Führerschein für Männer erst ab 26? Neue Idee sorgt für Wirbel
Ist der Führerschein ab 17 beziehungsweise 18 Jahren bald Geschichte?
Die Antwort ist ja - aber nur wenn es nach dem deutschen Verkehrspsychologen Andreas Knie (Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung ) geht.
Er fordert eine drastische Maßnahme, um illegalen Straßenrennen in Deutschland den Kampf anzusagen: Junge Männer sollen den Führerschein erst ab 26 Jahren erhalten.
Begründet wird der extreme Vorschlag damit, dass es vor allem junge Männer zwischen 20 und 26 Jahren seien, die mit überhöhter Geschwindigkeit im Berliner Straßenverkehr unterwegs seien, heißt es in der Frankfurter Rundschau.
Aber auch in Österreich sind Verkehrsunfälle mit überhöhter Geschwindigkeit keineswegs eine Seltenheit. Seit 1. März 2024 werden deshalb Raser-Autos als Gegenmaßnahme beschlagnahmt.
Doch sind Männer wirklich das Problem im Straßenverkehr?
Glaubt man den Zahlen, ja. Im Jahr 2023 waren bei 10.488 Unfällen österreichweit Autos die Hauptverursacher. 63 Prozent dieser Unfälle wurden von Männern verursacht.
Beschlagnahme: Seit der 34. Novelle der Straßenverkehrsordnung vom 1. März 2024 kann bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 80 km/h im Ortsgebiet und 90 km/h außerhalb des Orts das Fahrzeug beschlagnahmt und in weiterer Folge versteigert werden.
Vorstrafen: Gibt es eine einschlägige Vorstrafe, etwa wegen einer Teilnahme an einem illegalen Autorennen oder wegen des Entzugs des Führerscheins, ist die Beschlagnahme schon bei einer Überschreitung von mehr als 60 km/h innerorts und 70 km/h außerorts möglich.
70 Prozent der Unfalllenker sind männlich
In Wien ist das Verhältnis der Unfallverursacher sogar noch ausgeprägter: 70 Prozent der Unfälle, bei denen ein Pkw der Hauptunfallverursacher war (2023: insgesamt 1.641), sind auf Männer zurückzuführen, 30 Prozent wurden von Frauen verursacht.
Dennoch sind weniger junge Männer unter den Unfalllenkern in Wien: 18 Prozent der von männlichen Autofahrern verursachten Verkehrsunfälle waren im Alter von 17 bis 26 Jahren. Im Österreichschnitt liegt der Anteil der 17 bis 26-jährigen Unfalllenker bei 27 Prozent.
"Der Anteil junger Männer an Autounfällen ist in Wien dank des dichten Öffi-Netzes und des Angebots in der Nacht niedriger als in den Bundesländern", erklärt VCÖ-Sprecher Christian Gratzer die Differenz.
Wäre eine Fahrbeschränkung für Personen unter 26 Jahren dennoch sinnvoll?
"Nein auf keinen Fall. Die Lösung liegt nicht im Verbot", erklärt Verkehrspsychologin Carola Strobl-Unterweger im KURIER-Gespräch. "In Österreich haben wir den Mehrphasen-Führerschein, damit werden gezielt Maßnahmen für die Hochrisikogruppe der Fahranfängerinnen und -anfänger gesetzt." Mittels Fahrtraining, Überprüfungsfahrten und Bewusstseinsbildung könne man insgesamt mehr bewirken als mit einem Fahrverbot für junge Menschen.
Illegale Straßenrennen seien außerdem im Vergleich weniger ein Problem als in Berlin. Schon bei weitaus geringeren Geschwindigkeitsübertretungen von Probescheinbesitzern sind deshalb Nachschulungen notwendig.
Seit der Einführung der Mehrphasenausbildung im Jahr 2003 in Österreich habe es außerdem einen Rückgang bei den getöteten 17-24-jährigen Lenkerinnen und -lenkern gegeben, so Strobl-Unterweger weiter: "Man merkt, dass die Mehrphasenausbildung etwas bringt."
Es geht (nicht) ums Können
Viele Autounfälle seien nicht auf das Können zurückzuführen, sondern vielmehr auf die eigene Risikobereitschaft. Bei Männern sei Letzteres höher ausgeprägt als bei Frauen. "Das betrifft nicht nur Geschwindigkeit, sondern zum Beispiel auch Alkohol und Drogen." Natürlich sind diese Fahrverhalten aber nicht exklusiv Männern vorbehalten: "Frauen ziehen nach".
Bewusstseinsbildung für Jung und Alt
Als weitaus notwendiger als ein Führerschein ab 26 Jahren schätzt die Verkehrspsychologin hingegen Adaptierungen in Form von Bewusstseinsbildung für ältere Menschen im Straßenverkehr ein. Die Thematik ist eigentlich nichts Neues: Auch auf EU-Ebene debattierte man bereits einen "Führerschein-Check" für Senioren ab 70. Der ist mittlerweile zwar vom Tisch, die Grunddiskussion aber nicht:
"Das Unfallrisiko steigt deutlich ab 84 Jahren an. Realistisch wären deshalb Überprüfungen ab 80 Jahren sinnvoll", sagt sie. Bewusstseinsbildung sei prinzipiell für alle Altersgruppen wichtig. Bei Älteren sei die Risikobereitschaft im Vergleich zwar merklich geringer, aber dafür seien Einschränkungen, beispielsweise im Seh- und Hörbereich oder durch Medikamente, prominenter in der Altersgruppe.
Bei der Bewusstseinsbildung für ältere Menschen gehe es deshalb darum, sich den Einschränkungen des Alters bewusst zu werden und potenzielle Schwächen wahrzunehmen.
Bisher sind etwaige Maßnahmen auf freiwilliger Basis zu absolvieren. Strobl-Unterweger empfiehlt, diese Maßnahmen aber gesetzlich zu verankern: "Das ist im Sinne der Verkehrssicherheit sehr sinnvoll. So könnte sichergestellt werden, dass ältere Menschen im Straßenverkehr sicher unterwegs sind." Besonders im ländlichen Bereich sind viele auf das Auto angewiesen, umso wichtiger sei ein verantwortungsvoller und sicherer Umgang im Alter.
Grenzen setzen
Ein verantwortungsvoller Umgang ist aber auch für die jungen Lenker essenziell: "Der Straßenverkehr ist der falsche Spielplatz, um Grenzen auszutesten", sagt Strobl-Unterweger.
Statt jungen - und alten - Lenkern Führerscheinbeschränkungen, wie die deutsche Forderung ab 26, aufzudrücken, empfiehlt die Verkehrspsychologin mehr auf Kontrollen zu setzen. "Je höher die Wahrscheinlichkeit ist, dass ich beim Rasen entdeckt werde, desto eher halte ich mich an die Vorgaben."
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