Fünf Jahre nach Schüssen von Stiwoll: "Hinweise werden weniger"

Polizei am Schauplatz einer Schießerei in Stiwoll nahe Graz bei der zwei Menschen getötet wurden am Sonntag, 29. Oktober 2017.
Weiterhin keine Spur von Friedrich Felzmann. Zahlreiche Verbesserungen bei Ausrüstung und Organisation seit Einsatz 2017.

Fünf Jahre nach den Todesschüssen von Stiwoll am 29. Oktober 2017 gibt es immer noch keine Spur von mutmaßlichen Schützen Friedrich Felzmann. Die Hinweise werden immer weniger: Bisher seien 529 eingelangt, sagte der steirische Landespolizeidirektor Gerald Ortner im APA-Gespräch. Keiner habe zum Erfolg geführt. Ausgewirkt hat sich der Fall aber auf Ausrüstung und Organisation der Polizei. Hier kam es zu einigen Verbesserungen, einiges war aber auch schon in Planung gewesen.

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Der Steirische Landespolizei-Direktor Gerald Ortner.

Am 29. Oktober hatte der damals 66-jährige Friedrich Felzmann nach einem jahrelangen Rechtsstreit mehrere Schüsse mit einem Gewehr auf Nachbarn abgegeben. Dabei tötete er eine Frau und einen Mann, eine weitere Frau wurde durch Schüsse schwer verletzt. Dann flüchtete er mit einem Kleinbus, den er später in einem nahen Waldstück abstellte. Hunderte Einsatzkräfte und Spezialisten verschiedenster Polizeieinheiten aus ganz Österreich fahndeten damals, vom Tatverdächtigen selbst verlor sich von da die Spur.

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Hunderte Einsatzkräfte waren im Einsatz.

Most-Wanted-Liste

Auf der Europe's Most Wanted-Liste von Europol rangiert Felzmann nicht mehr, „dessen“ Platz hat Josef Martin Schnabel eingenommen, neben „Dauerbrenner“ Tibor Foco. Diese beiden zieren auch die Liste Austria's Most Wanted Persons, nur in der Kategorie „Personenfahndung nach Straftätern“ des Bundeskriminalamtes (BK) scheint Felzmann noch auf. 5.000 Euro sind auf Hinweise, die zu seiner Ergreifung führen, ausgelobt.

Sehr wahrscheinlich scheint die Ausbezahlung der Summe nicht mehr. Möglich wäre, dass der Gesuchte für tot erklärt werden könnte. „Das würde nach dem Toderklärungsgesetz von 1950 ablaufen“, erläuterte der Jurist Ortner, einen entsprechenden Antrag müssten die Angehörigen stellen.

Fall abgeschlossen

Die Soko Friedrich wurde schon vor Jahren aufgelöst, berichtete Chefinspektor Harald Winkler von der Gruppe Leib/Leben in der Landespolizeidirektion Steiermark. Aus kriminalpolizeilicher Sicht sei der Fall abgeschlossen, es habe am 14. Mai 2018, also rund sechs Monate nach der Tat einen Abschlussbericht an die Staatsanwaltschaft Graz gegeben. Das Verfahren sei also „abgebrochen“, könne aber bei entsprechenden neuen Erkenntnissen wieder aufgenommen werden.

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Kontroll-Inspektor Harald Winkler (Stv. Leiter Ermittlungsbereich Leib/Leben, LKA).

Bis einschließlich 2022 sind insgesamt 529 Hinweise eingelangt, 2018 waren es noch 118, 2019 schon nur noch 23. Heuer sind bisher 18 Hinweise eingegangen. Ein Zeuge sagte, er habe Felzmann gesehen und auch Fotos gemacht, bei der näheren Überprüfung habe sich herausgestellt, dass die Person dem Gesuchten nur ähnlich sehe. Hinweise kamen u. a. bezüglich möglichen Sichtungen von Felzmann in den USA, Südamerika, Asien, Ungarn, Deutschland, Slowenien, Italien oder auch Litauen und Lettland. Die Überprüfung, auch über die Zielfahnder des BK habe keine neuen Spuren ergeben.

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Der Gesuchte.

