Gender-Debatte: Experten gegen Stern, Doppelpunkt und I im Wortinneren
Der Rat für deutsche Rechtschreibung spricht sich klar für das Gendern, aber gegen einige Schreibweisen aus. Die Vorsitzende erklärt im Interview das Für und Wider.
Sabine Krome leitet den Rat für deutsche Rechtschreibung mit Sitz in Mannheim. Der sorgte zuletzt mit seinen Empfehlungen zum Gendern für Kopfnicken bei den einen und Entrüstung bei den anderen, jenen, die den Gender-Stern für unabdingbar auf dem Weg zur Gleichberechtigung halten. Dem KURIER liefert Krome Antworten.
KURIER: Nach der letzten Sitzung des Rats wurde bekannt: Die neuen Regeln und Empfehlungen sollten noch vor Weihnachten beschlossen werden. Bleibt es dabei?
Sabine Krome: Ja, am 15. Dezember findet die letzte Sitzung des Rats in der laufenden Amtsperiode statt.
Der Rat wird sich für das Gendern aussprechen, aber gleichzeitig gegen Stern und Co. Warum eigentlich?
Der Rat hat mehrfach seine Auffassung bekräftigt, dass allen Menschen mit geschlechtergerechter Sprache begegnet werden soll. Er gab 2018 und 2021 Empfehlungen, wie durch neutrale, geschlechtsübergreifende Formulierungen zum einen alle Menschen angesprochen werden können (z. B. Studierende, Beschäftigte, Teilnehmende), zum anderen aber auch die Systematiken der Orthografie und der Rechtschreibregeln eingehalten bleiben.
Genderstern, Doppelpunkt, Binnen-I oder Unterstrich im Wortinneren erfüllen diese Anforderungen nicht?
Sie gehören nicht zu den Satz- und Wortzeichen – und damit nicht zum Kernbestand der deutschen Orthografie. Zudem können sie grammatische Folgeprobleme verursachen, auch in Satzzusammenhängen, etwa bei: der*die Präsident*in. Damit werden das Textverständnis, die Klarheit und Übersichtlichkeit von Texten, die Präzision von Aussagen und die Konzentration aufs Wesentliche erschwert, ebenso die Lernbarkeit der deutschen Schriftsprache.
Sind im Rat alle Mitglieder für diese Regelung?
Der Rat hat den Ergänzungspassus für das Amtliche Regelwerk nach schwierigen internen Beratungen als Kompromiss einstimmig beschlossen. Zwar war dies nicht leicht zu erreichen. Aber ich sehe es als Anerkennung demokratischer Verfahrensweisen, dass eine Verständigung bei diesem in der Gesellschaft extrem kontrovers diskutierten Thema möglich war.
Der Rat für deutsche Rechtschreibung ist seit Dezember 2004 die Regulierungsinstitution der Rechtschreibung des Standardhochdeutschen. Er wurde von Deutschland, Österreich, der Schweiz, Südtirol, Liechtenstein und der deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens mit dieser Aufgabe betraut.
41 Mitglieder aus sieben Ländern und Regionen gehören dem Rechtschreibrat an. Von diesen stammen 18 aus Deutschland und je neun aus Österreich und der Schweiz.
Orten Sie auch Widerstand?
Es gibt – wie zu erwarten – Widerstand von beiden Seiten: Den einen geht der Beschluss nicht weit genug, weil sie für eine Aufnahme ins Regelwerk plädieren. Die anderen sehen darin einen Bruch mit der Rechtschreibung der deutschen Sprache mit nicht absehbaren Folgen. Große Schwierigkeiten bereitet auch die Umsetzung geschlechtergerechter Schreibung durch Verwendung von Sonderzeichen im Wortinneren in der Schreibpraxis. Dies erfährt die Geschäftsstelle des Rats durch die enorm gestiegene Anzahl von Schreibanfragen.
Ab wann sollen die Empfehlungen für Schulen, Universitäten und die öffentliche Verwaltung bindend sein?
Die Empfehlungen sind als solche noch nicht bindend, denn Änderungen und Ergänzungen des Regelwerks müssen von den staatlichen Stellen beschlossen werden, bevor sie verbindlich werden. Auch dann hat der Rat nicht den Auftrag, die Umsetzung zu bestimmen und zu kontrollieren. Die Verantwortung dafür liegt bei den entsprechenden Institutionen, die das Amtliche Regelwerk korrekt und angemessen umsetzen sollten. Ob und in welchem Umfang die Verwendung der Sonderzeichen in der Schule als Fehler gewertet werden sollte, entscheiden die jeweiligen für die Schulen verantwortlichen Stellen. So wird die Umsetzung in einer Bundesbehörde, in der Rechtsverbindlichkeit von Texten gefordert ist, andere Kriterien erfordern als etwa für die Lehrerin einer Oberstufenklasse im Sozialkundeunterricht oder den Lehrer an einer Schule mit Deutsch als Fremdsprache.
Ist die Empfehlung des Rats für Wörterbuch- und Schulbuch-Verlage bindend?
Der Verband der Schulbuchverlage und die beiden einschlägigen Wörterbuchverlage aus Deutschland und Österreich sind im Rat vertreten. Sie haben die Entscheidungen mitgetragen. Es wird erwartet, dass sie zumindest in ihren Orthografie-Wörterbüchern diese nach Beschluss durch die staatlichen Stellen auch umsetzen.
Was, wenn die Verlage die Empfehlung nicht umsetzen?
Die in solchen Wörterbüchern dargestellten Regeln wären dann nicht für Schule und Behörden verbindlich, weil sie nicht die amtliche Rechtschreibung abbilden würden.
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