Gerichtsentscheid nach tödlicher Kuhattacke: Opfer hat Mitschuld

Gerichtsentscheid nach tödlicher Kuhattacke: Opfer hat Mitschuld
Tiere trampelten deutsche Wanderin zu Tode. Bauer wurde zu Entschädigungszahlung verurteilt. Höhere Instanz sieht Schuld zu Hälfte bei ihr.

Das Oberlandesgericht (OLG) Innsbruck hat nach einer tödlichen Kuhattacke auf eine deutsche Wanderin das Urteil gegen einen Landwirt aus dem Pinnistal teilweise aufgehoben.

Der Mann war zunächst zu einer Entschädigungszahlung von mehreren hunderttausend Euro verurteilt worden. Nun ortet das Gericht die Schuld zur Hälfte bei der Frau.

Die 45-Jährige war im Juli 2014 in einem eingezäunten Bereich mit ihrem Hund auf einem Wanderweg unterwegs, als die Tiere plötzlich seitlich auf sie zuliefen. Laut Polizei hatte es die Herde vermutlich auf den angeleinten Hund der Frau abgesehen.

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Hinterbliebene klagten

Der Witwer und der Sohn des Opfers brachten danach eine Schadenersatzklage ein. Die Kläger argumentierten, dass der tödliche Unfall leicht durch einen einfachen Weidezaun zu verhindern gewesen wäre. 

Der Landwirt wurde im Winter in Innsbruck zu einer Zahlung von 132.832,63 Euro und einer monatlichen Rente von 1.215,50 Euro an den Ehemann sowie zu 47.500 Euro und einer monatlichen Rente von 352,50 Euro an den Sohn verurteilt. Das Gericht sah damals, dass der Teilbereich, in dem der Angriff passiert ist, abgetrennt hätte werden können.

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Derartige Schilder stehen jetzt oft auf Almen.

Nun wurde das Urteil teilweise aufgehoben. Der Anwalt des Landwirts, Ewald Jenewein, gibt sich mit dem abgeänderten Urteil nicht zufrieden. Er kündigt eine außerordentliche Revision beim Obersten Gerichtshof (OGH) an. "Es geht in die richtige Richtung, aber das Urteil ist aus meiner Sicht kein Beitrag zur Rechtssicherheit. Mein Mandant ist nicht zufrieden, für ihn bleibt weiter eine Haftung."

Die Forderung aus dem Ersturteil hat sich jedoch reduziert, da das OLG die Schuld zu je 50 Prozent bei dem Landwirt und der Wanderin sieht. Der Bauer müsste den Hinterbliebenen demnach nun rund 78.000 Euro Schmerzengeld (inklusive Zinsen) und Renten in Höhe von monatlich rund 780 Euro bezahlen.

In Revision will auch Michael Hirm, Anwalt der Hinterbliebenen der getöteten Frau, gehen. "Bei so einem Aufwand geht man auch den letzten Schritt", sagt er. Das nunmehrige Urteil sei aber jedenfalls "zu 90 Prozent ein Vorteil für meinen Mandanten". Denn: "Die Tatsachen sind nun rechtskräftig festgestellt." Heißt: Am vom Landesgericht in erster Instanz und nun bestätigten Sachverhalt wird auch der OGH nicht mehr rütteln.

Das betrifft auch eine der zentrale Fragen in dem Fall. "Der Landwirt hat von erhöhtem Aggressionspotenzial seiner Tiere gewusst", erklärte Wigbert Zimmermann, Vizepräsident des OLG, bei einer Pressekonferenz zu dem Kuh-Urteil in Innsbruck.

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Der Unfall ereignete sich in der Nähe eines Gasthofs. In diesem "stark frequentierten Bereich" wäre eine Einzäunung für den Bauern "zumutbar gewesen", sagt Zimmermann. Der jährliche Aufwand - 200 Euro für das Material und zwei Tage Arbeit - wäre ein vergleichsweise geringer Aufwand gewesen, die Weidehaltung durch die Maßnahme nicht beinträchtigt worden.

Die Mitschuld des Opfers

Umgekehrt sei jedoch von Hundehaltern zu verlangen, "dass sie über die mit dem Halten von Hunden typischerweise ausgehenden Gefahren Bescheid wissen". Im konkrten Fall, so Zimmermann, hätte die Touristin also wissen müssen, dass Mutterkühe eine Gefahr für Hunde darstellen. Und somit auch für den Hundehalter.

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Wanderer mit Hund sollten Abstand von Kühen halten

Auf die Gefahr wurde zudem mit einem Warnschild hingewiesen. Anders als dort angewiesen, ist die 45-Jährige die Kühe nicht umgangen, sondern hat sie in einem Abstand von nur ein bis zwei Metern passiert. Zudem habe die Frau die Tiere nicht im Auge behalten. Dass die Frau die Hundeleine an ihren Körper gebunden hat und so ihr Tier nicht rechtzeitig loslassen konnte, wird ihr ebenfalls in Bezug auf die Mitschuld angelastet.

Gesetzesänderung

Nach dem Schadenersatz-Urteil hatte die damalige türkis-blaue Regierung eine Gesetzesänderung für mehr Rechtssicherheit auf Almen und Weiden durchgeführt. Darin sollte etwa die Eigenverantwortung der Alm-Besucher verankert werden.

Bisher hatte das ABGB den Tierhalter stark in die Verantwortung genommen. Nun werden auch Almbesucher und Wanderer in die Pflicht genommen, Verhaltensregeln auf Almen und Weiden einzuhalten. Auch für Tierhalter soll es deutlich mehr Rechtssicherheit geben, wenn Landwirte bundesweite Standards einhalten.

Außerdem wurden Verhaltensregeln herausgegeben. Darin werden Almbesucher angewiesen, den Kontakt mit Weidevieh zu vermeiden. Vor allem eine Begegnung von Mutterkühen und Hunden sollte vermieden werden. Hunde sind zudem an der kurzen Leine zu führen und bei einem absehbaren Angriff durch ein Weidetier sofort von der Leine zu lassen. Ebenfalls darf der Wanderweg nicht verlassen werden. Blockiert Weidevieh diesen, dann soll es mit möglichst großem Abstand umgangen werden. Zäune sind zu beachten und Tore zu schließen. Weisen Kühe Anzeichen von Unruhe - wie das Heben und Senken des Kopfes oder Scharren mit dem Hufen - auf, müsse die Weidefläche zügig verlassen werden.

 

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