Gewalt in der Geburtshilfe: "Es ist mein Körper und meine Geburt"

Fremdbestimmt, hilflos, überrumpelt. Das sind die Worte, die am häufigsten fallen, wenn die Steirerin Eva C. von ihrer ersten Geburt vor viereinhalb Jahren erzählt.
Als sie auf Anraten ihrer Hebamme drei Wochen vor dem errechneten Geburtstermin ins Krankenhaus kam, um einen starken Juckreiz an Händen und Füßen abklären zu lassen, wurde sie von Anfang an nicht ernst genommen. Wegen so einer Lappalie gehe man nicht ins Krankenhaus, hieß es zunächst.
Drei Tage Leiden
Doch dann stand der Verdacht auf Schwangerschaftscholestase (Lebererkrankung) im Raum, zunächst noch ohne große Dringlichkeit. Am nächsten Morgen musste es aber plötzlich ganz schnell gehen, die Werte seien schlecht und die Geburt müsse sofort eingeleitet werden. „Ich war total überrumpelt, niemand hat mir gesagt, wie hoch die Werte sind und was das konkret bedeutet“, sagt C.
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Ohne dass sie genau wusste, was los ist, wurde die Geburt eingeleitet – dreimal, weil die Wehen immer wieder aufhörten. „Drei Tage hat es gedauert. Am Ende ging es mir körperlich schon sehr schlecht“, erzählt C. „Ich war nicht mehr ganz da, wie in Trance.“ Sie habe alles mit sich machen lassen, sagt sie.
Bis sich die Ärztin ihrem ganzen Gewicht auf ihren Bauch legte und von oben drückte – der umstrittene Kristeller-Handgriff –, während gleichzeitig ihr Sohn mit der Saugglocke geholt wurde. „Durch diese drei Tage hat sich das Gefühl gezogen, dass ich gar nicht dabei war, ein hilfloses Wesen, dass alles über sich ergehen lässt. Dabei ist es ja mein Körper und meine Geburt.“
Das Erlebte verarbeiten
Gemeinsam mit ihrem Partner entschloss sie sich, die Ereignisse der Geburt therapeutisch aufzuarbeiten. Eine große Hilfe, wie sie sagt. Denn das Erlebte ließ sich nur schwer abschütteln: „Ich hatte so ein schlechtes Gewissen meinem Baby gegenüber, es hat mir so leid getan, dass das sein Start ins Leben war. Ich hatte das Gefühl, versagt zu haben.“
Die WHO sagt es deutlich: „Jede Frau hat das Recht auf den bestmöglichen Gesundheitsstandard. Dies beinhaltet das Recht auf eine würdevolle und wertschätzende Gesundheitsversorgung.“ Viele Frauen machen aber ganz andere Erfahrungen. Gewalt unter der Geburt hat dabei verschiedene Facetten.
Physische Gewalt:
Dazu zählt unter anderem: Festhalten, keine freie Wahl der Geburtsposition, grobe Behandlung, Medikamentengabe ohne oder mit unvollständiger Aufklärung, die Durchführung eines Dammschnitts ohne Einverständnis und medizinische Notwendigkeit.
Psychische Gewalt:
In diese Kategorie gehört das Ausüben verbaler Gewalt, etwa durch Drohungen oder abschätzige Bemerkungen, Anschreien, alleine lassen, Machtmissbrauch und Willkür. Auch sexualisierte Sprache und Witze fallen hier hinein.
Strukturelle Gewalt:
Dazu gehören fehlende Raumkapazitäten oder Personalmangel, etwa die Hebammenunterversorgung. All diese Faktoren führen dazu, dass Frauen ihre Geburt nicht als gewaltfrei erleben. Mit potenziell langfristigen Folgen: Von Schmerzen bis zu schweren Verletzungen, Depressionen und posttraumatischen Belastungsstörungen. Auch die Mutter-Kind-Bindung kann unter dem erlebten Trauma leiden.
Aktivismus, Austausch:
Jedes Jahr am 25.11. legen Frauen im Rahmen der globalen Aktion „Roses Revolution“ symbolisch eine Rose vor das Krankenhaus, in dem sie schlechte Erfahrungen machen mussten. Auf der Facebookseite der Bewegung teilen sie ihre Geschichten, auch wo sie diese erlebt haben, und machen so auf das Problem aufmerksam.
Als sie zwei Jahre später erneut schwanger wurde, ging sie anders an die Sache heran als beim ersten Mal. „Ich habe mich viel mehr informiert und mich mental mit Hypnobirthing vorbereitet.“
Zwar hatte sie auch während der ersten Schwangerschaft einen Geburtsvorbereitungskurs besucht – doch der war wenig hilfreich: „Als ich nach Atemtechniken gefragt habe, wurde mir nur gesagt: ‚Das wird euch die Hebamme dann schon zeigen.‘ Mit solchen Antworten habe ich mich bei der zweiten Schwangerschaft nicht mehr zufrieden gegeben.“
Ein anderer Weg
Zu wissen, inwieweit man als Gebärende mitbestimmen kann, Ärztinnen und Ärzten gezielte Fragen stellen kann, um informierte Entscheidungen zu treffen und auch Nein sagen zu können, war ihr dabei besonders wichtig. Mit Erfolg: Ihre zweite Geburt empfand sie als „entspannt und wunderschön“.
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Ein eindrücklicher Kontrast, den die diplomierte Dolmetscherin zum Anlass nahm, ihrem Berufsleben eine neue Richtung zu geben und gleichzeitig anderen Frauen zu helfen. Sie ließ sich in Hypnobirthing ausbilden und bietet heute in Hebammenzentren und online selbst Kurse zur „Mentalen Vorbereitung auf die Geburt“ an. „Ich habe so viele schlimme Geburtsgeschichten von anderen Frauen gehört – da gibt es noch so viel zu tun.“
Frauen stärken
Oft sind diese Problem systembedingt, sagt sie. Eva C. konnte aber auch schon sehr gute Erfahrungen mit Ärztinnen, Ärzten und Hebammen sammeln. „Es kommt wirklich auf die jeweilige Person an und ob man Glück hat. Aber eine Geburt sollte kein Glückspiel sein.“
Umso wichtiger sei es aber, dass Frauen gut vorbereitet in die Geburt gehen und diese nicht einfach auf sich zukommen lassen. „Mir ist es wichtig, Frauen zu informieren, wie sie die Geburt beeinflussen und mitgestalten können und sie zu stärken – denn es ist ihre Geburt.“
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