Georg-Danzer-Häuser: Flüchtlingshelfer auf der Anklagebank

Georg-Danzer-Häuser: Flüchtlingshelfer auf der Anklagebank
Wienerinnen betreuten bis zu 100 minderjährige Burschen, doch von Buchhaltung hatten sie keine Ahnung.

Am Anfang stand der Wille, den Menschen zu helfen. „Eine Herzensangelegenheit“, nennt es eine der beiden Frauen. Als Hunderttausende Menschen im Jahr 2015 auf der Flucht waren, wollten sie nicht nur zusehen. Sie wollten anpacken und gründeten sechs Häuser für unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge in Wien und NÖ (Stockerau, Wr. Neustadt und Gars/Kamp). Sie nannten sie „Georg-Danzer-Häuser“ – nach der verstorbenen Austropop-Legende. Fünf Jahre später sitzen die beiden Frauen im Landesgericht für Strafsachen in Wien auf der Anklagebank. Fördergeld soll verschwunden sein.

Fest steht: Von Buchhaltung hatten die beiden keine Ahnung. Sie hinterließen ein Chaos aus einzelnen Belegen – allein für ein paar Monate im Jahr 2017 waren es 1.341, wie der Sachverständige anmerkt. Und statt einer ordentlichen Buchführung gab es eine lückenhafte Excel-Liste.

Überfordert mit Bürokratie

„Ich wollte nur helfen. Aber dann musste ich zu einer sozialpädagogischen Einrichtung der MA 11 werden. Das wollte ich gar nicht“, sagt die 62-Jährige. Und somit hätte sie mit einem Schlag jede Menge Bürokratie am Hals gehabt. „Das größte Problem war, dass wir immer sechs Wochen in Vorleistung gehen mussten. Also wir mussten uns zum Beispiel Geld ausborgen, um Essen, Kleidung und Personal zu zahlen. Die Förderungen kamen dann erst später“, schildern die Frauen.

Bis zu 100 Jugendliche aus Syrien und Afghanistan wurden in den Häusern betreut. Für sämtliche Häuser gab es nur eine Excel-Liste. Im Nachhinein war es unmöglich herauszufinden, welche Beträge zu welchem Haus gehören. Und auch die Großeinkäufe wurden nach Gutdünken verteilt. Und dann fallen auch noch Zahlungen an Privatkonten auf, die betrieblich nicht zuordenbar sind. „Weil wir keine Verträge auf den Verein abschließen konnten. Das Internet zum Beispiel“, erklärt eine Angeklagte.

Was ungewöhnlich ist: Der Sachverständige, der sich durch die vorhandenen Belege gewühlt hat, kommt in den Jahren 2015 und 2016 auf einen Überschuss in der Höhe von rund 100.000 Euro. Das fiel auch der späteren Masseverwalterin auf. „Das ist bei einem gemeinnützigen Verein ungewöhnlich.“ Bei der Insolvenz war das Geld jedenfalls nicht mehr da.

„Die Aufzeichnungen sind lückenhaft. Aber es war sicher kein Vorsatz da, Gläubiger-Interessen zu schädigen“, sagt ein Anwalt. „Wenn ich mich ins Auto setze, eine Augenbinde anlege und über eine rote Ampel fahre... Habe ich dann auch keinen Vorsatz?“, stellt Richter Stefan Erdei eine Gegenfrage.

Prozess vertagt. Eine Steuerberaterin soll aufklären, ob es vielleicht doch noch weitere Belege gibt.

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