„Das Schreien war herzzerreißend“, sagt Zoodirektor und Tiermediziner Andreas Artmann. Das Baby habe die Arme nach oben gestreckt, die Mutter sich jedoch weggedreht. Artmann beschloss einzugreifen. „Dabei mussten wir beachten, dass der Kleine möglichst wenig Bezug zu den Pflegern und möglichst viel Kontakt mit den Gorillas hat.“ Als Nahrung gab es Ersatzmilch für Neugeborene. Zum Kuscheln ein Polster. Im Zoo Schmiding scheinen die Grenzen zwischen Tier und Mensch dieser Tage zu verschwimmen.
Drei Tage lang übernahmen Hasibe Can und ihre drei Kolleginnen die Rolle der stillenden Gorillamutter. Um es möglichst realitätsnah zu gestalten, im schwarzen T-Shirt mit Zottel-Applikationen und Ersatzbrust. Dann nahm das Weibchen ihr Baby wieder an sich. Große Erleichterung.
Auch ohne Nachwuchs gehört die Haltung von Gorillas zu den aufwendigsten des Zoos. Die Innenbereiche samt Rückzugsmöglichkeiten müssen klimatisiert sein, das Außengehege groß und mit Wassergraben. Das Futter – Obst und Gemüse – wird von den Pflegerinnen versteckt, die Tiere müssen nämlich beschäftigt werden. In freier Wildbahn verbringen sie die Hälfte des Tages mit Nahrungssuche.
Und schließlich wollen die Primaten bei der Auswahl ihrer Betreuer mitreden. Denn sie können Menschen mehr oder weniger sympathisch finden. Im Zoo Schmiding ist es vor allem Leitgorilla und Kindsvater Awembe, der hohe Ansprüche stellt. Oder anders formuliert: Er mag keine Männer, weshalb das Gorilla-Team zurzeit aus vier Frauen besteht.
„Um akzeptiert zu werden, musste ich langsam machen“, sagt Tierpflegerin Hasibe Can, seit 2009 für die Pflege der Gorillas zuständig. Oberste Regel beim Kennenlernen sei es, keinen Blickkontakt aufzunehmen. „Nach einiger Zeit habe ich ihm dann ein Leckerli gegeben. Aber ohne ihn anzusehen.“ Heute ist sie Revierleiterin.
Ein Affe aus Bristol
Schmiding ist der einzige Zoo Österreichs mit Gorillas. 2004 zogen die ersten Menschenaffen ein, zunächst allerdings nur Männchen. 2022 kamen zwei Weibchen dazu. Dass es zwei Jahre später den ersten Nachwuchs gibt, hält man hier für eine Sensation. „Es ist nicht schlecht gelaufen“, sagt Zoodirektor Andreas Artmann und lacht. Grund dazu hat er. Jungtiere à la Eisbär Knut transportieren nicht nur die Idee des Artenschutzes, sie bringen auch Geld.
Aber wie kommt man als Zoo zu Gorillas? Dies läuft über europäische Zuchtprogramme, in denen sich Zoos zusammenschließen. Gibt es Nachwuchs, bestimmt ein Koordinator, wohin das Tier zwecks genetischer Vielfalt kommt. So stammt Gorillaweibchen Kiribi aus Bristol, Jungvater Awembe aus Hannover.
Auch das Krenglbacher Gorillababy könnte es eines Tages ins europäische Ausland verschlagen. Halbwüchsige Gorillamännchen müssen die Gruppe meist verlassen. Doch der Weg zum Silberrücken ist ein weiter. Jetzt hat er erst einmal einen Namen bekommen, passend zu seiner kurzen, aber bereits aufregenden Lebensgeschichte. Sie nannten ihn Jabari, „den Tapferen“.
Besucher im Zoo Schmiding können derzeit drei Mal täglich für eine Stunde einen Blick auf Jabari werfen: von 10 bis 11 Uhr, von 14 bis 15 Uhr und von 16 bis 17 Uhr.
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