Irmgard B. bezeichnet sich selbst als skeptische Frau. Diese Skepsis kam ihr vor drei Jahren zugute, als die damals 78-Jährige zwei "falsche Polizisten" in die Flucht schlug, die ihre Wohnung betreten und sie um ihr Erspartes bringen wollten.
"Damals hat mein Mann noch gelebt und ich war nicht allein. Ich hab’ ihnen einfach gesagt, sie sollen sich schleichen, sonst ruf ich die richtige Polizei", erinnert sich die Pensionistin.
Im Herbst des Vorjahres geriet die mittlerweile 82-Jährige allerdings erneut an Betrüger. In der Zeitung entdeckte sie ein knalliges Flugblatt, auf dem Tausende Euro für Pelze und Lederjacken geboten wurden. Nur im Kleingedruckten stand, dass zusätzlich Gold verkauft werden müsse.
Konsumentenschützer warnen
"Wir bekommen viele Beschwerden von Menschen, denen zu wenig bezahlt wurde", warnt Barbara Bauer, Juristin vom Verein für Konsumenteninformation (VKI). Zahlen der Polizei, wonach über den Tisch Gezogene bei der Masche nur ein Viertel des eigentlichen Wertes bekommen, bestätigen das.
Irmgard B. wusste davon vergangenes Jahr noch nichts. Kurzentschlossen fuhr sie zu dem Ankaufsstand in einem bekannten Wiener Hotel. "Ich dachte, ich kann die Jacken meines verstorbenen Mannes und meinen alten Mantel zu Geld machen", erzählt sie.
Vor Ort wurde Interesse an den Kleidungsstücken bekundet, aber nur gemeinsam mit Goldschmuck. Wenig später stand der Händler, der sich als Grieche ausgab, schon bei der Frau in der Wohnung. Für den Schmuck, der allein aufgrund des Goldwerts 15.000 Euro wert war, und die Pelz- und Lederwaren bot der ursprünglich professionell auftretende Käufer 3.000 Euro.
"Wenn mir der eine Watsch'n gibt"
"Ich habe gesagt, das ist mir zu wenig. Er hat das Geld auf den Tisch gelegt, den Schmuck genommen und ist gegangen." Sie sei damals allein und eingeschüchtert gewesen. "Was, wenn mir der eine Watsch’n gibt", habe sie sich damals gedacht. Anzeige erstattete sie keine, sie dachte, in dem Fall könne ohnehin keine Behörde helfen.
Information: Machen Sie sich vorab schlau über die Karat Ihres Schmucks und suchen Sie die Feingehaltspunze auf den Stücken.
Kurspreis: Recherchieren Sie den aktuellen Tageskurs für Goldpreise. Sie können online mittels Goldpreisrechner den Wert Ihres Schmuckstücks berechnen.
Vergleich: Kontaktieren Sie mehrere Käufer, um herauszufinden, welcher Preis erzielt werden kann.
Aufmerksamkeit: Lassen Sie sich genau erklären, wie Ihr Schmuckstück bewertet wird und mit welchem Tageskurs berechnet wird. Achten Sie darauf, ungehinderten Blick auf die Waage zu haben.
"Betroffene lassen sich von den geschickten Käufern überrumpeln“, bestätigt der VKI. Für Manuel Scherscher, Leiter der Abteilung Wirtschaftskriminalität im Bundeskriminalamt (BK), ein tragischer Fall, da es sich um Diebstahl, wenn nicht sogar Raub handle.
Pelze sind nur Köder
In der Regel seien die Pelz- und Goldkäufer aber Betrüger. "Der Modus ist bekannt. Die Pelze sind der Köder, es geht aber ums Gold." Betagte Opfer würden sich über gute Angebote für die Kleidung freuen und bereitwillig noch ein paar Schmuckstücke veräußern.
Die Täter sollen auf manipulierte Waagen setzen oder einen falschen Goldpreis angeben. Diese Vorgehensweise bestätigt sich auch bei einem KURIER-Lokalaugenschein in Klosterneuburg und Wien, wo die Käufer für mitgebrachte Philharmoniker-Münzen Summen deutlich unter dem Goldpreis "berechneten".
Scherscher zufolge sei das Phänomen "fahrender Händler, die ihre Zelte für einige Tage in Städten aufschlagen und dann über alle Berge sind", zwar kein neues, aber in einigen Bundesländern zuletzt immer mehr ein Problem.
Was die Polizei plant
Deshalb wollen die Kriminalisten verstärkt dagegen vorgehen. Aus ermittlungstaktischen Gründen könne man noch nicht zu viel verraten, es habe sich jedoch gezeigt, dass die Taten sich häufen, wenn gewisse "mobile ethnische Minderheiten" durchs Land reisen.
Wir bekommen viele Beschwerden von Menschen, denen für ihr Gold zu wenig bezahlt wurde.
von Barbara Bauer
VKI-Juristin
"Es handelt sich um Familien aus Rumänien, die in Clans zusammengeschlossen sind und sich auf gewisse Kriminalitätsformen spezialisieren", beschreibt Scherscher die Mafia-ähnlichen Strukturen. Die einzelnen Täter auf frischer Tat zu ertappen, komme zwar vor, sei aber nur bedingt zielführend.
"Diese Clans haben Hunderte Mitglieder und in der Regel handelt es sich – wenn wir es nachweisen können – 'nur‘ um einfachen Betrug." Das summiere sich jedoch. Statt Kleinkriminalität wolle man deshalb die Strukturen im Hintergrund ausforschen – bis zu den mächtigen Clanoberhäuptern.
Durch die große Zahl an Tätern, die auch in Deutschland und Italien unterwegs sind, dürfte es für die Betrüger kein Problem sein, die Kosten für die in vielen Tageszeitungen beigelegten Flyer hereinzuholen. Hört man sich in Anzeigenabteilungen um, erfährt man, dass die Flugblätter gegen keine Auflagen verstoßen. Merkwürdig sei nur, dass ein und dieselbe Person mehrfach unter unterschiedlichen Namen anrufe, um das Werbematerial in Auftrag zu geben.
Die Betrugsmasche melden
Diesen "Organisationsköpfen", die den Betrug offenbar in die Wege leiten, will das BK künftig das Handwerk legen. Bis dahin sei es wichtig, dass sich Goldverkäufer genau informieren. Und sollte man auf Betrüger reinfallen, sei es sehr wichtig, sich bei der Polizei zu melden. Denn andere könnten so vor einem ähnlichen Schicksal bewahrt werden.
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