Suche per Pendel

Laut Winkler seien auch immer wieder Hinweise von „Sehern“, Rutengängern und „Pendlern“ - also Menschen, die sich mit speziellen Orten und Menschen mittels Pendel befassen - gekommen. Manche würden auch ihre eigenen Theorien zum Verschwinden von Felzmann anbieten, inklusive Skizzen und Koordinaten, wo sich etwa sein Leichnam befinden könnte. Ortner zufolge habe dies ebenso wenig erbracht, wie diverse Nachsuchen mit Diensthunden - davon eine erst heuer - etwa in Hütten im Gleinalmgebiet nördlich von Stiwoll.

Landespolizeidirektor Ortner ergänzte: „Aus unserer Sicht ist die Tat geklärt, aufgrund der Spurenlage und der Aussagen, obwohl Felzmann noch nicht gefunden wurde.“ Aufgrund der Spurenlage und der Aussagen ist er der Verdächtige Nummer eins. Die Akte kann aber erst dann geschlossen werden, wenn er gefunden wird, oder sein Leichnam. Je länger er verschwunden bleibe, desto eher sei es natürlich wahrscheinlich, dass er nicht mehr am Leben sei.

Lektion

Die Lektionen, die man aus dem Einsatz gezogen habe? „Aus jedem größeren Einsatz werden entsprechende Schlüsse gezogen, aber es hat sich auch so seither viel im Innenministerium getan“, sagte Ortner. Polizeidrohnen seien damals erst in Einführung gewesen, mittlerweile gebe es bei der Landespolizeidirektion Steiermark zehn nachtflugtaugliche Modelle, mit Wärmebildsensorik, und 23 Piloten. Dies würde etwa das Abfliegen von Waldstücken wie in der Gegend um Stiwoll heute ganz wesentlich erleichtern.

Zudem sei die Leitstellenstruktur verbessert worden. Neben der Landesleitzentrale im Gebäude in der Grazer Straßgangerstraße habe man nun auch eine Mobile Einsatzzentrale in einem Van. Diese könnte die Funktion einer Leitstelle vor Ort übernehmen. Damals, im Herbst 2017, musste erst eine Leitstelle vor Ort im Gemeindeamt von Stiwoll aufgebaut werden, der Einsatz wurde von der Bezirksleitstelle in Seiersberg bei Graz geführt. Wenngleich, so Ortner, die Errichtung von Einsatzleitungen vor Ort wie eben in Stiwoll damals schon in Planung gewesen sei.

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Die Polizei auf der Suche nach dem 66-jährigen Steirer.

Als drittes habe man die persönliche Ausrüstung für die Polizisten verbessert. Im schwierigen und unwegsamen Gelände war den Beamten alles abverlangt worden, als sie mit schweren ballistischen Schutzwesten nach dem mit seinem Gewehr verschwundenen Felzmann suchten. Nun gebe es leichtere ballistische Gilets und auch die Ausrüstung mit Langwaffen sei verbessert worden.

Größere "Mannstärken"

Organisatorisch könne man rascher auf größere Mannstärken für Fahndung und Sicherungstätigkeit zugreifen, mit den Bereitschaftseinheiten, den Schnellen Interventionsgruppen (SIG), der Einsatzeinheit und dem Einsatzkommando Cobra. „Ich traue mich zu sagen, dass heute eine Flucht wie damals von Felzmann schwieriger wäre“, sagte Ortner.

„Grundsätzlich sind wir für jeden Hinweis dankbar“, sagte Ermittler Winkler, „da ist uns nichts zu blöd, dass wir es nicht überprüfen würden.“ Das gelte auch für andere Fahndungen. „Wichtig ist, dass uns Beobachtungen zeitnah mitgeteilt werden, darum bitten wir“, nannte der Chefinspektor die Notrufnummer 133 als Ansprechstelle. Manchmal würden Menschen nach Wochen aus dem Urlaub zurückkommen und die Polizei erst dann über Beobachtungen informieren. Da gehe vielleicht wertvolle Zeit verloren.

Ob einen der Fall Felzmann gedanklich oft begleite? „Selbstverständlich hat man das immer irgendwie im Hinterkopf“, antwortete Winkler. Mit dem Bericht an die Staatsanwaltschaft sei die Sache ja nicht zu Ende. „529 Hinweise, da wird man immer, bei jedem einzelnen, erinnert. Ich persönlich wünschte mir, Felzmann zu dem Geschehenen vernehmen zu können. Aber wie es ist, ist es.“

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