Oberschicht vorbehalten. 1778 öffnete Schönbrunn seine Pforten für das Volk, wenn auch nur an Sonntagen. Ab Ende des 19. Jahrhunderts strömten die Massen in die Zoos. Die Tiere wurden meist in kleinen Gitterkäfigen gehalten.
Erster Gorilla in Österreich war ein aus Südkamerun stammendes Jungtier. Das Männchen wurde auf den Namen „August“ getauft. 1952 kam der Primat in den Tiergarten Schönbrunn. Somit waren dort zum ersten Mal drei Arten von großen Menschenaffen vertreten – Schimpansen, Orang-Utans und Gorillas.
„Das Schreien war herzzerreißend“, sagt Zoodirektor und Tiermediziner Andreas Artmann. Das Baby habe die Arme nach oben gestreckt, die Mutter sich jedoch weggedreht. Artmann beschloss einzugreifen. „Dabei mussten wir beachten, dass der Kleine möglichst wenig Bezug zu den Pflegern und möglichst viel Kontakt mit den Gorillas hat.“ Als Nahrung gab es Ersatzmilch für Neugeborene. Zum Kuscheln ein Polster. Im Zoo Schmiding scheinen die Grenzen zwischen Tier und Mensch dieser Tage zu verschwimmen.
Drei Tage lang übernahmen Hasibe Can und ihre drei Kolleginnen die Rolle der stillenden Gorillamutter. Um es möglichst realitätsnah zu gestalten, im schwarzen T-Shirt mit Zottel-Applikationen und Ersatzbrust. Dann nahm das Weibchen ihr Baby wieder an sich. Große Erleichterung.
Jabari mit seiner Mutter Kibibi
Auch ohne Nachwuchs gehört die Haltung von Gorillas zu den aufwendigsten des Zoos. Die Innenbereiche samt Rückzugsmöglichkeiten müssen klimatisiert sein, das Außengehege groß und mit Wassergraben. Das Futter – Obst und Gemüse – wird von den Pflegerinnen versteckt, die Tiere müssen nämlich beschäftigt werden. In freier Wildbahn verbringen sie die Hälfte des Tages mit Nahrungssuche.
Und schließlich wollen die Primaten bei der Auswahl ihrer Betreuer mitreden. Denn sie können Menschen mehr oder weniger sympathisch finden. Im Zoo Schmiding ist es vor allem Leitgorilla und Kindsvater Awembe, der hohe Ansprüche stellt. Oder anders formuliert: Er mag keine Männer, weshalb das Gorilla-Team zurzeit aus vier Frauen besteht.
„Um akzeptiert zu werden, musste ich langsam machen“, sagt Tierpflegerin Hasibe Can, seit 2009 für die Pflege der Gorillas zuständig. Oberste Regel beim Kennenlernen sei es, keinen Blickkontakt aufzunehmen. „Nach einiger Zeit habe ich ihm dann ein Leckerli gegeben. Aber ohne ihn anzusehen.“ Heute ist sie Revierleiterin.
Bildung und Arterhaltung – das führen Tiergärten ins Treffen, fragt man nach, warum es sie überhaupt noch braucht. In der Österreichischen Zoo Organisation (OZO) haben sich Tiergärten zusammengeschlossen, die sich Natur- und Artenschutz zum Ziel gesetzt haben. Mitglieder sind etwa die Zoos Schmiding, Schönbrunn und Innsbruck.
Manche Tierschützer sehen die Arbeit der Zoos aber kritisch – vor allem, wenn es um die Haltung von Exoten geht. Der Bildungsauftrag könne auch mit heimischen Tieren erfüllt werden, erklärte die Tierschutzorganisation „Vier Pfoten“ in einem KURIER-Bericht über Zoos. Zudem hätten die Rettung und Zucht bedrohter Arten in Tiergärten wenig Sinn, wenn die Auswilderung an zerstörten Lebensräumen scheitert.
Das ist nicht immer der Fall: Der Alpenzoo Innsbruck, zum Beispiel engagiert sich bei Projekten außerhalb der Tiergartenmauern. Erst vor Kurzem hat Spanien ein Bartgeierjungtier aus Tirol bekommen. Im Jahr 2017 wurde im Maestrazgo-Gebirge ein Wiederansiedlungsprojekt gestartet und bis 2023 14 junge Bartgeier ausgewildert.
Schmiding ist der einzige Zoo Österreichs mit Gorillas. 2004 zogen die ersten Menschenaffen ein, zunächst allerdings nur Männchen. 2022 kamen zwei Weibchen dazu. Dass es zwei Jahre später den ersten Nachwuchs gibt, hält man hier für eine Sensation. „Es ist nicht schlecht gelaufen“, sagt Zoodirektor Andreas Artmann und lacht. Grund dazu hat er. Jungtiere à la Eisbär Knut transportieren nicht nur die Idee des Artenschutzes, sie bringen auch Geld.
Erster Gorilla in Österreich war "August". Er kam 1952 in den Tiergarten Schönbrunn.
Aber wie kommt man als Zoo zu Gorillas? Dies läuft über europäische Zuchtprogramme, in denen sich Zoos zusammenschließen. Gibt es Nachwuchs, bestimmt ein Koordinator, wohin das Tier zwecks genetischer Vielfalt kommt. So stammt Gorillaweibchen Kiribi aus Bristol, Jungvater Awembe aus Hannover.
Auch das Krenglbacher Gorillababy könnte es eines Tages ins europäische Ausland verschlagen. Halbwüchsige Gorillamännchen müssen die Gruppe meist verlassen. Doch der Weg zum Silberrücken ist ein weiter. Jetzt hat er erst einmal einen Namen bekommen, passend zu seiner kurzen, aber bereits aufregenden Lebensgeschichte. Sie nannten ihn Jabari, „den Tapferen“.
Besucher im Zoo Schmiding können derzeit drei Mal täglich für eine Stunde einen Blick auf Jabari werfen: von 10 bis 11 Uhr, von 14 bis 15 Uhr und von 16 bis 17 Uhr.
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