Geheimgutachten: BIG hätte den MCI-Neubau übernehmen können
Landeshauptmann Anton Mattle hat das größte Hochbauprojekt des Landes abgesagt. Ein Gutachten zeigt: Die BIG hätte das Vorhaben ohne Neuausschreibung übernehmen können
Bis zum 13. Dezember war der Neubau des Management Center Innsbruck (MCI) das größte Hochbauprojekt des Landes Tirol. An diesem Tag zog Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) einen unkonventionellen Schlussstrich unter das Vorhaben, das über mehrere Regierungsperioden verfolgt wurde und dabei von Pannen, Steuergeldverschwendung und Streitereien begleitet war:
„Die Diskussion rund um den MCI-Neubau ist beendet“, erklärte Mattle in einem Social-Media-Video, sagte das Vorhaben ab und erklärte das mit der „angespannten finanziellen Situation der Gemeinden und des Landes“.
Ein Jahr zuvor hatte der inzwischen aus der Landesregierung ausgeschiedene Georg Dornauer (SPÖ) als Hochbaureferent den Finanzbedarf für das Projekt mit 250 Millionen Euro beziffert. Sein ÖVP-Vorgänger Johannes Tratter hatte eine „Oberkante“ von 135 Millionen Euro versprochen, dabei jedoch verschwiegen, dass sich die Kosten durch Indexanpassungen stetig erhöhten und sich nur auf die Errichtung des Hauptgebäudes bezogen.
Die nun getroffene Entscheidung des Landeshauptmanns fiel nicht nur in die Phase der Übergabe der Ressortverantwortung von Dornauer an dessen SPÖ-Nachfolger Philip Wohlgemuth. Das Aus kam auch in einer Zeit, in der man allseits gespannt auf ein Gutachten wartete, mit dem das Land klären lassen wollte, ob eventuell die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) das Bauprojekt übernehmen könnte. Und zwar ohne Neuausschreibung. Die wäre nämlich einem Start des Projekts bei null gleichgekommen.
"Geheimhaltung geboten"
Besagte Rechtsexpertise lag bereits wenige Tage nach Mattles Paukenschlag vor. Ans Licht der Öffentlichkeit kam sie aber nicht, was Dornauer gegenüber der Tiroler Tageszeitung so erklärte: „Das gegenständlich beauftragte Gutachten dient zur Vorbereitung von Entscheidungen in einer vergaberechtlichen Angelegenheit, deren Geheimhaltung geboten ist.“
Das „Geheimpapier“ liegt dem KURIER vor. Anders als medial kolportiert fällt das Gutachten, erstellt vom Wiener Vergaberechtsexperten Michael Breitenfeld, keineswegs negativ aus – im Gegenteil. Breitenfeld sah keine rechtlichen Hürden für eine Übernahme durch die BIG. Eine Neuausschreibung hätte es demnach nicht gebraucht.
Kooperation der öffentlichen Hand
Das auf den 16. Dezember datierte „Vergaberechtliche Strategiepapier“ geht der Frage nach, ob eine „öffentlich-öffentliche Kooperation“ zwischen Land Tirol und BIG so wie allenfalls der Stadt Innsbruck als Eigentümerin des Projektgrundstücks „ohne Durchführung eines Vergabeverfahrens“ möglich wäre.
Überprüft wurde konkret, ob die Stadt der BIG „ohne öffentliche Ausschreibung“ ein Baurecht einräumen bzw. die Liegenschaft übertragen könnte und das Immobilienunternehmen der Republik den MCI-Neubau „auf eigene Kosten und eigenes Risiko realisieren“ dürfte.
Vorausgesetzt wurde, dass das Land seine Planungsgrundlagen einbringt und künftige MCI-Mieten an die BIG stemmt.
Ein gemeinsames Ziel?
Breitenfeld sieht letztlich alle dafür notwendigen Voraussetzungen erfüllt. Etwa, dass die Zusammenarbeit „ausschließlich zwischen öffentlichen Auftraggebern erfolgt“ oder der „Erreichung gemeinsamer Ziele“ dient.
Damit fällt diese Expertise vollkommen konträr zur Sichtweise des Innsbrucker Anwalts Herbert Schöpf aus, der das Land Tirol seit Jahren in Sachen MCI berät. So riet er etwa 2018 von der Umsetzung eines bereits vorliegenden Siegerentwurfs aus einem Architekturwettbewerb ab.
Die Politik folgte ihm dabei und setzte im Zuge eines Neustarts auf ein vom Juristen empfohlenes Dialog-Verfahren samt Totalunternehmermodell. Das brachte das nunmehr ebenfalls abgesagte Projekt hervor.
Im Juli trat Schöpf im Namen von Mattle und Dornauer mit der Frage an die BIG heran, ob diese den „Neubau MCI Campus“ realisieren könnte. Auch dieses Schreiben liegt dem KURIER vor. Darin skizziert der Anwalt verschiedene Varianten und seine jeweiligen „vergaberechtlichen Überlegungen“ dazu – so eben auch zu einer „Verwaltungskooperation“.
Und anders als der Wiener Experte schließt Schöpf diese Option aus, da der MCI-Neubau nicht der Erreichung eines „gemeinsamen Ziels“ von Land und BIG diene.
Im öffentlichen Interesse
Das im Verborgenen gehaltene Breitenfeld-Gutachten sieht sehr wohl ein verbindendes öffentliches Interesse: Das Land Tirol sei der „maßgebliche Träger des MCI“, zu dessen Aufgabe die „Bereitstellung der nötigen Infrastruktur für den Betrieb der Hochschule“ gehört, heißt es dazu.
Aufgabe der BIG wiederum sei unter anderem die Errichtung von Universitäts- und Hochschulgebäuden. Sie verfüge dafür über einen eigenen Unternehmensbereich dafür.
Weder BIG noch Land seien zudem am freien Markt tätig – was ein Ausschlusskriterium für eine öffentlich-öffentliche Kooperation wäre. Erfüllt ist hingegen die Voraussetzung, dass alle Beteiligten Leistungen beisteuern müssten:
Das Land würde Vorentwurf samt Kostenschätzung einbringen – beides Drittleistungen Privater, die aber ausgeschrieben wurden. Von der Stadt käme – wie stets vorgesehen – der Grund. Die Bundesimmobiliengesellschaft würde ihre Expertise zur Verfügung stellen und den Bau abwickeln.
BIG baut Haus der Physik um 230 Millionen Euro
Das Land hätte über die Bezahlung der MCI-Mieten zwar die Baukosten refinanzieren und dafür natürlich auch kräftig in die Tasche greifen müssen. Es wurde jedoch gehofft, dass die BIG billiger bauen könnte. Nicht abwegig.
So bringt das Unternehmen etwa gerade den Neubau des Hauses der Physik für die Universität Innsbruck auf Schiene. Die Kosten sollen sich auf 230 Millionen Euro belaufen, wie der ORF Tirol zuletzt berichtete. Das Gebäude soll also weniger als der MCI-Neubau kosten, hätte aber fast die doppelte Nutzfläche (28.000 Quadratmeter).
Anfang diesen Jahres wurde wiederum das ebenfalls von der BIG für die Uni Innsbrucker errichtete Agnes-Heller-Haus eröffnet. Das gab es um 81,4 Millionen Euro für 13.000 Quadratmeter Nutzfläche.
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