Gericht gibt jungem Steirer recht: KAGES muss Therapie bezahlen
Georg gewann zwei Mal – den gesundheitlichen Kampf um sein Leben und den rechtlichen gegen die steirische Spitalsholding: Die Krankenanstaltengesellschaft (KAGES) weigerte sich lange, den jungen Steirer wegen seiner schweren genetischen Erkrankung zu behandeln. Die Therapie in Graz musste seine Rechtsanwältin Karin Prutsch-Lang erst mit Klagen und Gerichtsurteilen durchsetzen.
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Nun steht auch fest, dass die KAGES zahlen muss, 210.000 Euro plus Zinsen. So viel kostete die Therapie mit Spinraza, die Georgs Eltern 2019 bis 2021 auch mithilfe von Spenden im Ordensklinikum der Barmherzigen Schwestern in Linz als Privatzahler durchführen ließen. Als die KAGES 2021 verpflichtet wurde, Georgs Therapie zu übernehmen, klagte Claudia Polic diese Summe im Namen ihres damals minderjährigen Sohnes Georg ein – und scheiterte am Erstgericht und in zweiter Instanz.
Wie der OGH den Fall beurteilt
Der Oberste Gerichtshof gab der Familie nun aber Recht: Die KAGES sei verpflichtet, die Kosten zu tragen, heißt es im eben veröffentlichten Erkenntnis 2 Ob 125/23f vom 25. Juli: Im vorliegenden Fall liegt das rechtswidrige und schuldhafte Verhalten der Beklagten (die KAGES, Anm.) darin, dass sie eine medizinisch gebotene Behandlung des Klägers (Georg, Anm.) unterlassen hat, was dessen ohnehin sehr fragilen Gesundheitszustand gefährdete, hält der Richtersenat fest.
Als Georgs Fall erstmals an die Öffentlichkeit kam, war der Bub zwölf Jahre alt. Georg saß im Rollstuhl, konnte die Arme kaum bewegen, schwer schlucken und deshalb nur Brei essen, nachts musste er beatmet werden: Als er elf Monate alt war, wurde bei ihm spinale Muskelatrophie diagnostiziert – eine genetische Erbkrankheit, die einen Körper Stück für Stück lähmt.
Nicht sitzen, nicht selbst atmen
Betroffene können nichts in den Händen halten, nicht ohne Stütze aufrecht sitzen, oftmals wegen des fortschreitenden Muskelschwundes auch nicht mehr selbst atmen – ihnen droht Erstickung. Ohne Behandlung seien die Folgen letal, wie Rechtsanwältin Prutsch-Lang 2017 warnte, als sie Georgs Fall übernommen hatte.
Welches Medikament helfen kann
Da ging es darum, dass im Juni 2017 erstmals ein rettendes Medikament in Österreich zugelassen wurde, Spinraza. Doch die Behandlung ist teuer, es braucht am Anfang vier Spritzen binnen vier Wochen, danach alle paar Monate weitere – allerdings kostete eine Dosis damals 77.000 Euro.
Die KAGES führte da bereits solche Behandlungen durch, verweigerte aber bei Georg – er sei zu alt. Es gäbe „keine Evidenz für die Wirksamkeit des Mittels bei Patienten über zwei Jahre“, hieß es damals.
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Prutsch-Lang klagte auf Behandlung, doch Georg hatte nicht die Zeit, auf Urteile zu warten. Ein Spendenaufruf brachte das nötige Geld, um Georg privat ab 2019 in Linz behandeln zu lassen – die Therapie schlug an. Er konnte wieder greifen, feste Nahrung schlucken, das Beatmungsgerät war nicht mehr nötig.
2021 stellten Gerichte rechtskräftig fest, dass die KAGES Georgs Therapie im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung übernehmen muss, seither wird er in Graz behandelt.
Aber wer zahlt?
Doch es blieb die Lücke der Behandlungskosten in Linz. Prutsch-Lang forderte das Geld von der KAGES, doch die Spitalsholding hielt dagegen: Erstens hätte das Linzer Klinikum die Behandlung über de Landesgesundheitsfonds abrechnen müssen, zweitens sei die Behandlung ohnedies durch Spenden abgedeckt.
OGH spricht Georg das Geld zu
Gerichte der ersten und zweiten Instanz teilten diese Auffassung, der OGH als letzte Instanz aber nicht: Er sprach Georg das Geld zu, denn die Spenden seien "nicht zu dem Zweck gemacht worden“, die Spitalsholding zu entlasten.
Georg wurde am Samstag übrigens 18 Jahre alt.
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